tokollfälscher gezwungen. Hier zeichnete sich schon die Into¬
leranz und Menschenjagd ab, die bald hereinbrechen sollte.
Zum Schluß will ich ihnen einige der Freunde und Freun¬
dinnen Eichholzers nahe bringen, im Bewußtsein, daß diese
Auswahl nur sehr vorläufig ist.
Anna-Lülja Praun (geborene Simidoff): „Nach der Matura
ging Anna-Lülja Simidoff nach Graz, um Architektur zu stu¬
dieren, also zu Friedrich Zotter und Wunibald Deininger. 1930
bis 1936 arbeitete und lebte sie mit Herbert Eichholzer, dem
einzigen steirischen Architekten, den man einer linken interna¬
tionalen Avantgarde zuzählen kann ...“, sagte Friedrich Ach¬
leitner bei der Eröffnung einer ihrer Ausstellungen.
Die gemeinsamen Arbeiten mit Eichholzer waren unter an¬
derem die Wohnung Erich Kastner in Graz, der Entwurf einer
Raststation auf der Ries im Rahmen des Projektes der Sezession
Graz „Das künstlerische Antlitz der Straße“, der Brid¬
ge-Clubraum im Hotel Erzherzog Johann, Möbel und Einrich¬
tungen. Vor allem Möbel hat sie gemeinsam mit Eichholzer ent¬
worfen, nicht immer stand dabei ihr Name auf den Entwürfen.
Ab 1937 arbeitete sie im Atelier Clemens Holzmeisters in
Wien am Wettbewerb für das Parlament in Ankara und am
Festspielhaus in Salzburg.
Unmittelbar nach der Besetzung Österreichs im März 1938
wurde sie um 3 Uhr früh von der Gestapo verhaftet und um
10 Uhr abends wieder freigelassen, nachdem die Verhöre kei¬
ne „Ergebnisse“ gebracht hatten. Man wollte von ihr den Auf¬
enthaltsort Eichholzers erfahren. Eichholzer war mit Lesko¬
schek zu diesem Zeitpunkt schon in Triest in Sicherheit.
Der Kriegsausbruch bewog Anna-Lülja Praun wieder nach
Bulgarien zurückzugehen. Herbert Eichholzer besuchte sie auf
seiner Rückreise nach Graz im Jahr 1940 in Sofia.
Sie heiratete 1942 den Architekten Richard Praun und zog
deshalb nach Wien. Als sie von der Verhaftung Herbert Eich¬
holzers und der Anklage vor dem Volksgerichtshof erfuhr,
versuchte sie über Beziehungen in Berlin zu erreichen, daß
Eichholzer der Gerichtsbarkeit der Wehrmacht unterstellt wer¬
de, was ihm wahrscheinlich das Leben gerettet hätte. — Ver:
geblich...
Anna-Lülja Praun lebt und arbeitet heute in Wien. 1997
würdigte man ihr Lebenswerk mit einer Ausstellung im Mu¬
seum für angewandte Kunst in Wien.
Auch Axl (von) Leskoschek (vgl. Josef M. Neisteins Aufsatz
„Ein österreichischer Künstler im Exil: Die brasilianischen
Jahre des Axl von Leskoschek 1940-1948" in MdZ Nr. 2/
1996, S. 19-22) hat im Leben Herbert Eichholzers eine wichti¬
ge Rolle gespielt. Er war 14 Jahre älter als Eichholzer und ur¬
spriinglich Jurist. 1914-18 machte er seinen Militärdienst als
Fliegerleutnant und wurde beim Abschuß seines Flug¬
zeugs schwer verwundet. Durch die Kriegserlebnisse zutiefst
erschüttert, brach er mit den Familientraditionen (er stamm¬
te aus einer adeligen Offiziersfamilie) und seiner Justizkar¬
riere.
1919 begann er mit dem Studium der Malerei und Grafik in
Graz und schloß es 1923 an der Grafischen Lehr-und Ver¬
suchsanstalt in Wien ab. 1923 war er Gründungsmitglied der
Secession Graz.
1919-28 war er freier Mitarbeiter bei der sozialdemokrati¬
schen Tageszeitung Arbeiterwille in Graz. Er lernte Herbert
Eichholzer spätestens um 1926 kennen, da er Vorträge bei der
Vereinigung sozialistischer Hochschülern hielt, deren Mit¬
glied Eichholzer war. Vor dem Februar 1934 traf er sich fast
täglich mit Herbert Eichholzer in der Redaktion des Arbeiter¬
1937-38 war er mit Herbert Eichholzer im Herausgeberkol¬
lektiv der Zeitschrift Plan. Die von Eichholzer in der Hilteich¬
straße erbaute Villa trägt seinen Namen, und er gestaltete das
große Fresko in dieser Villa.
Am Tag nach der Besetzung Österreichs flüchtete er mit
Herbert Eichholzer über Triest erst nach Marseille und dann
allein weiter nach Zürich. Er bekam Arbeitsverbot in der
Schweiz, wurde wegen antinazistischer Propagada in Haft ge¬
nommen und war akut von Ausweisung bedroht.
1940 emigrierte er deshalb nach Brasilien. Dort wirkte er
als Professor für Holzschnitt und Komposition hoch angese¬
hen in Rio de Janeiro. Er illustrierte viele Bücher und kehrte
1948 nach Wien zurück. Hier lebte er als freischaffender Maler
und Illustrator und als Kulturredakteur. 1964 widmete er den
„Kain-Zyklus“, eine Mappe von Linolschnitten, „Meinem ju¬
stifizierten Freund Herbert Eichholzer“. 1976 starb er in Wien.
Axl Leskoschek hat über 80 Werke der Weltliteratur illu¬
striert und mehrere, zum Teil unveröffentlichte Kinderbücher
geschaffen.
Ein Jugendfreund Eichholzers war Ferdinand Bilger. Er
wurde wie Eichholzer 1903 geboren. 1922-27 studierte er Che¬
mie an der Universität Graz. 1925-26 nahm er an der Reise mit
Herbert Eichholzer und Walter Ritter nach Eritrea, Somalia