OCR
te sich der Student dichterisch noch im Englischen und schrieb (zur Empörung seines Professors) ein kleines Theaterstück und eine Satire auf den akademischen Betrieb mit dem Titel ‚‚Balai’s Revelation“. Abgesehen von englischen Einsprengseln oder vereinzelten sprachspielerischen Gedichten blieb Hellers dichtungssprachliche ‚‚Fastheimat‘ jedoch in der Folge das Deutsche Wiener Provenienz. 1995 freilich legte er mit ‚In Transit“ einen Sammelband aus ‚‚Prose and Verse in German and English“ (wie der Untertitel lautet) vor. Ganz anders als in der Dichtung bediente er sich in der Literaturwissenschaft von Beginn an des Englischen. Bereits der erste literarhistorische Beitrag überhaupt, 1947 erschienen, ist auf Englisch verfaßt (,,Some Functions of the Leitmotiv in Mann’s Joseph Tetralogy” ”), ebenso die Dissertation ,, The Writer’s Image of the Writer“ (1951). Aus den Themenkreisen Akademia, Literatur, Geschichte, Judentum, Verfolgung und Emigration, Politik und Sprache und den bevorzugten Ausdrucksformen Fabel, Parabel und Groteske wird ein Dichtungsverständnis ersichtlich, welches mit ebenso arrogantem wie realitätsblindem Ästhetentum oder gar mit Anspruch und Nimbus angemaßter Avantgarde nichts am Hut hat. Statt ästhetischer Normen und Ambitionen schwebte Heller eine „Anti-Poetik“ des wahrhaftigen, kritischen Bezugs zur Welt vor: Lüg nicht, die Frage genüge, tickend im Leidens-Ei: Brich die Schale entzwei. Spei aus die ängstliche Wurzel wahllosen Rühmens. Erwache zum Gegenstand: Lobe was standhält; stell dich der Stille, die alles besteht.?! Aus dieser Stille heraus erteilte Heller den Zwängen und Ränken der Politik und dem ebenso blasierten wie selbstverlorenen Akademismus der Gegenwart seine dichterische Absage. In dieser Stille bedrängten ihn auch die existentiellen Fragen nach dem eigenen Ich, nach Zeit, Erinnerung, Gemeinschaft und Alter (‚Wer über vierzig ist”, „Melancholica” 3 „‚Altern”?*) _ Denn die Zeit, der wir nicht gehören, ist uns nur ein Spielplatz, der uns gehört. Auf dem Spielplatz der Zeit wird auch jede Gemeinschaft nur zu einer Frage der Zeit: ,, Abschied ist alles“ , läßt der Autor Marcel aus der gleichnamigen Erzählung notieren, „und wer es nur wüßte, empfände auch in den Augen der Liebsten, wenn sie die deinen berühren, den Abschied, den selbst die Treue nicht überwindet“.?6 „Abschied ist alles“ stand schon in den „Aspekten der Satire“ zu lesen?’ — denn auch bei der Verdichtung existentieller Fragen führte Heller nicht selten die scharfe Klinge der Satire, um deren Bedrohungen Herr zu werden: Altern Herbstmorgen tagt: Im bleichen Garten schreien die Fasane. Freu dich: Bald fallen dir die Zähne aus.’® Daß selbst die Ausbildung und Krise individueller Identität, dieses zur geforderten Norm geratenen und in den Kulturwissenschaften gerade heute wieder vielbeschworenen Maßstabs für gelungenes Leben, nicht der Lächerlichkeit entbehrt, wird lautspielerisch im Gedicht ‚Identity Crisis“ vorgeführt: Egg-oh-zoom coggi-tanz Iam I Ei im Ei im Ei im Ei Meiomei oh mei im Mai ai ai ai im Eima!” Bei allen Vorbehalten gegenüber den Welten, die ihn umgaben, an der Geschichte, die ihm übel mitgespielt hatte, gegenüber sich selber und nicht zuletzt der Wirkmacht der Literatur hörte Peter Heller bis zuletzt nie auf zu schreiben. Warum? ,, Unter uns“, meint der Erzahler im dreiteiligen Prosazyklus ,, Warum man Geschichten erzahit” :! , weder die Geschichtenerzähler noch die Antwortgeber flößen uns Vertrauen ein; aber die Leute, die, wie man so sagt: einfach leben, auch nicht, da sie weder von sich noch von andern, geschweige denn von der Fiktionalität der Antworten wie der Erzählungen wüßten, wenn es diese nicht gäbe.” !0' PETER HELLER andere Theodor Kramer Gesellschaft Peter Hellers letztes Buch — eben im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft erschienen (119 S. OS 180.-) 27