schalen-Panzerung und schwarzen Barretts.
Wir erfuhren im nachhinein, daß es sich um
eine sogenannte „COBRA“-Einheit handel¬
te. Wir wurden gepackt und an die Wand ge¬
stellt, unsere Beine wurden mit brutaler Ge¬
walt auseinandergetreten. Ein Polizist nahm
einen Umhängebeutel, den ich mir durch
meine Giirtelschlaufen gezogen hatte und rif
ihn so ab, daß alle Gürtelschlaufen dabei zer¬
stört wurden. Ich beschwerte mich und mein¬
te, daß der Beutel auch einen Verschluß ge¬
habt habe. Daraufhin brüllte er mich an, daß
ich ruhig sein solle, packte meinen Kopf an
den Haaren und schlug ihn gegen die Stein¬
mauer. Spätestens jetzt war mir klar, daß es
sich hierbei nicht um eine Routinekontrolle
handelte. Jetzt fing er an, alle Taschen meiner
Hose, auf- bzw. abzureißen unabhängig da¬
von, ob diese einen Inhalt hatten oder nicht.
Wo es ihm nicht sofort gelang, probierte er
solange herum, bis er sie zerstört hatte. Nun
öffneten die Polizisten die Tür eines nahege¬
legenen Hausdurchgangs und drängten uns
hinein mit der Bemerkung, dort drinnen
könnten sie uns besser behandeln. Als wir
drinnen waren, verschlossen sie die Tür, so
daß niemand von außen sehen konnte. Die
folgenden Ereignisse dauerten ca. 20 Minu¬
ten. Während der ganzen Zeit wurden wir im¬
mer wieder geschlagen, an den Haaren gezo¬
gen, zwischen die Beine getreten und unsere
Finger überdehnt. Wir mussten die ganze
Zeit mit gespreizten Armen und Beinen an
der Wand stehen. [...] Nun wollten die Polizi¬
sten wissen, woher wir kämen, ob wir über
das Internet organisiert seien, ob wir Kontak¬
te zu anderen Gruppen hätten, ob wir alleine
gekommen seien, wo wir übernachten wür¬
den, usw. Wer nicht sofort antwortete wurde
geschlagen. Aus unseren Sachen die mittler¬
weile auf dem ganzen Boden zerstreut waren,
suchten sie alle Schlüssel heraus und wollten
wissen, welcher wem gehört, anscheinend
um herauszufinden, ob wir alleine wären. Sie
durchwühlten auch unsere Unterlagen mit
der Bemerkung „Die wissen alles aus dem In¬
ternet, die haben alles“. Sie nahmen. alle Un¬
terlagen, aus denen Telefonnummern etc. er¬
sichtlich waren, mit. [...] Daraufhin nahmen
sie die SIM-Karten aus allen Handys und zer¬
kratzten sie an der Wand. Zusätzlich wurden
die Handys auf den Boden geworfen und dar¬
auf herumgetreten, bis die Schale zertrim¬
mert war. Auch meine Uhr wurde vom Hand¬
gelenk abgerissen und zerstört. Die Weste ei¬
nes meiner Freunde wurde komplett in Fet¬
zen gerissen. Nun brüllten sie jeden von uns
einzeln an, was wir nun machen würden, bis
er antwortete: Heimfahren. Sie wollten aus¬
serdem wissen, über welchen Grenzübergang
wir gekommen seien, und welche anderen
Gruppen aus Deutschland noch da seien und
ob wir „Wessis“ oder „Ossis“ seien, wahr¬
scheinlich weil im Personalausweis von ei¬
‚nem von uns Magdeburg als Hauptwohnsitz
angegeben war. Nun gaben sie ausserdem
unsere Personalien per Funk vor der Tür
durch und durchwühlten unser Auto kom¬
plett, wobei sie noch einige Gegenstände
mitnahmen. Dann wurde ein Fotograf in Zi¬
vil hereingerufen, der von uns Portraitauf¬
nahmen machte. Uns wurde gesagt, die Bil¬
der würden an das BKA weitergegeben. [...]
Titus Stahl, Tübingen, 21. Februar 2000
Wenn die Schilderung stimmt (und davon ist,
solange die Polizei den Vorfall nicht selbst
rückhaltlos aufklärt, leider auszugehen), hat
sich die erst unlängst erfolgte Ablösung des
„Cobra“-Kommandanten durch einen an¬
geblich besonneneren Mann nicht bewährt.
Vielmehr scheinen Teile der Polizei in direk¬
tem Einverständnis und Kontakt zu politi¬
schen Kräften zu stehen, die mit allen Mitteln
Beweismaterial für eine von ihnen zuvor
lautstark verkündete ‚anarchistische Randa¬
le‘, die in Wien Gewalt und Terror ausüben
werde, suchten.
Zu „Buch der Ausrede“ von Erich Hackl,
MdZ Nr. 3/1999, S. 48:
Auch die Eltern meiner Mutter Paula, die Fa¬
milie Kurz, wohnten wie Hilde Sobot in der
Novaragasse (ich glaube auf Hausnum¬
mer 17). Er (war es Julius?) war Herausgeber
des „Artistenblattes“ (so der Titel nach mei¬
ner Erinnerung) und starb 1927, in meinem
Geburtsjahr. Sie, Regine, und ihre älteste
Tochter Herta (insgesamt gab es zehn Kin¬
der) starben in Theresienstadt.
Prof. Harry Kaufmann, Dobbs Ferry, N.Y.,
21.2. 2000
Im Nachruf auf Hans Viertel in MdZ
Nr. 3/1999 wird irrtümlich Wien als sein Ge¬
burtsort angegeben. Hans Viertel ist aber wie
sein Bruder Peter in Dresden geboren, wo der
Vater Berthold Viertel Regisseur am Staats¬
theater war. Wir danken Thomas Viertel
(dem einzigen der Viertel-Söhne, der in
Wien geboren ist) für den Hinweis.
In MdZ Nr. 3/1999, S. 12, linke Spalte, ist
beim Umbruch der Satz Über seine Unsi¬
cherheiten und innerlichen Widersprü¬
che, die sein literarisches Schaffen er¬
schweren, schreibt er: (folgt, kursiv gesetzt,
ein Zitat, das mit den Worten „Mein künstle¬
rischer Weg ...‘“ beginnt) derart auseinander¬
gerissen worden, daß vor und nach einem Os¬
kar-Jellinek-Zitat ein jeweils sinnlos anmu¬
tendes Satzfragment zum Stehen gekommen
ist. (Daß dergleichen beim Umbruch möglich
ist, ahnten wir bisang nicht. Auch eine
Neuigkeit.)
Veranstaltungen
„Ein Baum ohne Früchte ist kein Baum. Lite¬
rarisch-musikalischer Abend mit Gedichten,
Liedern und Romanzen von Isaak Malakh“.
Mit Joshua Malakh, Geige, und Elena Vymer
am Klavier. Ella Malkin singt die Romanzen
und Lieder. Konstantin Kaiser trägt die deut¬
schen Übertragungen vor. Einleitende Wor¬
te: Ellinor Haber.
Jiidisches Gemeindezentrum, 1010 Wien,
Seitenstetteng. 4, Donnerstag, 23. März .
2000, 19 Uhr. - Gemeinsame Veranstaltung
der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und
der Theodor Kramer Gesellschaft/Mit der
Ziehharmonika - Zeitschrift für Literatur des
Exils und des Widerstands.
„Sie sehen alle doch wie Menschen aus.“
Stella Rotenberg liest Lyrik und Prosa.
Einführung: Erich Hackl.
Montag, 27. März 2000, 19 Uhr, Presseclub
Concordia, 1010 Wien, Bankgasse 8.
Gemeinsame Veranstaltung des P.E.N.-Clubs
und der Theodor Kramer Gesellschaft.
Kunst im Exil
Tagung Bildende Künstlerinnen und Kunst¬
historikerinnen im Exil vom 27.-29. Oktober
2000 in der Staatlichen Galerie Moritzburg
in Halle/Saale
Im. Mittelpunkt der X. Tagung „Frauen im
Exil“ sollen Werk und Leben deutschsprachi¬
ger Künstlerinnen und Kunsthistorikerinnen
stehen, die ab 1933 emigrieren mußten. Zu
diskutieren ist, ob und warum Frauen auch im
Exil weniger in den Bereichen der klassischen
Hochkünste Malerei, Skulptur und Architek¬
turtätig waren, vielmehr im Feld der ange¬
wandten Künste, etwa als Keramikerinnen
und Textilkünstlerinnen arbeiteten. Dies soll
auch eine kritische Betrachtung der bis heute
wirksamen unterschiedlichen Wertung von
freier und angewandter Kunst einschließen.
Eine weitere Frage ist, wieso auffällig viele
Frauen gerade mit der als künstlerisches Me¬
dium noch jungen Fotografie experimentier¬
ten. Auch das „Verschwinden“ von Künstle¬
rinnen in der Emigration und ob gerade die
mit Künstlerkollegen - verheirateten in der
Kunstszene der Exilländer nicht mehr in Er¬
scheinung traten, soll erörtert-werden.
Mit dem Anteil deutschsprachiger Kunstwis¬
senschaftlerinnen an der Genese des Faches
Kunstgeschichte in den Exilländern sowie ih¬
rer Position innerhalb des Museums- und Ga¬
leriebetriebes soll sich die zweite Sektion der
Tagung befassen. Da in Großbritannien die
Geschichte der Kunst noch nicht als Studien¬
fach etabliert war, konnten die dorthin emi¬
grierten deutschsprachigen Kunstgeschichts¬
studentinnen ihre akademische Ausbildung
nicht abschließen; die Frauen mit Studienab¬
schluß wiederum aber hatten theoretisch gute
Chancen, ihren Beruf auszuüben.
Eine weitere Sektion zum Kunstschaffen exi¬
lierter Frauen heute ist geplant.
Beate Schmeichel-Falkenberg, Rosa von der
Schulenburg