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Die Vernichtung der Juden
als sakrales Sühneopfer

Indem ich mich der Juden erwehre, kämpfe
ich für das Werk des Herrn.
Adolf Hitler

Michael Ley untermauert in seinem Buch
„Apokalypse und Moderne“ seine Theorie
der Sühneopferung der Juden durch die Na¬
tionalsozialisten, indem er in einem histori¬
schen Rückblick die Kirchengeschichte des
Katholizismus, die Reformation durch Lu¬
ther, die Geschichte der Philosophie von der
Romantik bis ins 20. Jahrhundert und die Ro¬
mantik selbst auf ihre Antijudaismen unter¬
sucht, die als letzte Konsequenz den An¬
spruch der Nationalsozialisten, aus dem
Deutschen Reich das Tausendjährige Reich
als allseligmachendes irdisches Himmelreich
entstehen zu lassen, heraufbeschworen
hatten.

Was die Kirchengeschichte betrifft, geht
Michael Ley bis in das 1. Jahrhundert auf die
Johannesoffenbarung zurück, die in einer po¬
litisch-religiösen Krisensituation entstand.
„Dort wird mit der Wiederkunft des christli¬
chen Messias die Vernichtung all derer pro¬
phezeit, die nicht an Jesus glauben bzw. den
christlichen Geboten zuwiderhandeln. Das
distinkte Opfer der kommenden Apokalypse
sind die Juden. Sie werden mit dem Satan
gleichgesetzt (Johannesoffenbarung 2,9).
Mit dem Erscheinen des Messias beginnt das
Tausendjährige Reich.“

Im 16. Jahrhundert findet sich in Martin Lu¬
ther ein weiterer Propagandist der Apokalyp¬
tik, in dessen Mittelpunkt der Antichrist
steht, der nach Ansicht Luthers wiederum
nur der Jude sein kann. Mit seinem Antiju¬
daismus bereitet er den Boden des modernen
Judenhasses.

Für Michael Ley lassen sich für den Holo¬
caust kaum rationelle Gründe finden und er
weist auch in vielen Aussprüchen Hitlers
dessen Sendungsbewußtsein als Messias
nach.

„Christus war der größte Pionier im Kampf
gegen den jüdischen Weltfeind. Christus war
die größte Kämpfernatur, die es je auf Erden
gegeben hat ... Die Aufgabe, mit der Christus
begann, die er aber nicht zu Ende führte, wer¬
de ich vollenden“, sagte Adolf Hitler in einer
Rede im Jahr 1926.

Die Grundlage für diese messianische Auf¬
gabe fand Hitler natürlich im blühenden An¬
tisemitismus der Jahrhundertwende in Wien.
Vor allem in der von Lanz von Liebenfels
entwickelten Ariosophie, die eine Religion
auf rassischer Grundlage und christlicher
Apokalyptik darstellte.

Eine weitere Vorbereitung auf dem Weg des
Deutschen Reiches als welterlösende religiö¬
se Gemeinschaft kann Michael Ley auch in
der Romantik nachweisen. Sowohl Dichter
als auch Philosophen träumten vom Deut¬
schen Volk als Retter der Welt.

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„Fichte kann sich nur eine Regeneration der
Welt durch die Deutschen vorstellen: ‚Ihr se¬
het im Geiste durch dieses Geschlecht den
deutschen Namen zum glorreichsten unter al¬
len Völkern erheben, ihr seht diese Nation als
Wiedergebärerin und Wiederherstellerin der
Welt ...‘,, Auch die Rechtsphilosophie He¬
gels feierte im Nationalsozialismus ebenso
fröhliche Urständ.
Michael Ley verfolgt mit wissenschaftlicher
Akribie und Kombinationsgabe alle philoso¬
phischen und geschichtlichen Spuren, die
seine These der religiösen Opferung der Ju¬
den im Dritten Reich logisch erscheinen läßt.
Auch die Frage, warum eine Opferung in
solch gigantischem Ausmaß erfolgte, ver¬
sucht der Wissenschaftler zu beantworten.:
„Die Grundlage der nationalsozialistischen
Heilstheologie war nicht ein etwaiger Rassis¬
mus, sondern christlicher, apokalyptischer
Antijudaismus.“ Das würde also bedeuten,
daß hinter der Idee des Nationalsozialismus
und seiner Rassenideologie eine Urangst vor
dem Untergang der Welt gestanden hätte, die
Hitler und seine Vollstrecker mit der Opfe¬
rung der Juden verhindern wollten. Natürlich
steht im Mittelpunkt einer solch wahnwitzi¬
gen Ideologie auch immer ein Mensch mit
der Hybris einer Gottähnlichkeit in seinem
Denken. Aber daran mangelt es in der Welt¬
geschichte nicht. Auch diese Form der Opfe¬
rungen hat es in der Weltgeschichte seit tau¬
senden von Jahren gegeben, man denke nur
an das Volk der Maya. Und in näherer Zeit
opferte die katholische Kirche, was ihr nicht
genehm war auf dem Scheiterhaufen.
Allerdings konnte Hitler diesen Wahn der
Opferungen am Ende nicht mehr steuern und
opferte sein eigenes Volk und am Ende sich
selbst.
Einen Trost sucht man in der Erkenntnis der
Theorie yon Michael Ley vergeblich. Aber
das ist auch nicht seine Aufgabe. Und solan¬
ge in den Menschen Urängste tief verankert
sind, und das wird sich nicht so schnell än¬
dern, dazu ist er zu vielen Unsicherheiten
ausgeliefert, wird es einen Nährboden für
Ideologien, die endgültige Sicherheit und ab¬
solute Werte versprechen, geben.
Michael Ley sieht im Nationalismus die poli¬
tische Religion der Moderne. Nationalismen
sind ein Produkt der Moderne. Auch sie ent¬
halten religiöse Elemente. Die Postmoderne
bietet hier auch keine neuen Inhalte.
Am Schluß seiner Ausführungen hat der Au¬
tor doch noch einen Trost für den Leser be¬
reit. Er meint, daß die zunehmende Globali¬
sierung das Ende des klassischen National¬
staates bringt und somit auch das Ende des
klassischen Nationalismus. Möge er recht
haben.

Cecile Cordon

Michael Ley: Apokalypse und Moderne. Auf¬
sätze zu politischen Religionen. Wien: Son¬
derzahl 1997. 248 S. OS 220,-.

Ich kann Cécile Cordons Zustimmung zu
Michael Leys Konstruktion der Geistes¬
und Religionsgeschichte nicht teilen. Rein
religionsgeschichtlich verstehe ich nicht,
warum sich Ley nicht mit den gnostischen
und manichdischen Wurzeln der national¬
sozialistischen ‚Weltanschauung‘, nicht
mit Religionsphilosophen wie Jacob Tau¬
bes und Klaus Heinrich auseinandersetzt,
und daß er zwischen verschiedenen Strö¬
mungen des Christentums, zwischen ver¬
schiedenen Phasen des Antijudaismus kei¬
ne Differenzierungen gelten läßt.
Insbesondere ist jedoch die polemische
Collage, durch die Hegel von Ley mit Zita¬
ten aus seiner Rechts- und Geschichtsphi¬
losophie zum Vertreter der „politischen
Romantik“ und zum Vorläufer der natio¬
nalsozialistischen Rechtsauffassung (die
den Namen einer Philosophie, den ihr Ley
verleiht, nicht verdient) umgeschminkt
wird, für einen, der selbst Philosophie stu¬
diert hat, auch dann nicht annehmbar,
wenn man sich zu diesem Behufe auf Karl
R. Popper und Ernst Topitsch beruft. Ley
schreibt: „Sowohl als Theoretiker des tota¬
len Machtstaates als auch mit seinem Anti¬
Judaismus ist Hegel ein bedeutsamer Vor¬
denker des Nationalsozialismus.“ Die Art
und Weise, in der Ley das philosophische
‚Unheil‘ in das beginnende 19. Jahhrhun¬
dert zurückprojiziert, gleichsam eine gera¬
de Linie von Hegel zu Freisler ziehend, er¬
zeugt nicht nur ein falsches Bild der Epo¬
che, sondern verunmöglicht methodisch
auch ein richtiges Verständnis der protofa¬
schistischen Strömungen des ausgehenden
19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.
(Witzig ist übrigens die Übereinstimmung
in Sachen Hegel zwischen der Sowjetenzy¬
klopädie zur Zeit des „Großen Vaterländi¬
schen Krieges“ und dem paranoiden Sozia¬
listenfresser und _CSU-Wahlkämpfer
Topitsch.)

1983 konnte man auf dem Umschlag einer
Taschenbuchausgabe von Georg Lukäcs‘
immer noch epochalem Werk „Die Zerstö¬
rung der Vernunft“ (1954) lesen, Lukäcs
vertrete „die sich langsam durchsetzende
These, daß ein gerader Weg von den Höhen
der spekulativen idealistischen deutschen
Philosophie bis zu den Niederungen der
menschenverachtenden nationalsozialisti¬
schen Praktiken führt.“ Diese Charakteri¬
stik, die der Entwicklung eine gewisse
Zwangsläufigkeit unterstellt, paßt auf Mi¬
chael Leys Auffassung der Geschichte der
Philosophie; Lukäcs hingegen mühte sich
darzulegen, daß eben kein gerader Weg
von Kant und Hegel zu Spengler, Schmitt
und Rosenberg führt. Die Geschichte des
19. Jahrhunderts scheint am Ende des 20.

bel für unsere heutigen Probleme ge¬
braucht wird, das reinste Mysterium ge¬
worden zu sein.

Konstantin Kaiser