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Erwin Chvojka Gedichte Für Fritz Brainin („Das siebte Wien“) Siebenmal getrennt, bist du doch geblieben! Zeit und Ferne hatten keine Macht. Ausgesetzt den Sturzfluten fremdester Laute, hast du die Sprache treu bewahrt. Wie du sie an dich preßt, nimmt sie dir den Atem. Aber du hältst sie, gerettetes Gut! 15.12. 1988 Für Yaffa Zins Die Rose, die du einst gesetzt hast in das Herz des Mädchens, siehe, sie trieb aus und wurde ein Strauch, der zweiunddreißig Blüten trägt. Über jeder leuchtete das Lächeln eines Kindes. Nie verlöschend strahlt es, wärmt und löst. Und langsam lösen sich auch die Dornen in deinem Herzen. 25.12. 1988 — als Yaffa Zins in der von mir geleiteten Schule vor Schülerinnen und Schülern auf hebräisch ihr Gedicht ‚, Die weiße Rose“ vortrug, das Fritz Brainin übersetzte, ließ ich ihr von jedem Zuhörer, jeder Zuhörerin eine weiße Rose überreichen. Theodor Kramer und Erich Fried Theodor Kramer und Erich Fried, an einem Punkte berühren sich die Parabeln ihres Lebens. Der Wille zur Wirklichkeit und die Suche nach Wahrheit banden sie für einen geraumen Augenblick aneinander. Und das Viele, das Allzuviele. Und Kramer schrieb und schrieb und schrieb... „so wie man sich besäuft"! Doch Fried spie wie einer, der sich besoffen hat, die Wahrheit in endlosen Strähnen. 24.3. 1989 18 Der Judenzug Am Schwedenplatz die Uhr zeigt zwei, da gehts in rascher Fahrt vorbei. In den wirbelnden Staub der Straße gehüllt zwei graue Wagen mit Menschen gefüllt. Auf Kisten und Ballen zusammengepreßt ein Judenzug die Stadt verläßt. Sie sitzen und liegen, gedrückt und verzagt, zerbrochne Gestalten vom Schicksal gejagt. Ein Junge nur aufrecht im Wagen steht und trotzig sein Haar im Winde weht. Die Alten hocken mit stumpfem Sinn und starrn in die Ferne: wohin — wohin? Entstanden 1942. — Entnommen dem Gedichtband ‚Die Welt will ich behalten. Gedichte aus vierzig Jahren“, Wien 1984. Dazu bedarf es noch des Kommentars: daß das Gedicht unmittelbar in Reaktion aufdas Gesehene entstanden ist, eines der ganz wenigen Dokumente eines Augenzeugen. Sonst nämlich hat man mit dem C.F. Meyers „Huttens letzte Tage“ gemahnenden Ton des Gedichts einige Schwierigkeiten und auch mit dem „Schicksal“, das auf die Jagd gegangen scheint. DerVerfasser war damals 18 Jahre alt. Die Lebenszeit meiner Mutter (1891 — 1980) Meiner Mutter Leben, kurz, kein Jahrhundert während und doch Äonen umfassend. Geboren, als der Mensch an der Erde klebte, unfähig, sich über sie zu erheben. Gestorben, als er imstande war, sie als Stern aus dem All zu betrachten. Zweimal den Strom aus Blut durchwatend und fast verschlungen von ihm. Sie und ihre Gefährten, was für ein Geschlecht! Weit war die Welt und endlos die Zeit, als sie kamen, dem drohenden Verderben stündlich ausgesetzt, als sie gingen. In einem Leben alles verbraucht. 1983. — Entnommen dem Gedichtband ‚Die Welt will ich behalten“. Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser und Karl Müller gratulierten Erwin Chvojka namens der Theodor Kramer Gesellschaft zu seinem 75. Geburtstag am 16. Februar 1999 u.a. mit den Worten: Es ist in neumodischen Zeiten nicht gerade üblich, Dank zu sagen. Aber darin sind wir mit Überzeugung altmodisch geblieben. Ohne Erwin Chvojka keine Kramer-Gesellschaft und keine 15 Jahre Arbeit für Kramer und die Kultur des Exils! Wir schätzen und ehren Ihre Verdienste um Theodor Kramer und bedanken uns für alles, was Sie nicht nur als erster Vorsitzender, sondern auch in all den anderen Jahren für Ihre und unsere Gesellschaft gedacht und getan haben.