Darüber hinaus kündigte sich ab 1948 die
Aushöhlung der Idee an, der EEK rückhaltlos
seine Kräfte geweiht hatte.
Ohne Zweifel hat Patka recht, wenn er einen
Ausspruch André Simones evoziert, der kurz
bevor ihm das Regime den Prozeß („Affaire
Slansky und Komplizen“) machte, gesagt ha¬
ben soll, Kisch sei rechtzeitig gestorben und
so einem ähnlichen Schicksal entgangen.
(Stationen, S. 407)
Durch die „Gnade seiner späten Geburt“ trägt
Marcus G. Patka nicht mit an der Bürde der
Tragödien dieses Jahrhunderts und ist daher
in der Lage, frei und unbefangen darüber zu
sprechen und zu schreiben. Er beweist es mit
diesen beiden einander ergänzenden Werken
über Egon Erwin Kisch, diesen außerge¬
wöhnlichen Menschen, dieses „pochende
Herz“ der Reportage, diesen subversiven
Kämpfer gegen jegliche Form der Sklaverei.
Vielleicht sollte Patka aufpassen, nicht in die
Falle der „political correctness“ zu tappen,
die sich dieser Tage vieler Geister bemäch¬
tigt hat. Aber, alles in allem glaube ich, daß er
diese Hürde nimmt.
Felix Kreissler
Marcus G. Patka: Egon Erwin Kisch — Sta¬
tionen im Leben eines streitbaren Autors.
Wien, Köln, Weimar: Böhlau-Verlag 1997.
565 5.
Marcus G. Patka (Hg.): Der rasende Repor¬
ter — Egon Erwin Kisch — Eine Biographie in
Bildern. Berlin: Aufbau-Verlag 1998. 303 S.
Egon-Erwin-Kisch-Preis 1998: Schreib’ das
auf! — Die besten deutschsprachigen Repor¬
tagen. Berlin: Aufbau-Verlag 1998. 204 S.
Volkmar Ziihlsdorff iiber
deutsche Intellektuelle im
Exil
Dieses Buch war beinahe tiberfallig. Es stellt
erstmals neben den Frauen und Männern des
aktiven Widerstandes 1933-45 die Wortfüh¬
rer des kulturellen Widerstandes — darunter
viele aus Deutschland vertriebene Juden - ins
Blickfeld der Öffentlichkeit. 1936 hatten sie
eine Kulturinstitution mit hohen poli¬
tisch-moralischem Anspruch gegründet:
Eine der wichtigsten Aufgaben der Deut¬
schen Akademie im Exil bestand darin, in der
Welt das Bewußtsein wachzuhalten, dass Hit¬
ler nicht Deutschland war ... und dass
Deutschland nach dem Sturz des Diktators
wieder seinen angestammten Platz in der Ge¬
meinschaft der freien Völker einnehmen
konnte, ist auch ein Verdienst der über alle
Kontinente verstreuten in der Deutschen
Akademie der Künste und Wissenschaften zu¬
sammengeschlossenen Schriftsteller, Künst¬
ler, Architekten und Wissenschaftler im Exil,
resümiert Volkmar Zühlsdorff als aktiver
Zeitzeuge und Chronist dieser bedeutenden
Institution. Gewidmet hat er dieses Buch Hu¬
bertus Prinz zu Löwenstein (1906-1984),
Gründer der Exilakademie und dessen tapfe¬
rer Mitstreiterin Prinzessin Helga.
Prinz zu Löwenstein, dem europäischen
Hochadel angehörend und in Österreich auf¬
gewachsen, war als Student Ende der 1920er
Jahre nach Berlin gekommen und hatte sich
sofort publizistisch für den Erhalt der Demo¬
kratie eingesetzt. Sein Engagement ab 1930
für das republikanische Reichsbanner
Schwarz-Rot-Gold war für ihn die praktische
politische Konsequenz. Als er 1933 emigrier¬
te, gehörte er zu den prominentesten Gegnern
der Nazis.
„Um die freiheitlichen Kräften gegen das Na¬
zi-Regime zu stärken“, plante Löwenstein
nach den Angaben seines damaligen Mitar¬
beiters Zühlsdorff die Hunderttausende zäh¬
lenden deutschsprachigen Emigranten, die
über 75 Länder auf 5 Kontinenten verteilt
waren, zu aktivieren. Ihre Wortführer sollten
in einer hochrangigen Institution zusammen¬
geführt werden. Einflußreiche Persönlich¬
keiten und enge Freunde standen ihm bei die¬
ser großen und schweren Aufgabe zur Seite.
Aber die Deutsche Akademie der Künste und
Wissenschaften im Exil (Juli 1936 bis Januar
1941) mit Sitz in New York und Sekretaria¬
ten in Wien, London und Paris ist leider all¬
gemein wenig bekannt, obwohl diese im Be¬
wußtsein einer weltweiten Öffentlichkeit da¬
mals so etwas wie eine „Armee des Geistes“
gegen die Barbarei des Nazi-Regimes war.
Das ist um so bedauerlicher, da seit 30 Jahren
im Exilarchiv der Deutschen Bibliothek
Frankfurt rund tausend Personalmappen tiber
80 Senatoren und Mitglieder, 163 Stipendia¬
ten, sowie der vielen auf andere vielfaltige
Weise mit der Exilakademie kontaktierenden
aus Nazi-Deutschland Vertriebenen fiir die
Forschung zur Verfiigung stehen. Auch die
1993 vom Exilarchiv in Frankfurt gestaltete
und organisierte eindrucksvolle Ausstellung
„Deutsche Intellektuelle im Exil. Ihre Akade¬
mie und die American Guild for German Cul¬
tural Freedom“ änderte trotz des hervorra¬
genden Begleitkataloges nur wenig daran,
dass die genannten Institutionen noch immer
als „Der vergessene Widerstand“ gelten.
Ein Grund mag in der damals konsequent
praktizierten Überparteilichkeit liegen, wes¬
halb nach 1945 die Verdienste der Exilakade¬
mie für das Ansehen Deutschlands in der
Welt von keiner Seite für parteipolitische In¬
teressen vereinnahmt werden konnten. Aber
unpolitisch wollten die meisten Intellektuel¬
len nie sein, worauf der Diplomat und Publi¬
zist Zühlsdorff immer wieder verweist: Emi¬
gration war für uns die einzige Alternative zu
Verhaftung und KZ, die einzige Möglichkeit
zur Fortsetzung des Kampfes gegen Hitler.
Die Bedeutung des vorliegenden Buches
wird nachdrücklich in zwei Vorworten her¬
vorgehoben:
Als eine Verkörperung freiheitlicher Tradi¬
tionen bezeichnet der Vorsitzende des Deut¬
schen Kulturrates, Prof. Dr. Franz Müller¬
Heuer, die Deutsche Akademie. Die vorge¬
stellte Arbeit belege „auf eindrucksvolle
Weise die Wirkung, die Intellektuelle auch in
der politischen Auseinandersetzung haben
können“ und habe „damit zugleich eine Brü¬
cke geschlagen zu dem heutigen Widerstand
von Intellektuellen gegen autoritäre Regime
in aller Welt“.
Die Vorsitzende des Verbandes für Freiheit
und Menschenwürde e.V., Ursula Seuß-Heß,
und Georg Prinz als Vorsitzender der Union
Deutscher Widerstandskämpfer- und Ver¬
folgtenverbände bezeichnen in ihrem ge¬
meinsamen Vorwort die Exilakademie als ei¬
nen Hort der Liberalität und „mit ihrem Wir¬
ken in der Öffentlichkeit, vor allem in Ameri¬
ka, verkörperte die Akademie ein Deutsch¬
land der Toleranz, des Geistes und der Welt¬
offenheit“, weshalb ihr endlich auch die ge¬
bührende Würdigung widerfahren solle. Der
Respekt für dieses mutige Engagement ge¬
gen das Nazi-Regime kann allerdings ohne
konkrete Kenntnis nicht auskommen: Dieser
Erinnerungs- und Forschungsbericht ist da¬
für von großer Bedeutung. Dass es in der Zeit
des Dritten Reiches neben den mutigen Frau¬
en und Männern des aktiven Widerstandes
oder der inneren Emigration auch diejenigen
gab, die im Exil mit den Mittel des Geistes
und der Kultur sich mit oft weitreichender
kultureller und politischer Wirkung für das
„andere Deutschland“ engagierten, wird an¬
hand vieler Einzelschicksale und Ereignisse
besonders transparent.
Die lebendige Darstellung der Geschehnisse
rund um die Gründung der Exilakademie, ihr
Bestehen und ihre Möglichkeiten sowie die
von ihr ausgehenden Impulse für Kunst, Kul¬
tur und Wissenschaft der Gastländer wie
auch für das Nachkriegsdeutschland durch
Volkmar Zühlsdorff lassen auf einen breiten
Interessentenkreis hoffen. Den Ausführun¬
gen des ehemaligen Geschäftsführers der
Deutschen Akademie im Exil und engen Mit¬
arbeiters von Hubertus Prinz zu Löwenstein,
sind interessante und meist weitgehend unbe¬
kannte Details zu entnehmen, die eine wei¬
terführende Beschäftigung mit dieser facet¬
tenreichen Thematik geradezu herausfor¬
dern.
Zühlsdorff (geb. 1912) hatte Prinz zu Löwen¬
stein im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
kennengelernt und war 1933 mit ihm und
dessen Frau Helga nach Österreich und spä¬
ter weiter nach Frankreich, England, die
Schweiz und schließlich in die USA emi¬
griert. Nach seiner Rückkehr wurde er 1947
Sprecher der Bürgerrechtsbewegungen ge¬
gen die Bombardierung Helgolands durch
die britische Luftwaffe und für die Rückglie¬
derung des Saarlandes an Deutschland;
1952-56 war er als politischer Redakteur für
„Die Zeit“ und von 1959-77 im Diplomati¬
schen Dienst des Auswärtigen Amtes tätig.
Jetzt ist er noch immer aktiv als Ehrenpräsi¬
dent des Freien Deutschen Autorenbundes,
als Kuratoriumsmitglied im Deutschen Lite¬
raturfonds sowie im Vorstand der Union
Deutscher Widerstandskämpfer und Ver¬
folgtenverbände. Seine Kenntnisse zur Zeit¬
geschichte sind schier unerschöpflich.
In gesonderten Kapiteln stellt er nach Prinz