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Fritz Herrmann Jura Soyfer-Symposion (5./6. Dezember 1989), einige Streiflichter 1. Gut besuchtes Symposion. Solider Boden (Theaterwissenschaftliches Institut, am zweiten Tag Festsaal des Alten Rathauses). Wenige Zaungäste wie ich, die meisten hauptberuflich interessiert. Alle meine Soyfer-Bücher zuhause, von Soyfer und über ihn, im Regal kaum einen halben Meter einnehmend, würden einem Soyfer-Fachmann nicht mehr genügen. Horst Jarka nannte 1987 in seiner Biographie Soyfers an Werkausgaben und „lesenswerten Arbeiten“ der Sekundärliteratur an die neunzig Titel. Seitdem hat es, nach der Zahl der bei diesem Symposion ihre allerneuesten Arbeitsergebnisse referierenden Wissenschaftler, eine Menge weiterer Bemühungen gegeben. Die Literaturwisssenschaft hat Soyfer früher übersehen. Wenige nur kümmerten sich vor Horst Jarkas beharrlichem Auftreten (ich kenne zufällig einige Einzelheiten seiner Anstrengung Ende der 70er Jahre, seine Soyfer-Gesamtausgabe durchzusetzen) um Soyfer. Ein KZler und ein Kommunist, no ja. Mittlerweile freilich wurde dem Opfer halbwegs verziehen. Jetzt dissertieren sie. An der bamstigen Tineffklassizität eines Weinheber haben sie sich abgesessen, jetzt läßt sie ihre Alamode-Ökologie den frischen Soyfer versuchen. Antifaschismus aus der Akademikerfabrik, wunderliche Soyfertilität des Uni-Schoßes. Unsereins gerät dadurch in die Zwickmühle, sich jetzt an die neuere Glaubwürdigkeit der Fakultät zu halten oder lieber doch an das alte Wort des Philosophen: daß Literaturwissenschaft sowieso nur die Wissenschaft vom Nichtwissenswerten ist. Gleich zu Beginn des Symposions beschließe ich, meine Soyfer-Bibliothek nicht mehr zu erweitern. 2. Ob denn die Bevölkerung, was doch das Wichtigste wäre, ihren Soyfer kennt? In Wien nicht sehr. In Jarkas genanntem Buch wird die jahrelange Abwehrhaltung des Rathauses skizziert. Immerhin sei aber Soyfer dann doch, schreibt J., eine „hochamtliche Ehrung zuteil“ geworden: „Anfang 1962 hatte die kommunistische Freie Österreichische Jugend (FÖJ) den Antrag gestellt, einem Platz oder einem Gemeindebau den Namen Jura Soyfer zu geben und durch einen Gedenkstein oder eine Gedenktafel den Antifaschisten und Arbeiterdichter zu ehren (Jugend voran, Februar 1962). Senatsrat Dr. Thöning, Leiter der zuständigen Magistratsabteilung 7, lehnte ab: Der Grund läge einfach in der klanglichen Ähnlichkeit des Namens mit dem Wort Säufer. Es wäre sicher mit Protesten aus der betroffenen Bevölkerung zu rechnen, denen unbedingt Berechtigung zuerkannt werden müßte. Die FÖJ vermutete ein antikommunistisches Manöver. Vier Jahre später erinnerte sich die Magistratsabteilung 7 daran, daß es in Wien schließlich auch eine Ficker-Straße gab, und beschloß, eine Gasse im 10. Bezirk nach Soyfer zu benennen. (1979 sprach der Verfasser mit einem Bewohner der Gasse; der ältere Herr fühlte sich durch den ’Säufer’ keineswegs beleidigt; er meinte auch, Jura sei eine bekannte Schauspielerin (!) gewesen.)“ 17 Fritz Herrmann, dessen Dissertation „Jura Soyfer. Die Anfänge eines volksverbundenen österreichischen Dichters“ (Wien 1949) bis in die 70er Jahre hinein die einzige wissenschaftliche Grundlage der Kenntnis des Lebens und des Werkes Soyfers blieb, schrieb diese „Streiflichter“ unmittelbar nach dem 1. Internationalen Soyfer-Symposion in Wien, dessen Ergebnisse nun in „Die Welt des Jura Soyfer“, Zwischenwelt 2, Wien 1991, dokumentiert sind. Die ,, Streiflichter“ waren als Einleitung zu einer nicht zustande gekommenen Vor-Publikation der Beiträge Konstantin Kaisers und Alfred Pfabigans gedacht. - Der Soyfer-Biographie Horst Jarkas, „Jura Soyfer. Leben. Werk. Zeit“ folgte 1991 der von ihm herausgegebene Briefband „Sturmzeit. Briefe 1931 - 1939“. Der zum Schluß erwähnte Aufsatz Herrmanns, „Jura Soyfer. Eine politische Einschätzung“, erschien 1985 in: Exil. Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse (Maintal), 5.Jg., Nr.1, S.5-21. ide Hinter dem geheimnisvollen Namen verbirgt sich die Vierteljahrszeitschrift “Informationen zur Deutschdidaktik. Zeitschrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule”, die, von Heimo Strempfl und Werner Wintersteiner redigiert, an der Universität Klagenfurt das Licht der Welt erblickt. Die Zeitschrift wird immer ansehnlicher und umfangreicher; das letzte Heft mit dem Schwerpunktthema “Mitteleuropa” hat gar 160 Seiten. In der Zeitschrift wird die Polemik gegen rechtsextreme Tendenzen nicht vernachlässigt, und auch die Literatur der Verfolgten und Vetriebenen bleibt nicht unerwähnt. Im letzten Heft: Primus-Heinz Kuchers kompetente “Annäherung an den Triestiner Schriftsteller und Kritiker Feruccio Fölkel” (der im englischen Exil war), Gero Fischers Hinweise auf die tschechische Literatur. Kritik einer Kulturauffassung, die im Namen der ’Heimat’ Vorschriften erlassen will, ist in Kärnten unabdingbar. Heimo Strempfl stellt die “Babyficker”-Auseinandersetzung (um den beim Ingeborg Bachmann-Preislesen im Juni 1991 prämiierten Text des Baslers Urs Allemann) in den Leserbriefspalten Kärntner Zeitungen dar, ohne jedoch auf den umstrittenen Text selbst einzugehen.