sind diese Verbannten großteils schon tot. Und nur wenigen von ihnen gelang
es, sich als Einzelpersonen gegen die geschlossene Wand der Gestrigen durch¬
zusetzen. Nur wenige der Autoren, die rechtzeitig geflohen sind, haben sich in
der Fremde entfalten können. Zurückgerufen wurden sie nach dem Krieg jeden¬
falls nicht.
Die bei uns Ermordeten sind von den Mördern verschwiegen und vom Publikum
vergessen worden, wozu die Verleger und die Buchhändler eifrig beigetragen
haben. So muß man fünfzig Jahre nach ihrem tragischen Ende noch einmal an
die tote Dichterin erinnern, als habe sie nicht einst, in ihrer Glanzzeit, zu den
gefeierten und meistgelesenen Autorinnen gehört. Bezeichnend für die unter¬
schwellige “Vergeßlichkeit”, die im Grunde nur ein Beweis für unterdrücktes
schlechtes Gewissen war, ist die Tatsache, daß die “Neue österreichische Biogra¬
phie” - eine vom Staat subventionierte Publikation — die Dichterin gar nicht
erwähnt, während sie in der in München publizierten “Neuen Deutschen Bio¬
graphie” mit einem ausführlichen Artikel gewürdigt wird.
Als ihr letzter Roman “Leidenschaft in Algier” im Frühling 1932 in der angese¬
henen österreichischen Tageszeitung “Neue Freie Presse” im Vorabdruck und
ein halbes Jahr später als Buch vorlag, häuften sich die begeisterten Rezensio¬
nen. Wieder ein halbes Jahr danach, 1933, wurde das Werk vor der Berliner Oper
verbrannt. Die renommierte österreichische Tageszeitung, die auf die deutschen
Leser nicht verzichten wollte, wagte in den folgenden fünf Jahren, in denen es
laut Landkarte noch ein “freies” Österreich gab, nicht einmal ein Feuilleton der
Dichterin zu drucken. Nur eine einzige Wiener Zeitung (das “Neue Wiener
Tagblatt”) hat noch bis März 1938 gelegentlich - in immer größeren Abständen
- einen Artikel oder eine Erzählung abgedruckt und minimale Honorare über¬
wiesen, aber nicht verhindern können, daß die Autorin völlig verarmte und aus
dem Gedächtnis ihrer einstigen Leser entschwand. Zwei Drittel derjenigen, die
beim Einmarsch der Deutschen in der gleichen Lage wie die Autorin waren,
vornehmlich die Jungen und diejenigen, die Freunde oder Angehörige im
Ausland hatten, flohen noch rechtzeitig vor Ausbruch des Krieges. Aber die
Älteren und Alten, für die sich niemand einsetzte, waren in der Falle. Ab und
zu gab es trügerische Momente der Hoffnung, die sofort wieder erlosch. Der
internationale PE.N. in London arbeitete zu langsam und zu wenig effizient.
Freunde, denen die Flucht gelungen war, die aber selbst in der Fremde kaum
Fuß fassen konnten, versprachen matt Hilfe, die aber dann nie eintraf. Die
Wiener Freunde - oh, es gab ja auch anständige Menschen! - brachten ab und
zu eine Tasche voll Kartoffeln oder einen Sack Briketts, ein paar Brotmarken
und etwas Geld, konnten aber nicht verhindern, daß die Dichterin hungerte und
fror.
Der junge Student, der im Herbst 1933 vor ihrer Tür stand und die Dichterin,
von der er schon einiges gelesen hatte, um ein Autogramm bat, blieb, fasziniert
von der überwältigenden Persönlichkeit der Frau, die dem Alter nach seine
Mutter hätte sein können, neun Jahre lang ihr Gefährte. Er weiß, daß diese
letzten, von Sorgen und Entbehrungen überbelasteten Lebensjahre der Freun¬
din für ihn die absolut wichtigsten Jahre seines Lebens gewesen sind. Zwei Jahre
davon (1938 bis 1940) waren sie allerdings getrennt, weil der junge Mann, der
polnischer Staatsbürger war, seine Militärdienstzeit in Graudenz absolvieren
mußte, in dieser Zeit auch noch in den Krieg geriet und anschließend als
Kriegsgefangener in Westfalen festgehalten wurde. Bei seiner Rückkehr nach
Wien fand er die Freundin in ihrem vorletzten Quartier, das sie bald wieder
verlassen mußte. Von einem gemeinsamen Wohnen einer “Jüdin” mit einem
“Arier” war natürlich keine Rede mehr. Und auf ihrer letzten Wohnungstür
prangte auch noch der in Wien im August 1941 eingeführte gelbe Stern, sodaß
die Besuche eines Mannes, der auf seinem Anzug keinen solchen Stern trug, für
beide ein ständiges Risiko waren. Trotzdem sahen sie einander allabendlich. ¬
Auch noch am 21. Mai 1942! Und als die Dichterin ihn um 22 Uhr hinunterbe¬
gleitete, sagte sie beim Abschiedskuß wie immer: “Also bis morgen!” Doch
dieses “morgen” gab es nicht mehr. Mitten in der Nacht wurde sie abgeholt.
ZweiunddreiBig Gedichte waren die letzten lyrischen Werke, die bis 1941 ent¬
Schibes. Eine Hundenovelle. Wien,
Eduard Strache 1920. (Zahlreiche Neu¬
ausgaben, zuletzt 1991).
Die Lieder der Fausta. Gedichte in
antiker Form. Wien: Rikola 1922. (Ins
Englische tibersetzt.)
Der heilige Palast. Roman aus der by¬
zantinischen Kaiserzeit. Wien: Rikola
1922. (Ubersetzt ins Schwedische, Un¬
garische, Serbokroatische.)
Die Geschichte von Half dem Weibe.
Ein Wikingerroman. Wien: Rikola 1925.
Gudrun. (Prosanachdichtung der Sage).
Stuttgart: Francksche Verlagshandlung
1928. (Mehrere Neuausgaben, zuletzt
1973. Ubersetzt ins Englische.)
Liebesgedichte. Eine Auswahl aus dem
lyrischen Gesamtwerk. Wien: Speidel¬
sche Verlagsbuchhandlung 1930.
Leidenschaft in Algier. Roman. Wien:
Speidelsche Verlagsbuchhandlung 1932.
(Neuauflage 1955. Ubersetzt ins Engli¬
sche und Polnische.)
Sonette fiir Jan. Gedichte. Wien: Luck¬
mann 1946. (Übersetzt ins Französi¬
sche.) [Entstanden ca. 1938-41.]
Der jugendliche Gott. Roman. Wien:
Zsolnay 1947. (Zahlreiche Neuaufla¬
gen, zuletzt 1986.) [Entstanden ca. 1940¬
42.]
Sahara. Novellen. Graz: Leykam 1951.
(Neuauflage 1961. Zuerst abgedruckt in
Fortsetzungen im “Neuen Wiener Tag¬
blatt”. Einzelne Erzählungen ins Hol¬
ländische und Englische übersetzt.)
Gute Liebe - böse Liebe. Auswahl aus
dem Gesamtwerk. Graz, Wien: Stiasny
1960.
Schicksale in Bilderschrift. Historische
Miniaturen. Wien: Bergland 1967.
(Neue Dichtung aus Österreich, Son¬
derband 2).
Vor dem Spiegel. Lyrische Autobiogra¬
fie. Graz, Wien, Köln: Styria 1978. (Mit
einem Nachwort von Oskar Jan Tau¬
schinski).