Robert Kahn - ein Blatt der
Erinnerung
Am 22, April 1998 wäre Robert Kahn 75 Jahre
alt geworden. Aus diesem Grund sei mit ein
paar Sätzen an sein Lebensschicksal erinnert
und an seine wenig bekannte Lyrik, mit der er
Nümberg, die Stadt der Reichsparteitage und
der „Nümberger Gesetze“ fest in die Motivge¬
schichte der deutschen Holocaust-Literatur in¬
tegriert hat. Kahn wurde in Nümberg geboren;
er besuchte dort eine private hebräische Schule
bis zum Umzug der Familie nach Leipzig. 1936
wurde sein Vater ins KZ Buchenwald abtrans¬
portiert; er starb wenige Monate nach seiner
Entlassung. Noch vor dem Krieg wurde die
1921 geborene Tochter Suse nach New York
geschickt, der 16jährige Robert nach England,
wo er eine Privatschule besuchte und in einer
Gerberei arbeitete, bis er 1940 mit anderen
Deutschen zusammen nach Kanada verschifft
wurde. Ein kanadisches Ehepaar nahm sich sei¬
ner an und ermöglichte ihm nach dem Krieg das
Studium in Halifax bis zum Baccalaureat. Das
kanadische Ehepaar war ohne Erben und wollte
ihn in sein Konfektionsgeschäft aufnehmen.
Robert Kahn zog es aber vor, Germanistik zu
studieren und in Toronto bei Boeschenstein zu
promovieren.
Bereits 1948, noch unpromoviert, begann er als
Instructor in Seattle zu unterrichten. 1962 er¬
hielt er ein Angebot der Rice University, als
Associate Professor nach Houston/Texas zu
kommen, wo er rasch zum Full Professor und
zum Leiter der germanistischen Abteilung
avancierte.
In der zweiten Hälfte der 60er Jahre erreichten
die akademischen Unruhen, die von Berkeley
ausgegangen waren, auch die texanische Rice
University. Es ergaben sich schwere Konflikte
sowohl im Department, als auch in und mit der
Universitätsverwaltung. Robert Kahn versagte
es sich, ihnen auszuweichen und einem Ruf an
die University of Florida in Gainesville zu fol¬
gen. Was damals an alltäglichen Konfrontatio¬
nen und Enttäuschungen auf ihn zukam, ertrug
er nicht. Am 22. März 1970 setzte er seinem
Leben ein Ende.
Seine Witwe Lisa Kahn wurde nun selber Ger¬
manistik-Professor (an der Texas Southern
University in Houston, an der vorwiegend
schwarze Studenten eingeschrieben sind); sie
sicherte die Zukunft ihrer Kinder, heiratete wie¬
der und veröffentlichte eigene Gedichtbände
(auf Deutsch und Englisch) in England und in
den USA. 1978 gelang es ihr, Robert Kahns
Gedichtband ,,Tonlose Lieder“ bei J.G.
Blaschke in Darmstadt herauszubringen, mit
Zeichnungen ihres Sohnes Peter, der auch Ge¬
dichtbände von ihr selbst illustriert hat. Ein
Teilnachdruck erschien 1986 in einer Heftreihe
der Universität-Gesamthochschule Siegen.
Beide Publikationen erreichten keine Leser
außerhalb der Germanistik. Innerhalb der Ger¬
manistik wurden sie zum Anstoß für eine Dis¬
sertation von Klaus Beckschulte („Ich hasse die
Sprache, die ich liebe": Das Leben und Werk
von Robert Ludwig Kahn, München 1996).
Zu Marcus Patkas Editorial (Mdz Nr.1/1998, S.
2):
Mit großem Interesse las ich Ihren Beitrag
über Mexiko und seinen historischen Protest
anläßlich des „Anschlusses“ Österreichs
1938. Zu meiner Verwunderung stellen Sie
jedoch fest, daß Mexiko mit seinem Protest das
„einzige Land“ war, das im Zeichen der Inter¬
nationalen Solidarität seine Stimme für Öster¬
reich erhob. Nun ist mir bereits aus KASA¬
MAS, Österreichische Kronik, bekannt, daß
neben Mexiko auch China, Chile, Spanien und
die Sowjetunion gegen die Auslöschung
Österreichs und den Anschluß des Landes an
das Deutsche Reich offiziellen Protest einleg¬
ten. Ich bitte Sie daher um diese Ergänzung,
sollten aber neuere Forschungsergebnisse zu
einem anderen Resultat gekommen sein, wer¬
de ich dies gern zur Kenntnis nehmen.
Dr. Feliks Bister,
Vize-Präsident der Österreichischen Liga
‚für Menschenrechte, Wien, 17. März 1998
Es verhält sich in der Tat so: Mexiko war das
einzige Land, das, wie im Editorial gesagt
wird, „in schriftlicher Form“ beim Völker¬
bund gegen gegen die militärische Annexion
Österreichs durch Hitlerdeutschland prote¬
stierte und sich damit auch außenpolitisch ex¬
ponierte. Das schließt nicht aus, daß andere
Mitgliedsländer des Völkerbunds die mexika¬
nischen Bedenken teilten. Christian Kloyber,
der sich schon wiederholt ausführlich mit die¬
ser Frage auseinandergesetzt hat, spricht in
diesem Zusammenhang von einer „zaghaften
Unterstützung“ des mexikanischen Protests
(vgl. seinen Artikel, $S. 12-20 des „Exil in Me¬
xiko"-Heftes).
... ich habe gestern die Hefte der Zeitschrift
„Exil in Mexico“ bekommen und möchte Ih¬
nen noch vielmals für die Übermittlung dan¬
ken. Für mich ist das Lesen dieser Artikel sehr
interessant und eine Bereicherung des Wissens
über das Leben meiner Mutter.
Dr. Hans Frischauf,
Wien, 20. März 1998
Die Lektüre von MdZ ist jedesmal ein großes,
lehrreiches Vergnügen! Meinen Respekt für
die sorgfältige redaktionelle Arbeit! Zu MdZ
Nr.1/1998 „Exil in Mexiko“ habe ich eine
Anmerkung, den Artikel über Paul Mayer be¬
treffend. In einer Anmerkung heißt es dort,
von Mayers Werken sei derzeit nur noch ein
Gedichtband im Buchhandel erhältlich. Lie¬
ferbar ist aber auch die Monographie über
Ernst Rowohlt, die Mayer 1968 veröffentlich¬
te - als Band 139 der Reihe ‚‚Rowohlts Mono¬
graphien“.
Uwe Naumann,
Hamburg, 23. März 1998
Was die ‚‚sorgfältige redaktionelle Arbeit“ be¬
trifft, nehmen wir dieses Lob für den Gehalt
der Sache an, nicht für die äußere Form. Wir
haben uns für zahlreiche Druckfehler in MdZ
Nr.1/1998 zu entschuldigen. Die Hauptursache,
neben mangelhaften Spanischkenntnissen (Set¬
zung der Akzente), war der große Textumfang —
das Heft hätte, als Buch gedruckt, mehr als 300
Seiten gehabt.
Zu MdZ Nr. 14/1998 (Einladung zur Gedenkveran¬
staltung für Hedwig Katscher am 2.4. 1998 in
Wien):
Wie die Lyrik Theodor Kramers war auch die
von Hedwig Katscher nicht der „Lyrik der Asso¬
ziationen“ zuzuordnen, die ihrer großen Bedeu¬
tung zum Trotz mit Unrecht heute als einzige
Geltung zu haben scheint, Katscher war eine
großartige Sprachkünstlerin. [...]
Hedwig Katscher war die Frau meines besten
Freundes, Dr. Ernst Katscher, des Leiters der For¬
schung der Firma Loba Chemie, Er war auch mein
chemischer Mentor, Die beiden waren ein wunder¬
bares Paar. Sie war eine zarte, ungemein sensible
Frau, mit starken Vorlieben und Abneigungen, die
mit immer angespannter Wachheit alle Ereignisse
unserer schlechten Welt verfolgte, tief geprägt vom
Holocaust und der Sorge um Israel.
Dr. Paul Löw-Beer,
Wien, 28. März 1998
Zu Doron Rabinovicis ,, Anmerkungen eines ein¬
gesprungenen Lesers“ in MaZ Nr.1/1998, S.3f.):
Ich bin sehr beeindruckt von dem Artikel von
Doron Rabinovici ... Fiir mich persönlich erfüllt
MdZ eine moralische Aufgabe, die nicht genug
geschätzt werden kann. Die Erinnerung an die
Menschen, die während des Naziregimes ins Exil
oder den Widerstand gingen, ist eine Mahnung,
daß sich das Böse und das Unrecht nie wiederho¬
len dürfen. Jenny Aloni, die mit Lola Landau die
bedeutendste deutschschreibende Schriftstelle¬
rin Israels war, sagte: „Man müßte einer späteren
Generation Bericht geben.“ Gegen die Gleich¬
gültigkeit, die gefährliche Gleichgültigkeit
schrieb Jenny Aloni die Skizze „Im Restaurant":
„Nach Auschwitz kann man kein Gedicht mehr
schreiben“, sagte er in einem Ton, der keine
Widerrede duldete, trank von dem roten Wein
und streichelte den Arm der Frau, die neben ihm
in dem mit rotem Samt bespannten Sessel lehnte.
„Es ist alles längst vergessen“, sagte er in einem
Ton, der keine Widerrede duldete, trank von dem
gelben Wein und streichelte den Arm der Frau,
die neben ihm in dem mit gelber Haut bespannten
Sessel lehnte.
Ich saß am Tisch zwischen ihren Tischen, schrieb
ein Gedicht und konnte nicht vergessen.
Musik, Malerei und Tanz sind internationale Kün¬
ste, die sich in der ganzen Welt durchsetzen können.
Das Instrument des Schriftstellers ist die Sprache,
die er zusammen mit der Leserschaft mit dem er¬
zwungenen Exil verliert. MdZ ist das Gedächtnis
für sie - wie es Theodor Kramer sagt: „Und was
spricht aus mir / steht für die, die ohne Stimme sind.
/ [...] Eine kurze Zeit / hört ihr großes Leid / und
vielleicht ein wenig auch Gesang,“
Hanna Blitzer,
Tel Aviv, 30. März 1998