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Schön sind Blatt und Beer

und zu sagen wär

von der Kindheit viel und viel vom Wind;
doch ich bin nicht hier,

und was spricht aus mir

steht für die die ohne Stimme sind.

Wir hatten im Vorstand der Grazer Autorenversammlung
(GAV) beschlossen, ein Zeichen zu setzen und einen Literatur¬
preis ins Leben zu rufen, Heidi Pataki schlug den Namen
Theodor Kramer für den zu schaffenden Preis vor. Dann stell¬
te sich heraus, daß die Stiftung solch eines Preises von der
Theodor Kramer Gesellschaft längst beschlossen war. Wir ei¬
nigten uns auf Zusammenarbeit. Die Präsidentin der Grazer
Autorenversammlung, Heidi Pataki, ist beruflich verhindert,
und so überbringe ich in ihrer und in Vertretung des Vorstands
die Grüße der GAV an die Stifter des Preises, an die Jury, an
die erste Preisträgerin, Stella Rotenberg.

Ich möchte von Theodor Kramer sprechen. Von seiner Trau¬
rigkeit, die die Traurigkeit aller ins Exil Getriebenen ist. Die
vorweggenommene Traurigkeit lange vor dem Exil. Die nach¬
wirkende Traurigkeit derer, die wir sein Schicksal nicht, aber
seine Traurigkeit teilen. Daß wir keinen Trost haben, daß es
kein Ende der Traurigkeit gibt. Höchstens Verzweiflung,
Freund des Armen,/ du letzter Rest vom Rest,/ du hast mit ihm
Erbarmen,/ wenn alles ihn verläßt ... (Lob der Verzweiflung).

Theodor Kramer ist ein Lyriker des aufmerksamen Sehens
und Voraussehens. Er sieht das Sterben der Dinge und Men¬
schen, er sieht genau zu, wie ein Naturwissenschaftler (der sein
Vater als Arzt war), und wie ein diesem Sterben trostspenden¬
wollender Heiliger. Aber sein Trost ist nicht von dieser Welt.
Sein Trost ist die Welt des Singens und Sagens. Denn die
Sprache der Lyrik Theodor Kramers ist so tief in der Zeit ge¬
setzt, wie Gneis und Glimmer in der Landschaft, sein Ton
reicht so weit zurück, als es Lieder in der deutschen Sprache
gibt. Die Sprache ist sein Leben. Es sehen und davon singen
und sagen, damit es aufgehoben ist. Man kann nichts tun, aber
man darf es nicht übersehen.

Er sieht die sterbende Welt der auslaufenden österreichi¬
schen Agrargesellschaft, er bedauert ihre ausgebeuteten Rand¬
figuren und seine Proletarier kommen aus ihr und sind mit
dieser zum Untergang verurteilt. Ein Gedicht wie Alte Arbeiter
aus der Unteren Schenke ist, wie die Beschreibung der ande¬
ren Protagonisten seines Werkes, ein Stich, ein Aquarell, Mo¬
mentaufnahme eines Wesens oder einer Erscheinung vor dem
Vergehen, der Bericht des Entdeckers einer untergehenden
Welt. Die Einsamkeit der Überlebenden nach der Zeit der
Verfolgung, die rohe Verständnislosigkeit der Umwelt nach
1945 schmerzt am Schicksal des Dichters Theodor Kramer be¬
sonders tief. Sein Frühwerk nimmt diese Einsamkeit vorweg,
unumkehrbar macht sie sein Spätwerk. Was der Schmerz ist,
was die Hilflosigkeit ist, unsere Hilflosigkeit, Theodor Kramer
sagt es uns. Was die Sprache für die durch Vertreibung Heimat¬
losen ist, sagt uns die Dichterin Stella Rotenberg in dem
Gedicht Die Heimat:

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Marie-Therese Kerschbaumer. Foto: Nina Jakl

Erwin Pröll

Grußbotschaft zur Verleihung
des Theodor Kramer Preises

Die Zeit des Dritten Reichs wird nicht Vergangenheit werden, so¬
lange nicht alle Untaten bekannt und aufgearbeitet sind, solange
Unrecht noch immer nicht gesühnt und Wiedergutmachung noch
immer nicht erfolgt ist. Durch seine bereits beschlossenen Zah¬
lungen an Zwangs- und Fremdarbeiter hat hier Österreich einen
vorbildlichen und weltweit anerkannten Schritt gesetzt. Viel zu
wenig gewürdigt wurden in der Nachkriegsgeschichte jene, die
meist als persönlich Betroffene aus dem Exil ihre warnende,
mahnende Stimme erhoben haben — die mit der Macht des
Wortes engagiert gegen ein totalitäres Regime angekämpft haben.
Es ist für mich als Landeshauptmann eine Genugtuung, daß un¬
sere Zeit diese mutigen Menschen heute ehrt und ihnen ihren
wahren geschichtlichen Stellenwert einräumt. Zu diesen Helden
des Widerstandes gehört auch Stella Rotenberg, der heute, hier im
Haus der jüdischen Organisation ESRA der „Theodor Kramer
Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil“ verliehen wird.
Mir ist es ein persönliches Anliegen, der großartigen Autorin mei¬
ne persönliche Bewunderung auszusprechen und ihr zur
Verleihung des Preises herzlich zu gratulieren. Schon heute lade
ich die Theodor Kramer Gesellschaft ein, die Preisverleihung im
Jahr 2002 in Niederösterreich durchzuführen.

St. Pölten, 23. 4. 2001

Dr. Erwin Pröll ist Landeshauptmann von Niederösterreich.