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Internationale Konferenz an der Hebräischen Universität in Jerusalem, 26.-30. März 2000 Die Vorzeichen waren nicht die besten. Österreichische Politiker durften nicht, manche Referenten wollten nicht mehr zur angekündigten feierlichen Eröffnung des Austrian Center in Jerusalem kommen. Menahem Megidor, der Präsident der Hebrew University, eröffnete demnach statt des ÖsterreichZentrums schlicht die Internationale Konferenz, die von langer Hand geplant und von Hanni Mittelmann bestens vorbereitet war; und er wies nachdrücklich darauf hin, dass an seiner Universität allen politischen Kontroversen zum Trotz nach wie vor österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herzlich willkommen seien, zumal im Fragenkomplex der jüdischen Kultur bzw. der antisemitischen Unkultur in Österreich noch immer viele offene Probleme einer Lösung harrten. Die Vorzeichen waren also nicht die besten, aber die Konferenz stand von allem Anfang an unter einem guten Stern. Denn die Diskussion über das sogenannte Haider Phenomenon war mit Bedacht an ihr Ende gerückt worden, und schon den ersten Referenten gelang es, die Komplexität des Generalthemas: der Transformationen der Österreichischen Identität im 19. und 20. Jahrhundert sichtbar zu machen, anschaulich zu machen durch die Darstellung großer Entwicklungslinien bzw. charakteristischer Einzelfälle. Gerald Stourzh (Wien) berichtete in einer großangelegten Übersicht über das Zeitalter der Emanzipation und Assimilation der Juden in Österreich von 1867 bis 1914, Paul Mendes-Flohr (Jerusalem) sprach über Martin Buber, Allan Janik (Innsbruck) über drei Mitglieder des „Brenner-Kreises“, nämlich Paul Engelmann, Friedrich Pater und Johannes Österreicher. Armin A. Wallas (Klagenfurt), Mit-Veranstalter des Symposions, stellte konservative Österreich-Mythen und revolutionäre Gegen-Mythen, namentlich Stefan Zweig und Albert Ehrenstein einander gegenüber, um schließlich das Werk Joseph Roths als Bindeglied, als Sammelbecken aller krisenhaften Spannungen zu interpretieren. Heftige, aber zugleich immer ruhige, besonnene, spannende Diskussionen provozierten die Vorträge von Emil Brix (Wien) über das Phänomen der Assimilation in der Spätphase der Habsburger Monarchie, von Andreas Herzog (Budapest) über die Entwicklung der Idee eines übernationalen Judentums in Prag und schließlich von Jakob Hessing (Jerusalem) über Sigmund Freud und Richard Beer-Hofmann (in dessen „Schlaflied für Mirjam“ schon unmißverständlich eine Welt zum Vorschein kommt, die keine Zukunft mehr hat). Der Streit um den Begriff „Jüdische Kultur“ fand am Mount Scopus, in dem fast ständig 50 überfüllten Faculty Clubroom 502, eine Fortsetzung, eine Klärung jedoch nicht. Steven S. Beller (University of Washington) sprach diesmal zwar ausdrücklich über den „Jewish Aspect“ in der österreichischen Kultur, vor allem in der Populärkultur, und nicht mehr über die „Jüdische Kultur“ in Österreich, aber er wurde erneut mit Sir Ernst Gombrichs Einwänden gegen derartige Zuschreibungen konfrontiert; und seine Kontrahenten in Jerusalem, Gerald Stourzh und Peter Landesmann, konnten ebenfalls gute, sehr gute Gründe ins Treffen führen, zu allen Klassifizierungen der NS-Propaganda größtmögliche Distanz zu wahren. Auf Vorträge über das „Dollfuß-Schuschnigg-System“ (Alfred Ableitinger), über Josef Weinhebers unhaltbare Stellung zwischen Nationalsozialismus und Innerer Emigration (Albert Berger) sowie über Österreich-Gedichte von Verfolgern und Verfolgten (Johann Holzner) folgten durchwegs spannende Diskussionen (häufig mit Zeitzeugen) über die Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus im Österreich der Nachkriegszeit: Evelyn Adunka stellte ihr eben erschienenes, gewichtiges Buch über die jüdische Gemeinde in Wien vor, Evelyn Deutsch-Schreiner referierte über das „Theaterland“ Österreich, im besonderen die Theaterpolitik der Österreichischen Parteien von 1945 bis 1955, Klaus Amann schließlich erörterte in seinem Referat über „Mauthausen in der Österreichischen Literatur‘ auch neuere und neueste literarische Arbeiten zu Studienobjekt Czernowitz Vom 21. bis zum 23. November 1999 lud das Institut fiir deutsche Geschichte der Universität Tel Aviv zu einer, gemeinsam mit dem Wiener Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) veranstalteten Konferenz zum Thema „Czernowitz als Paradigma: Kultureller Pluralismus und Nationalitätenfrage“ in die Wiener Library der Universität Tel Aviv. In fünf Sessionen wurde versucht, ‚,... anhand der städtischen Kulturen und Lebenswelten von Czernowitz das komplexe System eines kulturellen Pluralismus im Gefolge der Verwandlung eines übernationalen, imperialen Zusammenhanges hin zur Formierung von Nationalstaaten zu analysieren.“' Dabei herrschte ein allen Referaten und Diskussionsbeiträgen zugrundeliegender Konsens über die essentielle Bedeutung der jüdischen Kultur für die Herausbildung des ‚Spezifikums Czernowitz‘. Obwohl die Konferenz als eine rein wissenschaftliche Veranstaltung konzipiert war und bewußt als Referenten keine Zeitzeugen eingeladen wurden, machte schon der Eröffnungsabend deutlich, daß es zu keiner rein akademischen Nabelschau über ein abstrakdiesem immer noch so heiklen Thema. Während in den Referaten zur Kunst und Musik, zu Schiele und Schönberg (Milly Heyd), zu Mahler und Schönberg (Ruth HaCohen), zu Hundertwasser, Brauer und Fuchs (Ziva Amishai-Maisels), das Generalthema der Konferenz fast ganz in den Hintergrund trat, stand es im Gespräch über den Film „Jenseits des Krieges“ mit Ruth Beckermann mit einemmal wieder im Zentrum; standen vor allem die Formeln und Floskeln im Zentrum, die der häßliche Österreicher gerne parat hält, wenn es darum geht, das Licht abzuwehren, das in die Schatten des sogenannten Heldentums und des Mitläufertums hineinleuchten sollte. Am Ende referierten Gerhard Botz (Wien), über den Fall Waldheim, und Robert Wistrich (Jerusalem), über den Fall Haider, ehe dann doch noch ein Dichter, nämlich Elazar Benyoetz, das letzte Wort erhielt. Anderswo hätten da leicht noch heftige Disputationen aufbrechen können. An der Hebräischen Universität aber wurden stattdessen, wie Hanni Mittelmann zu Recht resümierte, die Mauern aufgebrochen, die Verdrängung und Schweigen aufgebaut hatten, wurden die Kontroversen über die Wandlungen der „österreichischen“ Identität genutzt, um die Beziehungen, wenigstens die wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Israel und Österreich entschieden zu festigen und einel|yer, in seiner Reihe Conditio Judaica. Johann Holzner tes historisches Thema würde kommen können. Dafür sorgte zum einen der persönliche, biographische Bezug mancher Referenten zur Bukowina. Vor allem aber waren es die „alten Czernowitzer“ — salopper Terminus technicus für über die ganze Welt verstreute Bukowiner -, die einen Großteil des wohlwollend-kritischen Auditoriums stellten, stets dazu bereit, wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen mit den eigenen Lebenserinnerungen zu konfrontieren, oder, höflich aber bestimmt, zu konterkarieren. — Diese physische Anwesenheit des „Objekts der wissenschaftlichen Betrachtung“ im Saal wurde von allen Teilnehmern als besonders anregend und wertvoll empfunden und verlieh der Konferenz Lebendigkeit und eine unmittelbare Außenwirkung, die derartige Veranstaltungen so oft vermissen lassen. Schon die Eröffnung geriet zu einem „Heimspiel“ vor mehreren hundert Zuhörern, viele davon gebürtige Bukowiner. Nachdem Wolfgang Paul, als österreichischer Botschafter Unterstützer der Konferenz, mit ebenso wohlformulierten wie unmißverständlichen Worten zur politischen Situation in Österreich nach den Nationalratswahlen im Okto