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war genau am 22. Juni 1941. September/Oktober kam dann der
Auftrag, daß gegen alle diese Leute, die zur kapitalistischen
Gesellschaft der Bukowina gehört haben, ein Mißtrauensvo¬
tum ausgesprochen wurde. Und wir wurden in den Ural nach
Swerdlowsk geschickt.

Als mein Vorgesetzter dann gefragt hat, wer sich in der
Buchhaltung auskennt, habe ich mich gemeldet. Ich war dann
verschiedenes: Lagerhalter, Buchhalter usw. Wir mußten die
Anlage eines Rückzugsgebietes errichten, da man damals
fürchtete, daß die Deutschen Rußland überrennen würden.
Hier habe ich bis Ende des Krieges gearbeitet.

Verurteilung zu 10 Jahren Zwangsarbeit

Am Ende des Krieges 1945 wurde ich wegen staatsfeindlicher
Äußerungen zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt und zu
weiteren fünf Jahren Verlust der Staatsbürgerschaft. Diese
zehn Jahre habe ich in sechs verschiedenen Lagern verbracht.
Ich war auf der Halbinsel Magadan im Nordosten von Ru߬
land. Ich mußte dort dann noch fünf Jahre als Deportierter blei¬
ben, durfte die Insel nicht verlassen. Die Hauptstadt hieß Koly¬
ma, nach einem Fluß, der durch die Insel fließt. 150 km von
Magadan im Norden befindet sich ein kleiner Ort namens
Ust-Omtschuk. Ust ist ein kleiner Fluß, es ist der Nebenfluß
des Omtschuk. Dort war ich im Lager.

Ich hatte einen Freund, einen gewissen Salomon Kauf¬
mann. Wir haben in unserer gemeinsamen Zeit im Lager alles
geteilt. Als ich aus dem Lager entlassen worden war, hatte ich
200 Rubel erhalten, da wir in der letzten Zeit im Lager für un¬
sere Arbeiten auch ein kleines Entgelt bekommen hatten. Man
konnte aber auch für außerhalb des Lagers Arbeiter sozusagen
mieten. Und so wurden Gefangene auch für bestimmte Arbei¬
ten nach draußen vergeben.

Das Lager hatte ja auch den Zweck, der Industrie billige Ar¬
beitskräfte zu verschaffen. Im Lager selbst hat es wenig Arbeit
gegeben. Das Gehalt wurde mit dem Lager verrechnet. Der
Gefangene hat dann eben das Essen dafür bekommen und spä¬
ter auch einen kleinen Geldbetrag.

Wie ich zur Magd wurde

Auch Frauen, die inhaftiert waren, wurden als Haushaltskräfte,
Mägde usw. verliehen. Aber dann passierte etwas: Ein Offizier
hatte eine Frau aus dem Lager als Arbeitskraft für seinen Haus¬
halt bekommen. Sie war jung und hübsch, und als die Frau des
Offiziers einmal früher nach Hause gekommen war, hatte sie
ihren Mann mit der Bedienerin im Bett angetroffen. Es kam zu
einem Streit zwischen ihm und seiner Frau, und er erschoß sei¬
ne Frau. Das war dann der Grund, daß der Befehl erlassen wur¬
de, keine Frauen aus dem Lager mehr in private Haushalte zu
vergeben. Und so war auch der Lebensmittelverwalter in
Ust-Omtschuk, Goldberg, seine Magd los. In diesem Moment
bin ich da hineingekommen und habe die Arbeit dieser Frau
übernommen.

Als Deportierter und als Nummer

Nach dem Lager war ich also Magd. Ich war ja politisch verur¬
teilt und daher durfte ich weder ausreisen, noch Kontakte in die
Heimat aufnehmen. Ich war staatenlos, hatte keinen Paß und
wurde nicht namentlich geführt. Ich war nur eine Nummer. In
Ust-Omtschuk gab es eben diesen Goldberg, der der Chef für

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die Lebensmittelverwaltung dort war. Und dann war da noch
ein Schuster. Er hieß Oserow. Mit dem habe ich Bekanntschaft
gemacht. Und dieser Oserow war ein Freund von Goldberg.
Oserow war früher auch Kommunist, aber auch er wurde we¬
gen einer Äußerung eingesperrt. Sagt er zu mir: Weißt du was,
wenn du arbeiten willst, schlage ich dich Goldberg als Magd
vor.“ Goldberg war für den ganzen Rayon als Verwalter für die
Lebensmittel zuständig. Magadan war die Hauptstelle, man
mußte dorthin.

Goldberg mußte noch zwei Monate auf Magadan bleiben
und für diese zwei Monate brauchte er eine Magd. Sie soll ko¬
chen, saubermachen und all das, was eine Haushälterin eben
machen muß, können. Also, was habe ich gemacht? Ich habe
mir ein Kochbuch besorgt, und Oserow hat ihm erzählt, daß
ich im Lager Hilfskoch gewesen sei. Also konnte ich kochen.
Goldberg war Jude, seine Frau war Christin, und sie hatten
zwei Kinder. Er hat mich wirklich aufgenommen und ich war
zwei Monate bei ihm Magd.

Meine Zeit als Magd

Ich habe gekocht, ich habe Wäsche gewaschen, ich habe die
Betten gemacht, ich habe alles gemacht. Und nachdem er ja für
die Versorgung dort zuständig war, haben wir genug zu essen
gehabt. Ich habe Eier und Fleisch und Butter und Milch be¬
kommen. Und ich habe gekocht. Seine Frau hat immer gesagt,
das Essen ist nicht zum Essen. Aber er hat gemeint, zwei Mo¬
nate werde sie es schon aushalten.

Ich erinnere mich an einen Fall, wo ich Ravioli machen
wollte. Ich habe den Teig gemacht, in den Teig habe ich fa¬
schiertes Fleisch gewickelt. Ich habe mich allerdings beim Le¬
sen des Rezeptes geirrt und die Ravioli ins kalte Wasser ge¬
worfen. Die Ravioli waren ein einziger Teigklumpen. Es war
schon % 12 Uhr und die Familie Goldberg kam von der Arbeit,
der Bub war in der Schule, das Mädchen im Kindergarten. Ich
habe den Knödel einfach in kleine Stücke zerschnitten und ser¬
viert. Alle haben gerufen: „Was ist das?“ Habe ich gesagt:
„Das habe ich gelernt. So macht man bei uns Ravioli.“

Um was ist es wirklich gegangen? Es ging darum, daß die¬
ses Haus, das er bewohnte, ständig bewacht sein sollte, auch
wenn er nicht da war. Und ich konnte ja immer da sein. Ich hat¬
te allerdings, als er wiederkam, schon Ausgang. Aber solange
er nicht da war, mußte ich immer da sein. Ich habe in einem
Gartenhaus gewohnt. Diese Halbinsel gehörte zu Sibirien. Ich
glaube, sie war ungefähr 700 bis 900 km vom Nordpol ent¬
fernt. Wir hatten Tage, die finster waren, oder Tage, an denen
Tag und Nacht hell war. Es war ein Teil der Taiga.

Jetzt kam also die Zeit, daß Goldberg seine Frau und seine
Kinder schon nach Moskau bringen konnte. Nach der Abreise
Goldbergs mußte ich mich beim Personalamt melden. Und ich
habe ihnen gesagt, ich bin das Personal von Goldberg und muß
auf das Haus aufpassen. Aber die Behörde hat nur gemeint,
Goldberg habe ihnen das nicht gemeldet, und daher dürfe ich
nicht in dem Haus bleiben. Ich bin dann zu Oserow gegangen
und habe ihm erzählt, daß die Goldbergs mir doch versprochen
hätten, daß ich meinen Posten behalten könne, und jetzt sind
sie weggefahren und haben den Behörden keine Mitteilung ge¬
macht. Oserow ging zu einem Russen, dem Vertreter Gold¬
bergs, Nepriarchim hat er geheissen, und hat zu ihm gesagt:
„Der Goldberg hat dem Kinsbrunner versprochen, ihn aufzu¬
nehmen, und daß er den Posten behalten kann, auch für die
Zeit, in der Goldberg seine Familie zurück nach Rußland