Wie das Außenamt
Österreich vertritt
Nach der Bildung der ÖVP-FPÖ Regierung
und der voraussehbaren Reaktion der
EU-Mitgliederstaaten, wurden die diplomati¬
schen Vertretungen Österreichs in den Dienst
der Aufklärung über die Besonderheit der po¬
litische Entwicklung des Landes gestellt, um
im besonderen von der Normalität der Regie¬
rungsbeteiligung einer rechtsextremen Partei
zu überzeugen. „Aufklärung“ hat dabei
nichts mit kritischem Bewußtsein oder ähnli¬
chen Anstrengungen zu tun. Der neue politi¬
sche Kurs wird moderat vertreten — vielleicht
mit ein paar Schweißtröpfchen auf der Stirn
oder mit hochgezogener Braue. In London
fand am 23. März 2000 in der österreichi¬
schen Botschaft eine solche Veranstaltung
statt. Geladen und zahlreich gekommen wa¬
ren die Mitglieder der Anglo-Austrian¬
Society - also ein an Österreich interessiertes
Publikum, dem die Geschichte des Landes
nicht unbekannt ist, um die Ausführungen
der österreichischen Chargee d‘affaires, Dr.
B. Öppinger-Walchshofer, über „die politi¬
schen Entwicklungen in Österreich“ zu hö¬
ren. Wolfgang Suschitzky hat uns den Vor¬
trag übermittelt sowie seine besorgte Stel¬
lungnahme.
Die Zitate aus einigen Passagen der Rede, die
ein Bild der politischen Normalität, ja sogar
Kontinuität nach außen vermitteln möchte,
beziehen sich auf den politischen Charakter
der FPÖ. Bei der Erklärung zur Regierungs¬
bildung selbst wird von einem rein mathema¬
tischen Problem der parlamentarischen
Mehrheitsfindung ausgegangen, mit dem Zu¬
satz, daß der Wahlerfolg der FPÖ ursächlich
mit einer Strömung gegen die „Erbschaft der
großen Koalition‘ zusammenhänge.
Bei politischen Erklärungen kommt es nicht
nur darauf an, welche Ereignisse und Hand¬
lungen kommentiert werden, sondern welche
nicht erwähnt werden. Das Mißtrauen gegen¬
über Österreichs Politik, gegenüber dem kon¬
servativen und deutschnational-rechten La¬
ger geht auf die Zeit zurück, als 1933 das
österreichische Parlament 1933 durch den
christlichsozialen Kanzler Dollfuß ausge¬
schaltet und die Demokratie durch eine Stän¬
destaatsdiktatur ersetzt wurde. Der offene
Widerstand gegen diese politische Entwick¬
lung im Februar 1934 wurde unter Einsatz
des Bundesheeres niedergeschlagen, Men¬
schen wurden unter Standrecht hingerichtet
und die Sozialdemokratische Partei sowie
sämtliche Arbeiterorganisationen enteignet
und verboten. Damit fand die 1. Republik ihr
Ende. Ein ganzes Archiv könnte mit den Le¬
galisierungsbemühungen dieses Verfas¬
sungsbruches gefüllt werden. Im März 1938
konnte eine von Parteigängern der National¬
sozialisten durchsetzte Regierung und ein
ebensolcher Staatsapparat nur noch beiseite
treten und das verschwundene Land dem
„Heldenplatz“ überlassen. Außer Mexiko hat
kaum kein Staat protestiert.
Doch das ist Vorgeschichte und auch der mit
ihr verbundene Antisemitismus. Es geht um
die konsensuale demokratische 2. Republik.
Nicht eine Erwähnung wert scheint die Grün¬
dungsgeschichte der VDU/FPÖ, die „zufäl¬
lig“ mit der Rückgabe der Bürgerrechte an
die minderbelasteten Nationalsozialisten
(zusammen mit den aus der Kriegsgefangen¬
schaft entlassenen Österreichern gab es 1949
942.210 Stimmberechtigte mehr als 1945)
zusammenfiel. Im Grundrechtskatalog des
„Verbandes der Unabhängigen“ wird demge¬
mäß der „Schutz der Persönlichkeit‘ mit For¬
derungen gekoppelt, die gegen eine Verfol¬
gung von nationalsozialistischen Verbrechen
gerichtet sind: „(...) keine rückwirkenden
Strafgesetze, keine im nachhinein eingesetz¬
ten Ausnahmegerichte, keine Auslieferung
eines Staatsbürgers an das Ausland“ (Punkt
6); „die sogenannten Volksgerichte sind zu
beseitigen“ (Punkt 8).
Im FPÖ-Programm von 1957 figurierte
Österreich „als eine politische Tatsache“ (im
deutschen Bomben verwüstete London.
politischen Jargon: eine Mißgeburt der Alli¬
ierten), der gegenüber das Bekenntnis zur
„deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“
steht. Kontroversielle Aussagen, wie sie Jörg
Haider zu machen pflegt, sind keine Entglei¬
sungen oder entspringen bloß seiner ureigen¬
sten Persönlichkeit, sie sind Teil der politi¬
schen Programmatik und modernisierte Fort¬
setzung des von seinen politischen Vätern
gebahnten Weges. Charakteristisch für die
Entwicklung der FPÖ ist vielmehr, daß,
wann immer liberale Inhalte in den Vorder¬
grund gerückt wurden, keine Wähler hinzu¬
gewonnen werden konnten.
Das Mißtrauensvotum der EU-Mitglieds¬
staaten richtet sich gegen den neuen österrei¬
chischen Weg der „Befriedung“ der xeno¬
phoben Rechten (z.B. durch die Präambel der
Regierungserklärung) und gegen deren poli¬
tische Stärkung, den dieser Weg international
signalisiert. S.B.
Zitate aus der Rede von
Dr. Oppinger-Wachshofer
„Die FPÖ wurde nach den letzten Wahlen zur
zweitstärksten Partei. Von ihrer Geschichte
her, repräsentierte sie auch das liberale Ele¬
ment innerhalb der österreichischen Partei¬
enlandschaft, gegenwärtig aber tritt sie vor
allem mit populistischen, rechtsradikalen
Aussagen hervor. [...]
Das Wahlresultat ist weder eine Überra¬
schung, noch ist die FPÖ zum ersten Mal in
einer Regierungskoalition.
Zwischen 1955 [sic!] und 1966 war die FPÖ
die einzige Oppositionspartei während der
sogenannten „Großen Koalition“ von ÖVP
und SPÖ.
Bis 1970, in der Zeit der ÖVP Alleinregie¬
rung, schloß sich die SPÖ der FPÖ wegen de¬