Siebenmal getrennt,
bist du doch geblieben!
Zeit und Ferne hatten keine Macht.
Ausgesetzt den Sturzfluten
fremdester Laute,
hast du die Sprache treu bewahrt.
Wie du sie an dich preßt,
nimmt sie dir den Atem.
Aber du hältst sie, gerettetes Gut!
Die Rose, die du einst gesetzt hast
in das Herz des Mädchens,
siehe, sie trieb aus
und wurde ein Strauch,
der zweiunddreißig Blüten trägt.
Über jeder leuchtete das Lächeln eines Kindes.
Nie verlöschend strahlt es, wärmt und löst.
Und langsam lösen sich auch
die Dornen in deinem Herzen.
25.12. 1988 — als Yaffa Zins in der von mir geleiteten Schule
vor Schülerinnen und Schülern auf hebräisch ihr Gedicht ‚, Die
weiße Rose“ vortrug, das Fritz Brainin übersetzte, ließ ich ihr
von jedem Zuhörer, jeder Zuhörerin eine weiße Rose überrei¬
chen.
Theodor Kramer und Erich Fried
Theodor Kramer und Erich Fried,
an einem Punkte berühren sich
die Parabeln ihres Lebens.
Der Wille zur Wirklichkeit
und die Suche nach Wahrheit
banden sie für einen geraumen Augenblick
aneinander.
Und das Viele, das Allzuviele.
Und Kramer schrieb und schrieb und schrieb...
„so wie man sich besäuft"!
Doch Fried
spie
wie einer, der sich besoffen hat,
die Wahrheit
in endlosen Strähnen.
24.3. 1989
Am Schwedenplatz die Uhr zeigt zwei,
da gehts in rascher Fahrt vorbei.
In den wirbelnden Staub der Straße gehüllt
zwei graue Wagen mit Menschen gefüllt.
Auf Kisten und Ballen zusammengepreßt
ein Judenzug die Stadt verläßt.
Sie sitzen und liegen, gedrückt und verzagt,
zerbrochne Gestalten vom Schicksal gejagt.
Ein Junge nur aufrecht im Wagen steht
und trotzig sein Haar im Winde weht.
Die Alten hocken mit stumpfem Sinn
und starrn in die Ferne: wohin — wohin?
Entstanden 1942. — Entnommen dem Gedichtband ‚Die Welt will
ich behalten. Gedichte aus vierzig Jahren“, Wien 1984. Dazu bedarf
es noch des Kommentars: daß das Gedicht unmittelbar in Reaktion
aufdas Gesehene entstanden ist, eines der ganz wenigen Dokumente
eines Augenzeugen. Sonst nämlich hat man mit dem C.F. Meyers
„Huttens letzte Tage“ gemahnenden Ton des Gedichts einige
Schwierigkeiten und auch mit dem „Schicksal“, das auf die Jagd
gegangen scheint. DerVerfasser war damals 18 Jahre alt.
Die Lebenszeit meiner Mutter (1891 — 1980)
Meiner Mutter Leben,
kurz,
kein Jahrhundert während
und doch Äonen umfassend.
Geboren,
als der Mensch an der Erde klebte,
unfähig, sich über sie zu erheben.
Gestorben,
als er imstande war,
sie als Stern aus dem All zu betrachten.
Zweimal den Strom aus Blut durchwatend
und fast verschlungen von ihm.
Sie und ihre Gefährten,
was für ein Geschlecht!
Weit war die Welt und endlos die Zeit,
als sie kamen,
dem drohenden Verderben stündlich ausgesetzt,
als sie gingen.
In einem Leben alles verbraucht.
1983. — Entnommen dem Gedichtband ‚Die Welt will ich behalten“.
Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser und Karl Müller gratulierten
Erwin Chvojka namens der Theodor Kramer Gesellschaft zu seinem
75. Geburtstag am 16. Februar 1999 u.a. mit den Worten:
Es ist in neumodischen Zeiten nicht gerade üblich, Dank zu
sagen. Aber darin sind wir mit Überzeugung altmodisch geblie¬
ben. Ohne Erwin Chvojka keine Kramer-Gesellschaft und keine
15 Jahre Arbeit für Kramer und die Kultur des Exils! Wir schät¬
zen und ehren Ihre Verdienste um Theodor Kramer und bedanken
uns für alles, was Sie nicht nur als erster Vorsitzender, sondern
auch in all den anderen Jahren für Ihre und unsere Gesellschaft
gedacht und getan haben.