OCR
bringt. Und jetzt ist er weggefahren und hat der Behörde das nicht gemeldet.“ Meine Karriere als Küchenchef Zur selben Zeit wurde eine neue Küche eröffnet. Und die Chefin der Küche war eine gewisse Pagwa, eine Frau mit einem ledigen Kind. Sie war sehr lustig. Sie war hundert Prozent eine Jüdin. Sie hat zwar gesagt, sie sei Georgierin, aber... Und sie hat mich als Lagerhalter aufgenommen. Von der Verwaltung haben sie mich zwar als Arbeiter hingeschickt, aber gearbeitet habe ich als Lagerhalter. Die Küche ist nicht gut gegangen, da es jaschon eine große Küche gegeben hat. Jetzt haben sie noch diese kleine Küche eingerichtet und das war einfach zuviel. Auf dieser Insel wurde Gold abgebaut. Und diese Küchen haben die Arbeiter des Goldabbaues verköstigt. Die kleine Küche wurde leider bald wieder geschlossen. Als neue Arbeit bekam ich den Posten eines Einkäufers. Ich mußte jede zweite Nacht nach Magadan zum Einkaufen fahren. Ich bin also abends so um 21.00 oder 22.00 Uhr mit einem Lastwagen losgefahren. In der Früh war ich dann in der Stadt. In der Nacht dösten wir unterwegs im Auto ein bißchen. In der Früh angekommen, erledigten wir dann alle Einkäufe und fuhren wieder zurück. Die darauffolgende Nacht hatten wir frei. Jede zweite Nacht mußten wir fahren. Im Nachbarort war auch eine kleine Küche, deren Leiter gesoffen hat und oft einfach nicht zur Arbeit erschienen war. Man hat mir dann diese kleine Küche übergeben, und ich habe sie geleitet. Auch nach der Zwangsarbeit habe ich nicht das volle Gehalt eines freien Mannes bekommen. Anfangs hat man im Lager nur für das Essen gearbeitet. Bei Goldberg habe ich auch umsonst gearbeitet, nur für Essen und Wohnen. Dann führte ich die kleine Küche, die aber dann wieder geschlossen wurde. Zum Glück wollte zu diesem Zeitpunkt der Lagerhalter der großen Küche endlich einmal Urlaub nehmen, da er schon fünf Jahre ununterbrochen gearbeitet hatte. Und da habe ich seine Stellvertretung übernommen. Später habe ich dann das Restaurant geleitet und, nachdem der alte Küchenchef weg war, die ganze Küche. Wie mich meine Frau wiederfand Nach dem Absitzen meiner Strafe im Jahre 1955 habe ich noch fünf Jahre als Deportierter dort verbracht. Ich war nur eine Nummer ohne Namen. Meine Mutter und meine Frau haben mich durch das Rote Kreuz gesucht. Aber da sie meine Nummer nicht kannten, konnten sie mich auch nicht finden. Erst als ich wieder meinen Paß bekommen hatte, fand mich meine Frau. Da hatte ich auch wieder meinen Namen, und daher hat sie mich durch das Rote Kreuz ausfindig machen können. Das war im Jahre 1959. Ich war damals russischer Staatsbürger. Und nachdem ich ja 20 Jahre keinen Urlaub gehabt hatte, bekam ich nun auch Urlaub und fuhr nach Czernowitz. Das war 1961. Meine Frau wollte, daß ich nach Wien komme. Aber ich wollte nicht. Nach 20 Jahren Aufenthalt in einer Lagerwelt wollte ich nicht gleich in eine Großstadt. Man muß sich vorstellen, daß in den Lagern, in denen ich interniert war, wüste Verhältnisse herrschten. Hier waren Verbrecher und politische Gefangene untergebracht. Ich habe zwar in einer anderen Zelle 65