verachtend. Man kann also die Nationalsozialismus- und Fa¬
schismuskritik nicht auf die Jahre zwischen ’38 und ’45 be¬
schränken, und antifaschistische Literatur beschäftigt sich
nicht ausschließlich mit dieser Epoche des NS-Regimes. In ih¬
rem weiteren oder engeren Sinn ist sie vielleicht jetzt aktueller
als in den 1970er Jahren, wo sie noch opportun war.
Auch als gesellschaftlicher Konsens ist die NS-Ideologie in
weiten Schichten meinungsbildend, wie wir es ja alle nicht nur
im Wahlkampf, sondern auch davor und wahrscheinlich da¬
nach erleben. Das wären nur einige Ideen zum Thema enga¬
gierte Literatur, bzw. Literatur, die sich mit sozialen Phänome¬
nen beschäftigt.
Von der Autorin durchgesehene Tonbandabschrift.
Anna Mitgutsch lebt in Linz und Boston. Studium der Angli¬
stik und Germanistik. Lehrbeauftragte an germanistischen In¬
stituten in Großbritannien. Neben literarischen Arbeiten auch
wissenschaftliche Publikationen über englische und deutsche
Literatur. Zahlreiche Auszeichnungen, darunter der Anton
Wildgans-Preis für Literatur der Österreichischen Industrie.
Scharfsinnige Essayistin (so zuletzt über Veza Canetti) und
Verfasserin der Romane:
Die Züchtigung (1985); Das andere Gesicht (1986); Aus¬
grenzung (1989); In fremden Städten (1992); Abschied von Je¬
rusalem (1995).
„Und trotzdem schreiben wir,
immer am Rande des
Verstummens ...“
„Schreiben gegen den Faschismus‘ — gut, aber unter welchen
Voraussetzungen und zu welchem Ende? Ich erinnere an zwei
Zitate, beide aus dem Kontext des Spanischen Bürgerkriegs
gerissen. Das erste stammt von Erich Weinert und beklagt die
gesellschaftliche Isolation des Autors damals, vor über sechzig
Jahren: „Für welches Publikum schreiben wir eigentlich? Zu
wem sprechen wir Deutsche wirklich? Unser Volk kann unse¬
re Stimme nicht erreichen.“ Das ist, sozusagen, das klassische
Dilemma antifaschistischer Literatur. Ihm liegt der Glaube zu¬
grunde, das geschriebene oder gesprochene oder in Bildern ge¬
faßte Wort sei an sich wirkungsmächtig; das Hindernis zu sei¬
ner vollen Entfaltung — daß es also die Leser, Hörer, Seher er¬
greift - liege außerhalb des Kunstwerks selbst, in den politi¬
schen, militärischen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten.
Weinerts Haltung, die ich verzweifelt optimistisch nennen
möchte, hat noch vor einem Vierteljahrhundert die literaturpo¬
litischen Debatten bestimmt. Michael Scharangs proletari¬
scher Entwicklungsroman „Charly Traktor‘ zum Beispiel
wurzelt ebenso in ihr wie seine radiophonen Versuche mit Ar¬
beitern, die nicht immer nur parieren wollten.
» Fin WY Pan eee in
besonders schöner, reiner
Prosa geschrieben.«
Bewundert
und verehrt:
H.G. Adlers
großer Roman
über das
Schicksal
der jüdischen
Familie Lustig.
ae
320 Seiten. Gebunden
DM 39,80 / öS 291,- / sFr 38,30