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einige Fernbriefe aus dieser Zeit irgendwo haben muß. Ich hab mich da beworben und kriegte keine Übersetzung. Oder hatte eine Probeübersetzung nicht gut gemacht. Und der Beppo [Spitzname Kalmers] hat gesagt: „Ja, das ist ganz einfach. Du kennst eben nicht das Handwerkliche des Übersetzens. Ich sag dir was: Du machst einige Zeit für mich Rohübersetzungen, und ich korrigier sie dir durch und du lernst aus dem Korrigieren was. Und ich beute dich dabei finanziell aus, weil ich einen gewissen Profit von dieser Arbeit auch habe. Ich veröffentliche sie dann. Wenn du nach einem Jahr nicht so weit bist, daß du mit deiner Begabung besser übersetzen kannst als ich, dann spreche ich nicht mehr mit dir.“ Nach weniger als einem Jahr haben wir uns zufällig, ohne es zu wissen, beide um dieselbe Übersetzung bei Bruno Adler beworben. Und der hat mir gesagt: „Nein, das ist nichts für den Kalmer, da braucht man zu viel Feingefühl. Der Kalmer arbeitet zu rasch, das kriegen Sie.“ Das habe ich dem Kalmer dann gesagt. Darauf hat er mich in ein tschechisches Restaurant ganz groß ausgeführt, um damit zu sagen: „Jetzt bist du frei, auf eigenen Beinen.“ wenn ich später als Übersetzer bekannt wurde, Dylan Thomas zuerst, mir damit einen Namen gemacht habe, und dann Shakespeare, so habe ich das Wesentliche auch ihm zu verdanken. Er hat nicht nur korrigiert, er hat mir, wo immer ich gefragt habe, und ich habe viel gefragt, erklärt, was die Ideen sind hinter den Korrekturen, warum so oder so. Und er war dabei, obwohl er sich immer sehr autoritär gegeben hat, in Wirklichkeit überhaupt nicht autoritär. Er hat niemals versucht, mich irgendwie zu unterdrücken oder sein höheres Alter oder so etwas auszuspielen. Was er an Autorität hatte, beruhte wirklich apf Erfahrung und Kenntnissen. Er hat mir natürlich auch eine Menge Politik beigebracht. Ich wußte einiges, ich war mit einem alten Trotzkisten in London auch während meiner kommunistischen Zeit die ganze Zeit befreundet, der hieß Fritz Gross, war der Mann von der Babette Gross, die dann den Willy Münzenberg geheiratet hatte, der dann beim Fall von Frankreich von irgendwelchen russischen Geheimpolizei-Agenten umgebracht wurde. Fritz Gross war ° auch ein Freund von Kalmer. Er hatte eine ungeheuer gute politische deutsche Bibliothek aus den 20er Jahren. „Frigo“ war sein Spitzname. Der war auch befreundet mit dem Willy Schlamm, der als Rotgardist begonnen hat. Schlamm, Flesch [Spitzname für Hans Flesch-Brunningen] und Egon Erwin Kisch haben die „Presse“ gestürmt. Das ist sozusagen in großen Umrissen, was Kalmer für mich bedeutet hat. EINEM JUNGEN FREUND Du kommst zu mir und siehst mir zu, ich setze Strich für Strich die Worte, doch Gewalt und Ruh besitzt du mehr als ich. Denn grau schon sprenkelt sich mein Haar, doch wie ich leis und laut die Dinge anpack’, hat manch Jahr in mir schon vorgebaut. Ich seh dich gern, und könnt’ geschehn, was nie, mein Freund, geschieht, daß Jung und Alt zusammengehn, wir schüfen manches Lied. Dieses Gedicht Theodor Kramers ist wahrscheinlich an Erich Fried gerichtet und gedenkt der kurzen Zeit der Zusammenarbeit. AUFSÄTZE UND REZENSIONEN Eine großangelegte Untersuchung widmet die Anglistin und Germanistin Sylvia M. Patsch den Publikationen österreichischer Schriftsteller in englischer Sprache. Mit Recht weist sie darauf hin, daß auch in der Exilliteraturforschung die Scheu vor dem Studium fremdsprachiger Texte dazu geführt hat, der Rezeption der Werke von Exilautoren in den Gastländern kaum nachzugehen. „Noch nie“, stellt sie, die Fakten resümierend fest, „hat ein deutscher oder österreichischer Verlag versucht, Werke österreichischer Schriftsteller, die in ‘englischer Sprache schreiben, wieder herauszubringen.“ Es gibt freilich Ausnahmen (Robert Neumann, Arthur Koestler — wenn man ihn als „Österreicher“ sehen darf — und Hermynia Zur Mühlen); hier konnten die Autoren noch selber ein deutschsprachiges Manuskript anbieten. Patsch berichtet über die Exilschicksale und Arbeiten von Hans Flesch-Brunningen, Salka Viertel, Richard Flatter, Martina Wied, Johannes Urzidil und vielen anderen. Erschienen ist inzwischen auch ein von ihr herausgegebener Band mit Texten von Felix Braun bis Stefan Zweig, Texten, in denen sich österreichische Geschichte und Situation des Exils von 1934 bis etwa 1950 spiegelt. K.K. Sylvia M. Patsch: Österreichische Schriftsteller im Exil in GroßWien, München: Verlag Christian Brandstätter 1985. 287 S.