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rechtgläubig, also sind die anderen falsch¬
gläubig. Die Kroaten sind Katholiken, also
sind die anderen Protestanten. Wenn ich bei
dieser Logik bleibe, heißt das, daß der Krieg
wegen unterschiedlicher Glaubensbe¬
kenntnisse geführt wird. Das heißt von
Gläubigen. Gegen wen? Gegen Ungläubige.
Ich komme durcheinander. ... Ich glaube, ich
bin nicht imstande, einem ausländischen
Durchschnittsleser zu erklären, warum hier
geschossen wird.”

Maria Wölflingseder

Aleksandar Hemon: Die Sache mit Bruno.
Erzählungen. Aus dem Amerikanischen von
Hans Hermann. München: Albrecht Knaus
Verlag 2000. 285 S. DM 38,—

Nenad Velickovic: Logiergäste. Roman. Aus
dem Bosnischen iibersetzt von Barbara
Antkowiak. Berlin: Verlag Volk und Welt 1997.
250 S. DM 32,¬

Von ,dunklen Winkeln’ der
Geschichte - Kreml¬
Geheimnisse

Österreich blickt auf eine farbenfrohe
Geschichte zurück, die imperiale Größe der
Habsburger, Freud, Mozart, Schubert, Strauß
und daneben der Postkartenmaler Adolf H.

Welche Enthüllungen erwarten Sie, wenn
von „gewisse Geheimnissen”, die auf Nach¬
forschungen und Akten sowie auf mündli¬
chen Mitteilungen von Personen beruhen, die
u.a. Zugang zu den Archiven des KGB hat¬
ten. Ein (fiktiver) Autor versucht mit seinen
Fakten und Schlußfolgerungen einen kriti¬
schen Opponenten zu überzeugen. Im Mittel¬
punkt der Geschichte stehen die großen
konkurrierenden Führer Hitler und Stalin, die
über ihre Geheimdienste übereinander be¬
stens informiert scheinen. Und beide zeich¬
net das Unmaß ihrer „Verantwortung” aus:
der aus dem katholischen Österreich stam¬
mende Hitler hat diese „gegenüber den
Menschen und Gott” angenommen, während
Stalin dem Göttlichen gegenüber eine reser¬
vierte Haltung bezog —, aber er war belesen,
kannte die Schriften der Propheten und stell¬
te humoristische Vergleiche an: „Jesus war
ein Narbengesicht wie ich”, daran erinnerte
sich noch 1990 der 90jährige Lasar
Kaganowitsch (ein enger Mitarbeiter Stalins,
der 1961 aus der KPdSU ausgeschlossen
worden war). Beide Diktatoren träumten von
übermenschlicher Macht und taten das
Menschenmögliche dafür. Der „gläubige”
Hitler war überzeugt von der Koexistenz von
Wesen in anderen Dimensionen, die er mit
Hilfe von Hellsehern und der Magie tibeta¬
nischer Mönche für sein Projekt der
Reanimation von Toten nutzen wollte. Diese

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völlig manipulierten Killer-Zombies wären
eine unschlagbare und unerschöpfliche Waffe
gegen den Feind gewesen. Der realistischere
Stalin schuf dagegen eine eigene Abteilung
des NKDW mit dem Auftrag, wissenschaftli¬
che Ergebnisse zu liefern, wie der „Magier¬
glaube” gegen den Feind eingesetzt werden
könnte.

Der Stoff der guten Satire ist nicht erfunden.
Man findet ihn als disparates Material in der
Geschichte angehäuft und als Bestandteil im
Bewußtseins von Zeitgenossen. In einem

laevskij die Neugier und Anteilnahme am
Leben der beiden Usurpatoren und an den
Netzwerken ihrer Macht: Gelüftet'werden die
Geheimnisse um Hitlers und Eva Brauns Tod;
verschiedene Doppelgänger von Hitler, Stalin
und Lenin erhalten ihre wahre Identität; die
Spuren von durch Hitler ferngesteuerten
„Killer-Zombies” werden sichergestellt;
Hitlers Geschlecht und seine sexuellen
Praktiken geklärt; Stalins spezielle Kennt¬
nisse um Napoleons Tod sind nun auch der
Allgemeinheit zugänglich ...
Mit einer ungeheuren stofflichen Dichte stei¬
gert sich die satirische Entkleidung der
„Banalität des Bösen” von Episode zu
Episode bis an den Rand des Absurden.
Er sei ein ehrgeiziger Mensch, bekennt der
(fiktive) Autor und wollte einen Bestseller
schreiben. Worauf der Opponent erleichtert
feststellt: „Und man braucht sich nicht den
Kopf zu zerbrechen, was falsch und was wahr
ist.” Dieser bequemen Haltung widerspricht
aber der Autor: „Ich möchte hier nicht die
Geschichte in einem falschen Licht darstel¬
len, sondern nur ihre dunklen Ecken aus¬
leuchten ... Die Menschen müssen bei vollem
Licht leben.”

Siglinde Bolbecher

Valerij Nikolaevskij: Kremlgeheimnisse. Aus
den Archiven des KGB. Wien: Locker 2000.
261 S. (Mit ausfiihrlichem Personenregister).
OS 298,-/DM 41,-/SFr 38,¬

Buchzugänge

Zdenka Becker: Good-bye, Galina. Erzählun¬
gen. Linz, Wien: Resistenz Verlag 2001. 173
S. ÖS 198,¬

Spurensuche Czernowitz und die Bukowina
einst und jetzt. Katalog der Ausstellung auf
der Schallaburg, 3. Juni bis 29. Oktober
2000, 168 S. Veranstalter: Land Niederöster¬
reich und Traditionsverband „Katholische
Czernowitzer Pennäler”. ÖS 140,¬

Der reich illustrierte Katalog ist vor allem
ein Dokument der Nostalgie. Er enthält nur
wenige, kurze und zum Teil schlecht ge¬
schriebene inhaltliche Artikel. Wie wenig
Ilona Slawinski mit der Geschichte der Juden

in der Bukowina vertraut ist, geht daraus
hervor, daß deren großer geistiger Führer
Mayer Ebner in ihrem Beitrag „Persönlich¬
keiten, die in der Bukowina wirkten” mit kei¬
nem Wort genannt wird. Ausführlich
gewürdigt werden die verschiedensten natio¬
nalen Studentenverbindungen, aber einen
Antisemitismus hat es laut diesem Buch nicht
gegeben und die späteren Ereignisse, die zur
Zerstörung des historischen Czernowitz
führten, werden nicht erwähnt. Lesenswert
sind die Beiträge von Bernhard Stillfried
über die Zusammenarbeit zwischen Öster¬
reich und der Bukowina seit 1990 und von
Karl Anderwald über die Dimensionen der
Regionalpartnerschaft Kärntens mit der
Bukowina. E.A.

Constanze Jaiser: Poetische Zeugnisse.
Gedichte aus dem Frauen-Konzentrations¬
lager Ravensbrück 1939 — 1945. Stuttgart,
Weimar: Verlag J.B. Metzler 2000. 430 S.
ÖS 475,-/DM 65,-/SFr 59,¬

Ruth Klüger: Dichter und Historiker: Fakten
und Fiktionen. Wien: Picus Verlag 2000. 53
S. ÖS 108,-/DM 14,80/SFr 14,30 (Wiener
Vorlesungen, hg. von Hubert Christian Ehalt.
Band 73).

Ilana Shmueli: Sag, daß Jerusalem ist. Über
Paul Celan: Oktober 1969 — April 1970.
Eggingen: Edition Isele 2000. 96 S.

A.J. Storfer: Wörter und ihre Schicksale. Mit
Vorworten von Alfred Polgar und Joachim F.
Danckwart. Berlin: Verlag Vorwerk 8 2000.
384 S.

Derselbe: Im Dickicht der Sprache. Berlin:
Verlag Vorwerk 8 2000. 303 S. Beide Bücher
zusammen im offenen Pappschuber DM
98,-/SFr 89,-/ÖS 715,

Zazie Wurr (Hg.): Newo Ziro — Neue Zeit?
Wider die Tsiganomanie. Ein Sinti- und
Roma-Kulturlesebuch. Kiel: agimos verlag
2000. 168 S., zahlreiche Abb., mit beigeleg¬
ter Musik-CD. ÖS 180,-/DM 24,90/SFr
23,¬

Zeitschriften

Mnemosyne. ZEIT-Schrift fiir jiidische Kul¬
tur. Heft Nr. 26: Paul Miihsam. Klagenfurt:
Alekto Verlag 2000. 247 S. ÖS 120,- (bei
Versand ins Ausland 6S 150,-).