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Briefe

Zu dem Brief Helmut G. Aspers und dem
Diskussionsbeitrag Andrea Reiters (“60
Jahre Exil-PEN die Veranstaltung in Wien,
27./28. Mai 1994“) in MdZ Nr.2/1994,
S. 17f, bzw. S. 40.

Helmut G. Asper schreibt vom großen Zeit¬
druck, der zu fehlerhaften Recherchen füh¬
re usw. Vielleicht spricht er pro domo. Die
Akribie, mit der Marta Mierendorff in Los
Angeles arbeitete, auch über österreichi¬
sche Filmkünstler, kann damit nicht ge¬
meint sein. Da es zu mir im einzelnen un¬
bekannten Spannungen zwischen Dr. Asper
und Prof. Mierendorff kam, ist ihm, aber
nicht der Exilforschung, Marta Mierendorff
zur Un-Person geworden. MdZ sollte Ge¬
legenheit suchen, die Arbeiten der letzteren
zu durchforschen und diese in der Zeit¬
schrift gebührend zu würdigen.

Andrea Reiter wiederum reißt einen The¬
menkreis an, zu dem etwas zu sagen mich
meine neunjährige Funktion als Generalse¬
kretär des angesprochenen PEN-Zentrums
wohl berechtigt.

Zunächst ist zu beachten, daß der PEN eine
mühsame Versammlung von Individuali¬
sten ist, und von was für welchen! Der
Exil-PEN nicht deutscher, sondern
deutschsprachiger Autoren im Ausland
machte da keine Ausnahme. Daß diese
Gruppe „bis zum vorigen Jahr kaum be¬
kannt“ gewesen sein soll, trifft mich als
Neuigkeit. Oder gilt im deutschen Sprach¬

MIT DER ZIEHHARMONIKA
Zeitschrift der Theodor Kramer
Gesellschaft

erscheint vierteljährlich. Eigentümer, Ver¬
leger, Herausgeber: Theodor Kramer Ge¬
sellschaft, A-1210 Wien, Obere Jungen¬
bergg.27, Tel. (0222) 39 38 475. Druck:
Hoffmann, 1020 Wien. Drucklegung geför¬
dert durch die Stadt Wien, das Land Nieder¬
österreich und die Bundesministerien für
Unterricht und Kunst und für Wissenschaft
und Forschung.

Redaktion: Siglinde Bolbecher, Konstan¬
tin Kaiser, A-1020 Wien, En¬
gerthstr.204/14, Tel. (0222) 24 40 935, Fax
21 81 533.

Jahresabonnement 1994: 6S 80,- (Oster¬
reich), 6S 100,- (Ausland). Einzahlung auf
das Konto der Theodor Kramer Gesell¬
schaft: Bank Austria Nr. 671 074 805.

raum nur als bekannt, was die Frankfurter
Allgemeine zu publizieren fiir rechtens halt,
in wie immer eingefärbeter Weise?

Weder gilt es hier, über 50 Jahre tätiger
Existenz dieses PEN zu referieren, noch ist
es darum zu tun, Andrea Reiter eines
„sweeping statement“ zu zeihen. Vielleicht
war die erwähnte Veranstaltung in Wien
auch nicht glücklich mit Referenten be¬
stückt, die zur Exil-Situation mehr als
Selbstbezogenes hätten sagen können. Die
Gruppe, an die ich 1990 meine Funktion
zurückgab, hätte sich meiner nicht allein¬
stehenden Meinung nach spätestens seit der
deutschen Neueinigung auflösen können,
da die politischen Grundlage für ihr Weiter¬
bestehen durch die neuen Tatsachen aufge¬
löst wurde. (Ich trat damals dem deutschen
PEN bei, bis auf weiteres dem Zentrum Ost,
weil ich dort mehr Antifaschisten kenne
und Club-Mitgliedschaft ist eine Sache der
menschlichen Freundschaft.)

Der Weiterbestand des Zentrums wirkt, wie
wohl auch die reportierten Äußerungen von
Henryk M. Broder, etwas weit hergeholt.
Daher die Unzufriedenheit mit den Antwor¬
ten, oder deren Fehlen, auf die entsprechen¬
de Frage. Wenn es schon keine erkennbaren
politischen Begründungen für die Fortfüh¬
rung der speziellen Gruppe gibt, müßte sich
zumindest deren Präsidium um die Formu¬
lierung stichhaltiger ethischer Begründun¬
gen verdient machen. Aber, wie schon Tyll
Ulenspiegel sagte, ,, wer das Bier liebt, kann
dem Braumeister nich gram sein“.

Wie jedes PEN-Zentrum hat auch dieses zu
kratzen: Der Katalog neu aufgenommener
Mitglieder meist „reichsdeutscher“ Her¬
kunft scheint anzudeuten, daß sie besonders
wegen des an den Internationalen PEN
London abzuführenden Beitrages hinzuge¬
wählt wurden. Dagegen hat der Internatio¬
nale PEN nichts, denn er hat nichts anderes.
Die „biologische Lösung“ bezieht also die
finanzielle Problematik mit ein, die leicht
wieder in eine politische umschlägt. Die

Trennung der Autoren in Habende und Ha¬
benichtse wird damit dem zukünftigen PEN
den Stempel aufdrücken, vom rebellischen
Verteidiger demokratischen Rechts zum
quasi langweilenden Elite-Verein zu wer¬
den. Und dann: Servus!

Arno Reinfrank, London, 20.10. 1994

Erschüttert hat mich, daß Erwin Ringel ge¬
storben ist. Für seine menschenverbinden¬
de und weltoffene Haltung spricht ein Brief,
den er mir, der ihm persönlich ganz Unbe¬
kannten, am 15. Juni 1993 aus Wien
schrieb. Die Verbindung hatte Adi
Wimmer hergestellt, zu dessen Buch „Die
Heimat wurde ihnen fremd, die Fremde
nicht zur Heimat“ (Wien 1993) Erwin Rin¬
gel das Vorwort geschrieben hatte. In dem
Buch ist auch ein Text von mir abgedruckt,
der auf einem von Adi Wimmer mit mir
geführten Interview beruht. Erwin Ringel
schrieb mir:
“ Seit einiger Zeit besitze ich Ihre wunder¬
baren Gedichte und habe mir auch erlaubt,
eines in meinem letzten Buch zu zitieren.
Sie können sich vielleicht meine Begeiste¬
rung vorstellen, als ich sah, daß Sie auch in
dem Buch von Wimmer zu Wort kom¬
men.“
Man wird verstehen, daß mir diese Worte
wohltaten. Der Sendung lag sein Buch
„Das Alter wagen“ , in dem er mich zitiert,
mit persönlicher Widmung bei. Ringel
schloß seinen Brief mit den Worten:
„Ich hoffe, Sie spüren, daß ich mich mit
Ihrem Schicksal tief verbunden weiß. Seit
langer Zeit bemühe ich mich um eine Ver¬
ständigung zwischen Christentum und Juden¬
tum und ich würde mich sehr freuen, wenn
dieser Kontakt, den ich hiemit zu eröffnen mir
erlaube, nicht abreißen würde.“
Nun ist dieser Kontakt leider durch seinen
Tod abgerissen. Ich trauere um Erwin Rin¬
gel. Nicht nur für mich ist es ein großer
Verlust.

Stella Rotenberg, Leeds, September 1994

Erscheinungsort Wien Verlagspostamt 1210 Wien

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