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Eine ganze Schar von Kindern genoß
laut kreischend das willkommende Bad.
Sie liefen um das Ding herum oder
balgten sich am Straßenrand.

„Wie niedlich!“ dachte Borja, als ein
kleiner schwarzer Junge, ein Wuschel¬
kopf mit zarten, dunkelbraunen Glie¬
dern und leuchtenden rehbraunen
Augen, an ihm vorbeilief. Er hatte ein
T-Shirt mit der Aufschrift „Superman“,
eine kurze Turnhose und Sandalen an,
die schon so viel Wasser hatten, daß bei
jedem Schritt des Jungen ein lauter
quatschender Laut zu hören war. „Ja, ja,
jetzt sind sie niedlich“, dachte Borja bei
diesem Anblick, „aber wenn die mal
größer werden, dann gehen sie mit
Messern auf uns los oder lärmen in den
Straßen herum, das letztere in jedem
Fall. Warum sie sich nicht wie zivilisierte
Menschen benehmen können, nicht
einmal in der U-Bahn können sie stillsit¬
zen...“

Er ertappte sich dabei, daß er lansam
genau so zu denken begann wie die Alte.
Er bemühte sich redlich, solche Ansich¬
ten wieder ins Unbewußte zu verdrän¬
gen, er negierte sie, ließ sie nur teilweise
an sich heran, und wenn die Schwieger¬
mutter allzu sehr in Fahrt kam, wies er
sie zurecht und nahm die erbosten Re¬
aktionen und beleidigten Mienen in
Kauf.

Er mußte an die Erzählung eines jungen
Mannes aus Odessa denken, der zur
ersten Einwanderergruppe aus der So¬
wjetunion gehörte, die sich in diesem
Viertel niederließ. Damals wohnten hier
fast ausschließlich Puertorikaner und
Schwarze, die Wohnungen waren billig,
und die Nähe zum Meer erinnerte an
zuhause, an Odessa. Bald bekriegten
sich die Jugendlichen, gingen mit Base¬
ballschlägern, Ketten, Messern, Eisen¬
stangen und sonstigem Kram aufeinan¬
der los. Täglich gab es Verletzte auf
beiden Seiten, auch Schwerverletzte.
Schon ein falsches Wort an der falschen
Stelle konnte eine Schlägerei mit
fatalem Ausgang auslösen. Da das russi¬
sche Wort für Neger dem amerikani¬
schen „negroe“, aber auch dem wenig
schmeichelhaften „Nigger“ sehr ähnlich
ist, und da die schwarzen Jugendlichen
oft schon aggressiv zu reagieren pfleg¬
ten, wenn sie merkten, daß man über sie
sprach, wurden schließlich andere, um¬
schreibende Bezeichnungen verwendet.
Das russische Wort für „Schwarze“ und

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schon gar der sehr unglücklieh-gewählte
Begriff „Schokoladenleute“ waren den
damit Bezeichneten nur allzu bald
bekannt, mit der entsprechenden
Wirkung. Es folgten neue, nicht so leicht
zu entziffernde Begriffe — Schneeflok¬
ken, Schneewittchen, Bleichgesichter,
Weiße Zwerge, und ähnliches. Die
jungen Leute aus Rußland: blieben
schließlich siegreich — das Viertel
gehörte ihnen, sie konnten sich auch am
Abend, nach Sonnenuntergang, noch
auf der Straße aufhalten, und tagsüber
war ohnehin nichts zu befürchten, wenn
man natürlich die Grenzen kannte.

An einem ihrer allerersten Tage hier in
diesem Viertel besuchten Borja und
Galja einen alten Bekannten, der schon
einige Jahre zuvor ausgewandert war.
Borja hatte ihn als einen sehr feinen und
noblen Menschen in Erinnerung. Der
Mann wohnte am anderen Ende des
Bezirks, jenseits der berüchtigten 7th
Avenue, die man nicht überqueren
durfte, es sei denn man hielt sich abseits
der Straßen und blieb auf der Strand¬
promenade. Nur war das den beiden
damals noch nicht bekannt. Zu jener
Zeit waren sie noch in einer kleinen
Pension für Immigranten unterge¬
bracht, auf Kosten der Organisation, die
sie unterstützte; und da diese mit ihren
Mitteln in solchen Fällen recht sparsam
umging, war die Pension, wenn nicht

gerade eine Absteige, so doch alles
andere als ein Luxushotel. Kurzum,
Borja und Galja trauten den Putzfrauen
sowie auch dem restlichen Personal des
Hotels nicht so ganz und trugen deshalb
ihr ganzes Geld - kein großer Betrag,
aber von existentieller Bedeutung — mit
sich herum. In Zeitungspapier gewickelt
und in eine Einkaufstasche gelegt, ein
Laib Brot und eine Wurst obenauf,
manchmal auch noch andere Lebens¬
mittel. So marschierten sie also los, mit
der Einkaufstasche in der Hand, über¬
querten die 7th Avenue, staunten über
die alten Backsteinruinen, die ausge¬
brannte Fabrik, den Schutt, der die
halbe Fahrbahn der Straße blockierte
und der deshalb einen mittelgroßen
Stau verursachte, wunderten sich über
die vielen Obdachlosen, die in Karton¬
kisten lebten, sahen die vielen mit Bret¬
tern zugenagelten Fenster. Aus einem
wüst aussehenden Lokal dröhnte, wild
hämmernd, amerikanische Bumm¬
Krach-Klirr-Musik, wie Borja sie zu
nennen pflegte. Einige finstere Gestal¬
ten, die den Eingang zum Lokal ver¬
sperrten, torkelten den beiden auf wak¬
keligen Beinen entgegen und starrten
sie verwundert an. Da erst wurde Borja
und Galja ihre Situation bewußt.
Nachdem sie begriffen hatten, beschleu¬
nigten sie ihren Schritt und kamen
schließlich zu einem trutzburgartigen