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Editorial

Leider müssen wir den Preis fürs Abonnement der MdZ ab 1998 neuerlich
erhöhen (6S 180,- im Inland, 210,- außerhalb Österreichs; Einzelheft 60,-).

zunehmende Qualität und Quantität derBeitrage, die wir erhalten, erforderten in
den letzten Jahren eine kontinuierliche Vermehrung des Seitenumfangs — an und
für sich eine erfreuliche Entwicklung, die uns aber vor große Probleme bei der
Redigierung stellt. Schuld sind auch die Entgelterhöhungen der Post (nicht mehr
Gebühren, wie einst in gemeinwirtschaftlichen Zeiten, sondern „Entgelte“),
zusätzliche steuerliche Belastungen (so die Mehrwertsteuer auf Honorare für
literarische Texte) und höhere Kosten im Bereich der technischen Herstellung.
Die finanzielle Situation bleibt trotz der neuen Abonnementpreise angespannt,
und wir umarmen jede Leserin, jeden Leser im voraus, der neue Abonnenten
(derzeit 1.150 bei einer Auflage von 1.500) für uns wirbt. Das beiliegende
Werbeblatt der Theodor Kramer Gesellschaft läßt sich auch zum Bestellen
eines neuen Abonnements verwenden. Wir würden auch Inserate bringen, wenn
wir welche erhielten. Uns selber darum zu kümmern, schaffen wir nicht.

Das Heft, das Sie in Händen haben, „Porträts II“, schließt an Nr.3/1997
an; leider trat an die Stelle der Würdigung eines Lebenswerkes bei mehreren
Porträts die Anzeige eines Verlustes — allzu viele sind 1997, einem Jahr, das
in politischer Hinsicht wenig Ermutigung bot, gestorben. In der Mitte des
Heftes findet sich ein , ,russischer Block“ — eingedenk des Beginns der groBen
stalinistischen ,,Séuberung“ 1937.

Fiir 1998 sind einige Schwerpunktnummern geplant. ,,Exilland Mexiko“
(zusammengestellt von Marcus G. Patka; mit Beiträgen von Hector Orestes
Aguillar, Friedrich Katz, Wolfgang Kiessling, Christian Kloyber, Wolfgang
Neugebauer, Lenka Reinerovä, Bruno Schwebel, Gloria Sultano u.a.) wird
zum 13. März 1998 erscheinen — bekanntlich hat Mexiko als einziges Land
auf der Welt die Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland nicht aner¬
kannt. Mit dem Schwerpunkt „‚Exilland Österreich“ wollen wir daran erin¬
nern, daß Österreich in den Jahren 1933-38 ein wichtiger Zufluchtsort, ganz
besonders für Kulturschaffende, war, und zugleich die Entwicklung der Exil¬
und Asylpolitik Österreichs kritisch betrachten. Ein Land, das sich der Taten
und Leistungen der aus ihm Exilierten rühmt, muß sich die Frage gefallen
lassen, welche Chancen es selbst Flüchtlingen aus anderen Ländern bietet.
Für diese und zwei weitere geplante Schwerpunktnummern, „Exil in Shang¬
hai und China“ und ‚„Exilliteratur im internationalen Vergleich“ (Arbeitsti¬
tel), suchen wir noch Beiträge.

„Exilliteratur im internationalen Vergleich“ ist wohl das schwierigste
Vorhaben. Es geht im Grunde darum, daß die deutsche und die österreichische
Exilliteratur in ihrer Epoche nicht die einzigen Exilliteraturen waren: Es gab
bedeutende spanische, französische, tschechiche, polnische u.a. Exilliteratu¬
ren. Diese Gleichzeitigkeit und Internationalität des Exils wurde früher oft
unter ‘proletarisch-internationalistischen’ Vorzeichen politisch vereinnahmt
und ideologisch verklammert. Wenn wir auch eine Wiederherstellung einer
solchen Sicht auf die Dinge nicht wünschen, scheint uns die Ausblendung
dieser Dinge dennoch nicht die Lösung des Problems. Die Theodor Kramer
Gesellschaft bereitet für 1999 ein Symposium zum Thema vor - die MdZ
möchte die Diskussion schon jetzt eröffnen.

Siglinde Bolbecher/Konstantin Kaiser

Die Linolschnitte auf den Seiten 33, 37, 39, 41,43 und 45 stammen von Schülern
der ersten, zweiten und dritten Klassen des Realgymnasiums in Imst (Tirol) und
beziehen sich auf das ihnen von Willi Pechtl vorgelegte Theodor Kramer-Gedicht
„ Vom Stockfisch“ (Gesammelte Gedichte 2, S. 326; entstanden am 17.11. 1955):
Der Stockfisch lebt in seinen Meereslaugen, / ist stumm und hat zwei wässrig¬
große Augen, / er kommt zumeist gesotten auf den Tisch / und schmeckt nach
nichts: er ist ein trister Fisch. // Der Stockfisch hat zwei Hände, kalt wie Flossen,
/ er hält, wenn er nicht raucht, sein Maul geschlossen; / er sitzt mit dir im Bus,
am gleichen Tisch, / und redet nichts: er ist ein trister Fisch.

INHALT

Erich Hackl: Verlustanzeige S.3

Renate Göllner: ‚‚Weder auf Freud noch auf Marx
verzichten. “ Zum zehnten Todestag der Psychoanaly¬
tikerin Marie Langer S.6

Werner Hortner: Auch das Heimweh hat seine Ge¬
schichte. Ein Porträt des Juristen, Schauspielers,
Theaterleiters und Autors Fritz Kalmar S.10
Susanne Wedekind. ,,... schreibend die Realität zu
ertragen“. Uber Jurek Becker. S.13

Andrea Reiter: Ruth Beckermann und die jiidische
Nachkriegsgeneration in Österreich S.19

Interview mit Ruth Beckermann S.19

Henriette Kotlan-Werner: Jiddisch - eine Gefängnis¬
erinnerung aus der Dollfußzeit 5.25

Pauline Newmark: ,, The Poetry of Theodor Kramer“
in Guildford S.28

Alla Seljanowa: Das Teufelskarussell. Erzéhlung. .
5.30

Bruno Jassenskij: Die Nase. Erzählung. $.35
Vladimir Vertlib: Nachspiel zum Holocaust. Juden¬
verfolgungen in der Sowjetunion 5.46

Berichte, Notizen: Die Kulturtat des Jahres 1997 (K.
Kaiser, 8.7), Neues von Alice Mavrogordato (S. Bol¬
becher, 5.8), Käthe Ephraim Marcus 1892 - 1970 (H.
Blitzer, S.12), Henriette Kotlan-Werner — Der Weg
einer Sozialistin (I. Kuhner, S.26), Zu Richard Dindos
Dokumentarfilm ,,Griiningers Fall“ (P. Parin, 52),
Der Mut zum klaren Wort — Uber Jean Ziegler (V.
Vertlib, $.53)

Gedichte von H.M. Höfinger (S.6), Fritz Kalmar
(5.10)

Rezensionen über Bücher von Leopold Spira (S. Bol¬
becher, 5.3), Stella Rotenberg (M. Chobot, S.16), Barry
McLoughlin u.a. (G. Scheit, S.50), Erwin
Chvojka/Konstantin Kaiser (5. Wiesinger-Stock, 5.55),
Horst Jarka/Jimmy Berg (G. Scheit, $.56), Abraham
Mosche Fuchs (E. Kolovic, 5.57), Karl-Markus Gauß
(M. Hasenauer, 5.57), Ernst Pichler (M.G. Hall, 5.58),
Hans Jörgen Gerlach (U. Prutsch, 5.59).
Buchzugänge S.59, Brief S.60, Veranstaltungen
5.60, Impressum S.60

Titelbild: Hermi Friedmann: Ohne Titel. Kolumbien,
1950er Jahre.

Werke von Hermi Friedmann sind in einer beeindruk¬
kenden Ausstellung über insgesamt 53 aus Österreich
vertriebene Fotografen und Fotografinnen in der
Kunsthalle Wien im Museumsquartier (bis 15. März
1998) zu sehen. In dieser ersten Zusammenschau der
Exil-Fotografie finden sich Werke von berühmten
sowie von vergessenen FotografInnen wie Trude
Fleischmann, Walter Curtin, Madame d’Ora, Raoul
Hausmann, Lisl Steiner, Wolf Suschitzky... Ihre zum
größten Teil unveröffentlichten Werke zeigen uns mit
interessiertem Blick eine weite Welt.

Zur Ausstellung gibt es einen von Anna Auer zusam¬
mengestellten Katalog (deutsch/englisch) mit Biogra¬
fien und 70 Abbildungen: Übersee. Flucht und Emi¬
gration österreichischer Fotografen 1920 -1940.