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Valerij Nikolaevskij Fast wie ein Konsul Aus dem Roman „Der Silberadler“ Vorbemerkung der Übersetzerin: Um was für ein Buch handelt es sich hier überhaupt? Es ist ein historischer Roman, der im antiken Rom spielt. Die Handlung beinhaltet alles, was einen spannenden Roman ausmacht: Liebe, Krieg, Intrigen und natürlich die Übertragbarkeit auf aktuelle Verhältnisse. Die Übertragbarkeit war es auch, die das Buch der russischen Regierung suspekt machte. Der Roman wurde wie alle anderen Werke von Valerie Nikolaevski, die hauptsächlich russische und jüdische Geschichte behandeln, verboten. Um seine Werke veröffentlichen zu können, hätte er sie ändern müssen. Das wollte er auf keinen Fall, lieber ging er ins Gefängnis. Unter Gorbatschow durften sie dann gedruckt werden und das Buch „Der Silberadler“ wurde ein großer Erfolg. Es erschienen fünf Auflagen (300.000 Exemplare), die sich rasend schnell verkauften. Die Handlung bewegt sich um Catilina, in der traditionellen Geschichtsschreibung eine eher zwiespältige Figur. Dieser Catilina kämpft gegen die verbohrten und starren politischen Verhältnisse im antiken Rom. Er führt die Jugend Roms und kämpft gegen den überalterten Senat. Hier hat die damalige Regierung unter Breschnew Parallelen zum eigenen Staat gesehen. Die russischen Machthaber waren aber nicht nur über den aktuellen Bezug seiner Bücher empört, sondern auch darüber, daß Nikolaevski in seinen Werken althergebrachte historische Sichtweisen als unwahr belegte. So zum Beispiel auch in „Der Silberadler“. Hier wird Cicero, den bei uns wohl Jeder kennt, der einmal Lateinunterricht hatte, von seinem Sockel gestoßen und Catilina, der in der traditionellen Geschichtsschreibung eher negativ gesehen wurde, wird zum Volkshelden. Das Buch ist sehr spannend zu lesen, die historischen Tatsachen fließen unmerklich in die Handlung mit ein. Interessant ist es vor allem, wie Nikolaevski die Abläufe der Staatsgeschichte aus der Sicht der kleinen Leute beschreibt. Allerdings hat er nicht, wie sonst im historischen Roman üblich, die Handlung an einer fiktiven Person festgemacht, die sich dann zwischen all den historischen Persönlichkeiten bewegt. Im Silberadler handeln vielmehr die Persönlichkeiten selber. Der Leser bekommt Einblick in die Privatsphäre und in die Gedanken von Cicero, Catilina und anderer zeitgenössischer Personen. Eva Kirchheim Cicero steht in Sandalen und blaß-gelber Tunika zwischen den Säulen des Atrium und macht sich mit dem Diskus warm. Lukrez räkelt sich mit einem Becher Wein in der Hand auf der Cline. Vor ihm auf dem Marmortischchen steht eine Kristallvase mit weißen Rosen, auf zwei kleinen silbernen Tellern liegen zerteilte Granatäpfel. Hinten im Atrium steht der Haruspex und orakelt aus den Innereien einer Täubin, zwei Schritte von Cicero entfernt steht Pompejus in Kriegerrüstung. Ohne abzubrechen sagt Cicero zu Pompejus: „Ein schwieriger Tag... Ich habe schlecht geschlafen.“ Er folgte der jungen Sklavin mit seinem Blick. Lautlos mit federleichter Bewegung bereitet sie sein Festgewand für die Senatsrede vor. Sie hat schmale braune Hände mit langen Fingern und weiches langes Haar, das ihren Hals und die Brust verdeckt. Ihren Körper verhüllt eine weiße, enganliegende Tunika. „Ein schwieriger Tag... Pompejus, Deine Rüstung... Ich will sagen, ich habe dich noch nie in einem anderen Aufzug gesehen...“ „Dem Krieger das Schwert, dem Redner das Wort!“ Pompejus blickte um sich. „Du bist schlecht gelaunt, Marcus Tullius.“ „In dem Aufzug eines Krieger... ich meine an deinem Aufzug ist immer etwas, das mich stört.“ Cicero folgt der Bewegung der jungen Sklavin. „Als ich klein war... Verstehst du, Pompejus, wenn ich den Helm meines Großvaters dem großen Legionär aufgesetzt habe, dann habe ich eine Abneigung gespürt gegen den Ruhm, den man mit Blut erwerben kann.“ Marcus Tullius schwang den Diskus von einer Hand in die andere. „Meine Muskeln wurden schwächer, mir wurde übel vom Geruch des Pferdeschweißes und Menschenblutes. Ich habe mir vorgestellt, wie zu meinen Füßen die Überreste der Besiegten verfaulten, ich fühlte mich schrecklich...“ Die Sklavin bringt die rote Tunika: „Mein Herr...“ Cicero verzieht den Mund: „Ich weiß schon... Es ist Zeit für den Senat! Im Senat...“ „Hör endlich mit dem Diskus auf.“ Lukrez streckt Cicero einen Becher mit Wein entgegen, verschüttet ihn dabei. „Ich bitte dich... Deine Übungen machen mich schwindlig.“ „Hörst du, Pompejus?“ Cicero warf sich den Metalldiskus vor die Füße, es hörte sich an wie ein Schlag. „Lukrez wird schwindlig? Er hat ganz allein eine Amphore sizilianischen Wein geleert... Unser Dichter, sitzt am sonnigen Morgen bei einer brennenden Lampe, die er vergessen hat zu löschen...“ „Zuerst löscht du die Lampe über deinem Kopf und später...“ Lukrez leert geräuschvoll den Becher. „Oh Götter. Schwer... Wie schwer...“ Pompejus folgt Ciceros Blick, erspäht den geschmeidigen Körper der jungen Sklavin. „Hehe... In Lukrez steckt ein großer Schauspieler...“ „Lukrez ist ein Schauspieler mit einem besonderen Talent. Sieh nur, wie er die Schale hält“, lacht Cicero. „Und sein Kinn erst... Er spielt für uns jetzt hinter diesem Tisch die Rolle des großen römischen Dichters.“ „Die Szene spielt in einer kleinen Taverne. Vielleicht ist es eine Sache, die Lukrez beschäftigt?“ Pompejus ärgerte Cicero und reizte Lukrez, aber der erstere ist schon fast Konsul und der andere ist ein lorbeerbekränzter Dichter, der gerade dabei ist, sich in einen Säufer zu verwandeln, eine Zielscheibe für Spötter. Es geht das Gerücht, daß Catilina in seiner Jugend sein ganzes Vermögen für das Theater in den Tavernen ausgegeben hat, aber ich bin der Meinung, daß es unser Lukrez... Lukrez...“ „Vielleicht hast du recht, Pompejus. Heute sehen wir keine Tragödie, die unsere Herzen rühren könnte.“ Marcus Tullius steht zwischen den Säulen des Atrium, hinter ihm hängt die Gipsmaske des Sophokles. „Unser Lukrez würde nicht Tausende zusammenbringen... Er ist ein Schauspieler von Atrium, Cline und Tisch.“ „Besonders letzteres! In dieser Rolle findet man schwer seinesgleichen...“ Pompejus tritt zu der Maske, die an der Wand hängt, klopft mit den Fingern daran. „Wenn ich Lukrez sehe, ist es, als ob ich eine bezaubernde Farce sehe...“ „Hoffentlich versteht unser genialer Freund auch Spaß? Aber mal ganz im Ernst, Pompejus... Hat unser Senat nicht et21