- trägt nun, auf Spanisch, den Namen
„Melodia Americana 1492“ und wurde
von Alfredo Bauer (Buenos Aires)
übersetzt. Das österreichische Ministe¬
rium für Unterricht und Kunst unter¬
stützte die Arbeit des Übersetzers finan¬
ziell.
Herausgeber des 115 Seiten starken
Bändchens (Buenos Aires 1991) ist der
„Ateneo Argentino Alejandro von
Humboldt“.
Bauers Vorwort „Jura Soyfers Prophe¬
tie der 500-Jahrfeiern“ enthält auch
einen Abschnitt über die Rezeption
Soyfers im österreichischen Exil in Ar¬
gentinien 1943-48. Aus der Perspektive
der jungen Flüchtlinge, deren einer
Bauer selbst war, resümiert er: „Die Ge¬
dichte und Theaterstücke Jura Soyfers,
die wir aus England erhielten, waren
das, was unserem Geisteszustand,
unseren gerade erworbenen Überzeu¬
gungen und unseren Hoffnungen genau
entsprach...“
Ein Bericht Bauers in deutscher
Sprache „Jura Soyfer und andere Klein¬
kunst im argentinischen Exil“ findet sich
im Jahrbuch Zwischenwelt 2 (Verlag für
Gesellschaitskritik 1991) „Die Welt des
Jura Soyfer“, S.70-73.
Mein Entschluß, mir keine Soyferbiicher mehr zu kaufen, gerät schon während
des ersten Referats, gehalten von Univ.Prof. Dr. Horst Jarka (Missoula
Montana/USA), ins Wanken. J. legt von ihm neuerdings gesammelte Briefe
Soyfers vor, und die kommen vielleicht im heurigen Jahr heraus. Vieles in diesen
Briefen ist kurios, privat, beleuchtet Soyfers Karriereprobleme (tiberraschend,
daß auch er welche haben mußte) und seine sexuellen Bedürfnisse.
Daß die jugendliche Hauptadressatin von vor über fünfzig Jahren, Soyfers Helli,
heute und hier als eine gute Siebzigerin in der ersten Sesselreihe sitzend, durch
das Medium Jarka ihrem jungen Jura aufmerksam zuhört, macht die Vorlesung
mehrdimensional und zur Seance. Unser Hier und sein Damals - die nicht
anwesende Hauptperson ist mit einemal deutlich da.
Dann der Beitrag Konstantin Kaisers. Er ist ein gescheiter Mensch, und ich
fiirchte ihn etwas, weil ich mich nach der Beschäftigung mit Kaiser-Texten schon
oft mutlos in den unbarmherzigen Verschlingungen seiner Abstraktionen gefun¬
den habe.
Aber diesmal ist er anders. Er bietet, anschaulich, einen Drahtseilakt. Ausge¬
hend von der ökonomischen Lage, von der quasiparasitären Zwischenhandels¬
position von Juras Vater, dem Kaufmann Wladimir Soyfer, macht er uns die
Zombies in Soyfers „Vineta“ begreiflich. - Marxismus, der sich was traut.
Und, nicht minder artistisch: der norddeutsche Charakter der Figuren in
„Vineta“ läßt K. an Heinrich Heine denken, der seine vergleichbare familiäre
Situation mit einem „Vineta“ durchaus vergleichbaren Text, Hamburger Zustän¬
de betreffend, bewältigt habe. - Hübsche Equilibristik.
Zum Schluß der Darbietung ein interessanter Hupfer, der auch Karl Kraus auf
Tuchfühlung zum Thema bringt.
Es ist mir angenehm, daß da einer Soyfer so unbekümmert in der Geniewelt, mit
Marx und Aristoteles (der antike Klassiker hat ja dem neueren zu ersten Ein¬
sichten in die Chrestomatik verholfen), mit Heine und Kraus verkehren läßt.
Kaisers materialistisch fundierte Spekulation deutet, erklärt immerhin plausibel
einige Züge des Traumstücks, des Überbauphänomens „Vineta“, ohne dessen
Zauber hinzumachen. Das ist schon was. - Und angesichts der meist so sachli¬
chen Emsigkeit des Symposions phantasiere ich mir in eine der hinteren Sessel¬
reihen die Hauptperson, die übermorgen 77 geworden wäre, und lasse sie
amüsiert der Exegese lauschen... Aber es nützt mir nichts. Gleich drauf, in der
Diskussion, wird K. niedergebügelt.
Na ja, hier, bei der Untersuchung von Soyfers Poesie, geht’s schließlich nicht um
diese, sondern um Wissenschaft. Ein jüngerer Soyfer-Experte wirft K.s Argu¬
mentation gar „Beliebigkeit“ vor.
Sorgsame Vorträge, manche nicht ohne Gefühl: Ernst Glaser, der Soyfer mit
Wolfgang Borchert vergleicht, Arthur Wests Exilerinnerungen. Eitel Harmonie.
Dann aber läßt Pfabigans Referat den Zwist um die politische Zugehörigkeit der
Hauptperson ausbrechen. Klassische Streitfrage aller Soyferfreunde: Wem
gehört er denn nun eigentlich?