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der Stahlkonstruktionen eines Eiffelturmes oder eines Wiener Riesenrades wirken in ihrer Dunkelheit beängstigend. Durch das schräge Gitterwerk, das den Blick verdeckt, sieht man die Menschen in ihrer Großstadt- Gefangenschaft, ameisengleich, emsig ihren Geschäften nachgehend. 1934 wurde Edith Tudor Hart Mitglied der AIA (Artists International Association), die der sozialistischen Arbeiterbewegung nahestand. Diese solidarisierte sich mit den Arbeitern, die damals einen Gesundheitsdienst eingerichtet hatten und für eine Arbeitslosenentschädigung kämpften. Leider vernichtete Edith Tudor Hart vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges einen Großteil ihrer Negative. Seit ihrem Tode im Jahre 1973 wird der von der Zerstörung übriggebliebene Teil von ihrem Bruder Wolf Suschitzky verwaltet. Relativ spät, nämlich erst 1986, erschien eine Publikation über ihre großartige sozialkritische Arbeit unter dem Titel Das Auge des Gewissens (Dirk Nishen Verlag, Berlin-Kreuzberg). Fast alle Bilder daraus waren nun in der Wiener Ausstellung zu sehen. Armin Eidherr Stefan Zweig in Salzburg und weltweit Eindrücke vom Zweiten Internationalen Stefan-ZweigKongreß 1998 „Unbegreiflich war mir Zweigs Übersiedlung nach Salzburg, wohin er gar nicht gehörte. Er gehörte zu Wien, Paris, zum Inhalt der europäischen Seele und nie in eine Provinzstadt.“ Diese Empfindungen des Bildhauers und Dichters Gustinus Ambrosi lieBen sich recht leicht Stefan Zweigs eigene Worte von Salzburg als „Abstoßpunkt nach Europa“ entgegenhalten — oder der Umstand, daß seine 15 Salzburger Jahre (19191934) gewiß zu seinen erfolgreichsten, produktivsten und vielleicht glücklichsten gehörten. Andererseits wird all dies überschattet von Anfeindungen, denen er mehr und mehr sich ausgesetzt sehen mußte: Drohbriefe, Anpöbelungen und Anfang 1934 — zuletzt ausschlaggebend für die „frühzeitige“ Entscheidung, ins Exil zu gehen die Durchsuchung seines Hauses, des Hauses eines deklarierten Pazifisten, nach verborgenen Waffen. Auch Bücher Zweigs wurden 1938 in Salzburg verbrannt — Anfang einer lange andauernden Verdrängung im konkreten und übertragenen Sinn. Erst fünfzig Jahre nach Zweigs Selbstmord in Brasilien schien der Schriftsteller in Salzburg langsam wieder den ihm zustehenden Platz eingeräumt zu bekommen, als nämlich 1992 dort erstmals ein Internationaler Stefan-Zweig-Kongreß veranstaltet wurde, an dem über 120 Fachleute aus aller Welt teilnahmen. Aber dann wurde es relativ lange wieder ruhig. Die in Salzburg geschaffene Zweig-Wanderausstellung wurde erstmals im Oktober 1995 in Frankfurt im Rahmen des Österreich-Schwerpunktes der Buchmesse gezeigt. Daraufhin ging sie weiter — u. a. nach Brasilien und England. Nachdem sie über 80.000 Besucher im Ausland gesehen hatten, war sie vom 24. September bis 26. Oktober 1998 auch in Salzburg im Museum Carolino Augusteum zu besichtigen. In dieser Zeit fand der vom Kulturamt und der Universität Salzburg organisierte Zweite Internationale Stefan-Zweig-Kongreß statt: Vom 14. bis 16. Oktober trafen sich rund 60 Teilnehmer aus 18 Ländern, um Ergebnisse der wissenschaftlichen Zweig-Forschung zu präsentieren und zu diskutieren. Am Abend des 14. Oktobers gab es gleich zwei parallele Eröffnungsveranstaltungen: Neben der offiziellen im Marmorsaal von Schloß Mirabell, zu welcher der Bürgermeister der Landeshauptstadt, Dr. Josef Dechant, lud, wurde eine andere im Literaturhaus abgehalten — eben weil bei der ersteren der Bürgermeister zugegen war, dessen Auftritt beim wissenschaftlichen Leiter des Kongresses, Univ.-Prof. Dr. Klaus Zelewitz, heftige Kritik hervorrief. U. a. warf dieser jenem dessen Ablehnung der Unterstützung der ‚Wehrmachtausstellung‘ in Salzburg und sein mangelndes Engagement für Stefan Zweig vor. Dieser Konflikt erregte in den lokalen Medien einiges Aufsehen. Bemerkenswert an diesem Eröffnungsabend war aber auch, daß endlich, nachdem zuletzt der Rektor der Salzburger Universität, Univ.- Prof. Dr. Adolf Haslinger, bei der Eröffnung der Ausstellung im Museum Carolino Augusteum den Bürgermeister zu einer eindeutigen Stellungnahme aufgefordert hatte, nun dessen deutliche Zusage kam, „nämlich Stefan Zweig in seiner Heimatstadt eine ständige ‚Bleibe‘ einzurichten“ und so „das Unrecht - soweit das posthum eben möglich ist — abzutragen, das Stefan Zweig 1934 in unserer Stadt angetan wurde und das ihn ins Exil getrieben hat.“ Dazu sollen schon jetzt ,,die Grundlagen für eine ständige Stefan-Zweig-Forschungs- und Gedenkstätte (...) vorbereitet werden“. Sie wird voraussichtlich in zwei Jahren eröffnet werden können: „Wenn die StefanZweig-Ausstellung von ihren weiteren im Ausland geplanten Stationen (u. a. Brüssel, Santiago de Chile, Washington — Holocaust-Museum, Sydney etc.) zurückkehrt, dann soll sie in Salzburg eine dauerhafte Bleibe haben.“ — Und die Forschungsstätte an diese Gedenkstätte angegliedert werden. 67