„l love America — but I don’t like it“, sagte Sinclair Lewis
(1885-1951) kurz vor seinem Tod.! In Anlehnung an diese
Feststellung legte Heinrich Eduard Jacob (1889-1967) seine
Beziehung zu Osterreich dar, indem er konstatierte: „Ich liebte
Österreich — aber kann es nicht mehr leiden!“? Das sagte aus¬
gerechnet Jacob, der mit Wien ebenso verbandelt war wie mit
seiner Geburtsstadt Berlin. In Wien verbrachte er — bedingt
durch die Scheidung der Eltern — nicht nur einen großen Teil
seiner Kindheit und Jugend, hier war er von 1927 bis 1933
Chefkorrespondent des „Berliner Tageblatts“ (B.T.) und ver¬
wöhnte die deutschen Leser mit Hymnen über Land und Leute
Österreichs. Da Jacob aber gerade zu dem Zeitpunkt Chefkor¬
respondent des B.T. in Wien wurde, als sich die innenpoliti¬
sche Situation in Österreich immer dramatischer zeigte, nützte
er alle Gelegenheiten, um frühzeitig über die sich zuspitzende
Lage zu informieren. Immer wieder machte er in seinen zahl¬
reichen Berichten und Kommentaren auf die Umtriebe der fa¬
schistischen Heimwehren, der „geistigen“ Haltung des
deutschnationalen Landbundes für Österreich und anderen so¬
genannten Anschlußorganisationen aufmerksam. Innerhalb
des österreichischen Parteienspektrums lagen Jacobs Sympa¬
thien eindeutig bei der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei.
Unmittelbar nachdem Adolf Hitler (1889-1945) am 30. Ja¬
nuar 1933 vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg
(1847-1934) zum Reichskanzler ernannt wurde, verlor Jacob
seine Stelle als Chef des „Mitteleuropäischen Büros“ des B.T.
in Wien.’ Sein Roman „Blut und Zelluloid“* stand umgehend
auf der ersten „Schwarzen Liste“ der Nationalsozialisten auf
dem Gebiet der schönen Literatur und fiel der Bücherverbren¬
nung des 10. Mai 1933 zum Opfer. Fortan lebte Jacob als ,,frei¬
er“ Schriftsteller in Wien. Er mußte nicht, wie es immer wieder
falsch dargestellt wird, 1933 vor den Nazis nach Wien fliehen.
Seinen ersten Exilort hatte er quasi schon mehrere Jahre zuvor
erreicht.”
Jacob entwickelte im österreichischen Exil umgehend Akti¬
vitäten, um gegenüber dem Nationalsozialismus Flagge zu zei¬
gen. Anläßlich des XI. Internationalen PEN-Kongresses in Ra¬
gusa, vom 26. bis 28. Mai 1933, war Jacob einer derjenigen Li¬
teraten, die Seite an Seite mit Paul Frischauer (1898-1977) ge¬
gen die völkischen bzw. nationalen Autoren auftraten und
schließlich eine Spaltung des österreichischen PEN mitbe¬
wirkten. Die österreichischen Schriftsteller sollten in Ragusa
auf Druck des Internationalen PEN Stellung zu den Vorgängen
im Dritten Reich beziehen, nämlich den großen Umwälzun¬
gen, die dort in gesellschaftlichen, vor allem in kulturellen und
politischen Bereichen stattfanden. Die Völkischen, angeführt
von Grete von Urbanitzky (1891-1974) und ihr zur Seite ste¬
hend auch Felix Salten (1869-1947), der erklärte, daß er Jude
wäre und „in Deutschland noch nie danach gefragt worden“
sei, blieben eine Antwort jedoch in peinlicher Weise schuldig.
Im Gegenteil: Urbanitzky und Salten solidarisierten sich mit
der deutschen Delegation, als diese unter Protest den Ver¬
sammlungssaal verließ. Anschließend half Jacob in vorderster
Reihe mit, die im österreichischen PEN-Club mit den Natio¬
nalsozialisten paktierenden Literaten zum Austritt zu bewe¬
gen, was anläßlich einer für den 27. Juni 1933 einberufenen
Generalversammlung auch geschah. In diesem Zusammen¬
hang kam es zu einem Konflikt zwischen Jacob und Stefan
Zweig (1881-1942), der sich der Opposition um Raoul Auern¬
heimer (1876-1948), Ernst Lothar (1890-1974), Rudolf Jere¬
mias Kreutz (1876-1949), Hermann Heinz Ortner (1895¬
1956), Oskar Maurus Fontana (1889-1969), Robert Neumann
(1897-1975), Franz Theodor Csokor (1885-1969) und ande¬
ren nicht anschließen mochte. Diese trafen sich in Jacobs Wie¬
ner Wohnung, im feinen Diplomatenviertel des 3. Bezirks
(Reisnerstraße 61), um eine „Resolution aufzusetzen und