Verfolgung zu schützen. Seine Zugehörigkeit zur Widerstands¬
bewegung gab schließlich Anlaß für seine Verhaftung im April
1945, nachdem die Bewegung mit Aktionen verstärkt an die
Öffentlichkeit trat und in einer Reihe von Razzien viele ihrer
Mitglieder verhaftet wurden. Friedrich Punt wurde nach
schweren Mißhandlungen beim Verhör im Gestapogebäude in
der Innsbrucker Herrengasse ins Lager Reichenau deportiert,
wo er hingerichtet werden sollte. Durch Einsatz seiner Ehefrau
Anny Punt, die sich mit Mitgliedern der Widerstandbewegung
in Verbindung setzte, gelang es auf abenteuerliche Weise,
Friedrich Punt aus dem Lager zu ‚entführen’: Bei der Wider¬
standsgruppe um Anton Haller in Hall hatte zuvor der SS¬
Angehörige Jakob Strickner aus Vinaders bei Gries,
nachmaliger Bürgermeister von Gries am Brenner, angesichts
des bevorstehenden Zusammenbruchs seine Mitarbeit am
Widerstand angeboten, die man zunächst abgelehnt hatte. Nun
bekam er die Gelegenheit, seinen Gesinnungswandel zu be¬
weisen. Strickner besorgte sich ein Heeresmotorrad und fuhr in
voller Uniform in das Lager Reichenau und holte Punt zur ver¬
meintlichen Hinrichtung am sogenannten „Peterlongo¬
Schießstand“ ab, versteckte ihn jedoch im Obernbergtal.
Während seiner Zeit im Wehrmeldeamt begann Punt Ge¬
dichte gegen den Krieg zu schreiben:
„Der stets steigende Druck des immer bösartiger werden¬
den Nationalsozialismus trieb mich zu weiterer Produktion.
So entstand der ‚Zeit-Genosse’ als poetischer Reflex einer
kaum vorstellbaren Wirklichkeit. Bis zum Sommer 1943 ent¬
standen etwa 120 dieser politischen Gedichte. Ich las sie im
vertrauten Kreise vor. Als Soldaten meiner Dienst-Stelle aus
politischen Gründen verhaftet wurden, versteckte ich meine
Arbeit.‘
Dieser Sammlung wird Punt später den Titel Zuflucht im
Wortgehäuse geben. Zur selben Zeit entstanden auch seine
Übertragungen aus der Lutherbibel Gedichte aus der Bibel, so¬
wie eine Reihe von Naturgedichten, die die Atmosphäre der
Zeit in verschlüsselter Form vermitteln. Punts Gedichte gegen
den Nationalsozialismus sind hingegen offen radikal. Aus ih¬
nen spricht Zorn und Abscheu. Ihre Veröffentlichung hätte da¬
mals den Einsatz des Lebens gefordert. Friedrich Punt hat sie
trotzdem im engsten Freundeskreis verteilt und vorgelesen. Es
sind Hohngedichte auf die Politik des Nationalsozialismus, auf
die Phrasen der faschistischen Ideologie, auf Führerkult und
Massenhysterie.
Auf und nieder! Auf und nieder!
immer wieder, immer wieder
schmeiß du Hund die morschen Glieder,
rechts und links und marsch und halt!
zwischendrein Soldatenlieder,
für das Volk, für jung und alt;
auf und ab und hin und her,
bis du eins mit dem Gewehr,
endlich nimmst du Haltung an:
Mensch, gemacht zum Hampelmann.
Sie gleichen augenblicklich hingeschriebenen Tageskommenta¬
ren und sind der polemischen Glosse, mitunter als Kür¬
zestkommentare auch dem Aphorismus und dem Epigramm
verwandt. In diesen Gedichten entlädt sich nicht nur Punts
Verachtung gegenüber dem Nationalsozialismus, es spricht aus
ihnen vielmehr sein prinzipieller ethischer Standpunkt, der je¬
des Phänomen der Vermassung und Entmündigung des Einzel¬
nen durch politische, religiöse wie auch weltanschauliche
Systeme anprangert. Unweigerlich bedingt dieser Standpunkt
auch eine Kritik an jeder Indienstnahme religiöser, philosophi¬
scher und literarischer Kraft. Dieser Zug ins Grundsätzliche ei¬
nes ethischen Standpunktes ist aufs Engste mit dem Denken
Carl Dallagos verwandt.
[...]
Sei dagegen, wenn sie alle wollen,
daß die Schicksalsräder eisern rollen.
Wenn die großen Worte feurig fallen,
rede nicht den Vielen zu Gefallen;
denn was alle wollen ist das Schlechte,
[.::]
Friedrich Punt, der als Lyriker sich am frühen Brenner orien¬
tierte, darin 1925 ein längeres Gedicht mit dem Titel
„Betrachtung“ publizierte, entwickelte sein Lyrikwerk der
zwanziger und dreißiger Jahre an den klassisch-abendländi¬
schen Iyrischen Traditionen von Goethe, Hölderlin, und nicht
zuletzt Trakl. In krassem Gegensatz dazu steht die bewußt
schlicht gehaltene, nahezu ‚kunstlose’ Diktion der Anti-NS¬
Gedichte, ihr volksliedhafter Ton und ihre schlagwortartige
Lakonie. Dies ist Ausdruck einer sprachethischen Position, die
dem Autor wie von selbst verbietet, angesichts der Barbarei im
„Schlachthaus des Krieges“ einem artifiziellen lyrischen
Duktus zu folgen. Der Autor ist darin Karl Kraus verpflichtet,
wenn es um nichts weniger ging, als das literarische Medium
auf das bewußte Entlarven des ‚Umfälschens’ der Wirklichkeit
durch die Phrasen der Politik, der Presse und der Propaganda
hin anzulegen. Viele dieser Gedichte sind bissige Spott¬
gedichte, die die Scheinideale und hohlen Phrasen der NS¬
Ideologie entlarven.
Herr Hitler rief, Deutschland erwache,
nun ist der Deutsche aufgeweckt,
die Hand ist steil zum Gruß gereckt,
noch rasch ein wenig Blut geleckt,
das reißende Gebiß gebleckt,
damit der Plutokrat verreckt;
und nun zur eigentlichen Sache!
im Osten droht der rote Drache;
erst mit dem Hakenkreuz geneckt,
trifft ihn des deutschen Schwertes Rache.
Aus solchen Träumen heroischer Mache,
Deutschland erwache
Die Texte der Sammlung Zuflucht im Wortgehäuse sprengen
den Rahmen dessen, was noch als Ausdruck einer „inneren
Emigration“ gelesen werden kann. Das Entscheidende in diesen
Gedichten passierte in der Form, der literarische Widerstand
zeigt sich nachhaltig in der sprachlichen Gestaltung des „Wort¬
gehauses“, in der das Ethische zwingend vor dem Ästhetischen
kommt. Punt hat später die Texte des Widerstands folgender¬
maßen kommentiert: „Nie war ich ein Mensch der Politik, ich
habe Scheu vor der Öffentlichkeit. Gern lebe ich einsam, frei
und unbelästigt von Lob und Tadel. Wenn mich ein Wunsch
nach Veröffentlichung des „Zeitgenossen“ anwandelt, so des¬