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schildern, unsere antifaschistischen Helden in Deutschland, die spanischen Bürgerkriegshelden, die österreichischen Barrikadenkämpfer, die Soldaten des chinesischen Volksheeres, und viele andere vorbildliche Menschen, an denen unsere Bewegung reich ist. Unsere Jugend mit Geschehnissen und Personen der Gegenwart und Geschichte bekanntzumachen, aber auch über vieles andere, was junge Menschen interessiert, wie Pflanzen und Tiere, Technik, Physik oder Chemie, Abenteuer und Erfindungen, in Büchern zu berichten, das sind große und brennende Aufgaben. Dabei müßte unsere Kinder- und Jugendliteratur die guten, von uns zu übernehmenden Eigenschaften der bereits vorhandenen Literatur enthalten, jedoch ohne Zugeständnis an ihre Ideologie. “” Weddings Forderung impliziert weiters einen Kompromiß, der es ermöglichen sollte, daß antifaschistische Kinderliteratur nicht nur ‚proletarische’ Kinder erreiche, sondern auch all jene, die der sozialistischen „Ideenwelt noch fernstehen.“”* Deshalb durften diese Texte „nicht auf den ersten Blick als sozialistische Kinderbücher erkennbar“ sein. Diese Diskussion sollte für die sozialistisch orientierten Kinder- und Jugendbuchautoren im Exil richtungsweisend für ihr Schreiben werden. Auch in Paris, dem Aufenthaltsort Ruth Rewalds, gab es eine reichhaltige Auseinandersetzung mit der Frage nach der Rolle und den Aufgaben des Schriftstellers im Exil. Als das wahrscheinlich wichtigste Ereignis ist der Erste Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur vom 21. bis zum 25. Juni 1935 zu betrachten. Ruth Rewald nahm an diesem Kongress teil, an dem allerdings keine mit der von Wedding iniziierten vergleichbare Debatte um die Kinder- und Jugendliteratur zustande kam. Ernst Loewy bemerkt dazu: „Die Bemühungen um das Selbstverständnis waren von Anbeginn an von einer theoretischen Diskussion begleitet, einer Diskussion, die von der Frage nach dem Sinn der Exilliteratur ausgeht.‘ Die Produzenten von Kinder- und Jugendliteratur waren mit ihren spezifischen Schaffensproblemen jedoch weitgehend auf sich allein gestellt. Diskussionen um das Kinderund Jugendbuch blieben während der ganzen Zeit des Exils Marsinalien.” Geprägt war das Schreiben im Exil von der ‚Entwurzelung’ der Autoren und deren existentiellen Problemen. Lion Feuchtwanger beschreibt die problematische Situation der Exilschriftsteller so: Das Exil ist kein zufälliger Nebenumstand, es ist die Quelle dieser Werke. Nicht die Stoffe dieser Dichter haben sich verändert durch ihre Verbannung, sondern ihr Wesen. |...] Die äußere Landschaft verändert seine innere. Manche unter uns sind so von innen her gebunden an die Inhalte und Formen ihrer Heimat, daß sie davon nicht loskommen und sich nach Kräften sträuben gegen ihre Umwelt. [...] Denn wenn das Exil zerreibt, wenn es klein und elend macht, so härtet es auch und macht groß. Es strömt dem Schriftsteller im Exil eine ungeheure Fülle neuen Stoffes und neuer Ideen zu, er ist einer Fülle von Gesichtern gegenübergestellt, die ihm in der Heimat nie begegnet wären.“ Für die Kinder und Jugendlichen im Exil war das Lesen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Lebensbewältigung unter erschwerten Bedingungen und hatte für viele ‚identitätsbewahrenden’ Stellenwert in der fremden Umgebung. Bücher boten Trost, Unterhaltung und die Möglichkeit, sich für kurze Zeit in eine Phantasiewelt zu flüchten.” Neben der Vermittlung der vertrauten Sprache fungierten Texte wie Janko, die ein Leben in der Fremde thematisieren, als Hilfen für die Kinder, ihr eigenes Schicksal besser begreifen zu können. 38 Anmerkungen 1 Franz Carl Weiskopf: Unter fremden Himmeln. Ein Abriß der deutschen Literatur im Exil 1933 bis 1947. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1982, 124. 2 Vgl. Ursula Seeber: Berufsbild: Kinderbuchautor im Exil. Lebensbedingungen, Arbeitsmöglichkeiten, Verlagsgeschichten. In: Kleine Verfolgte. Little Allies. Vertriebene österreichische Kinder- und Jugendliteratur. Ausstellungskatalog zu einer Ausstellung im Literaturhaus Wien, Februar 1998. Wien: Picus 1998, 43-48. Hier 43. 3 Vgl. Renate Wall: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933 bis 1945. 2 Bde. Freiburg: Kore 1995, 8. 4 F.C. Weiskopf, wie Anm. 1, 134. 5 Postkarte von Ruth Rewald an Hans Schaul. Zitiert nach: Dirk Krüger: Die deutsch-jüdische Kinder- und Jugendbuchautorin Ruth Rewald und die Kinder- und Jugendliteratur im Exil. Dissertation, Wuppertal 1989, 270. 6 Vgl. Dirk Krüger: Wider das Vergessen. Erinnerungen an die deutsch-jüdische Kinder- und Jugendbuchautorin Ruth Rewald. In: Menora 2. Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte. Hg. von Julius H. Schoeps. München 1991, 271. 7 Vgl. D. Krüger, wie Anm. 6, 276. 8 Vel. D. Kriiger, wie Anm. 5, 89f. 9 „Zeitschrift des Schweizer Verbandes des Personals öffentlicher Dienste“. 10 Vgl. Ludger Heid: Ruth Gustave Rewald. Kinder- und Jugendbuchautorin. In: Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. von Jutta Dick und Marina Sassenberg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1993, 313-315. Hier 314. 11 Vgl. Krüger, wie Anm. 6, 292f. 12 Vgl. ebenda, 280. 13 Vgl. Heinrich Mann. In: Die neue Weltbühne, H. 50 (1933), 15571562. 14 Vgl. D. Krüger, wie Anm. 5, 113. 15 Vgl. ebenda, 114. 16 Vgl. Dirk Krüger: „Vater, du mußt mir zuerst was erklären. Was bedeutet staatenlos? Wie kommt es, daß jemand staatenlos ist?“ Kinderund Jugendliteratur im Exil — Erinnerungen an die deutsch-jüdische Autorin Ruth Rewald. In: Frauen und Exil: Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung. Hg. von Claus-Dieter Krohn. München: Edition Text + Kritik 1993 (= Exilforschung. 11), 171-188. Hier 178. 17 Ruth Rewald: Janko. Der Junge aus Mexiko. Strassbourg: Sebastian Brant-Verlag 1934, 68. (Wird in Folge mit Janko abgekürzt). 18 Das Neue Tage-Buch, 19. Januar 1935, 71. 19 Vgl. D. Krüger, wie Anm. 5, 99. 20 Anna Maria Jokl: Essenzen. Frankfurt/M.: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 1997, 104. 21 Karin Reinfrank-Clark (Hg.): Ach, Sie schreiben deutsch? Biographien deutschsprachiger Schriftsteller des Auslands-PEN. Gerlingen 1986. 22 Anna Maria Jokl: Vorwort zu: Die Perlmutterfarbe. Ein Kinderroman für fast alle Leute. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1995, 7. (Erstausgabe: Berlin: Dietz 1948. — Wird in Folge mit Perlmutterfarbe abgekürzt). 23 Shavit/Ewers, 545. 24 Perlmutterfarbe, 279. 25 Shavit/Ewers, 545. 26 A. M. Jokl. In: Vorwort zu Perlmutterfarbe, 10. 27 Alex Wedding: Kinderliteratur. In: Das Wort (Moskau) 1937, 50-54. 28 Ebenda, 52. 29 Ernst Loewy (Hg.): Exil. Literarische und politische Texte aus dem deutschen Exil 1933-1945. Frankfurt/M. 1982, 472. 30 D. Krüger, wie Anm. 5, 289. 31 Lion Feuchtwanger: Arbeitsprobleme des Schriftstellers im Exil. In: Freies Deutschland, Jg. 3 (1943) H. 4, 27-28. Zitiert nach E. Loewy, wie Anm. 31, 676-680. 32 Vgl. Edith Blaschitz: „Was aus mir wird, bleibt unbekannt.“ Kinderleben im Exil. In: Kleine Verbündete. Little Allies. Wien 1998, 19-29. Hier 22.