Obiora - ein echter
Österreicher
Biafra ist Geschichte, Obiora Ofoedu hinge¬
gen österreichische Realität. Obiora kennen
die wenigsten. Herr Ofoedu sagt schon eini¬
gen etwas, wenn Charles hinzugefügt wird,
zeigen sich schon mehrere orientiert. Der
Name Charles O. scheint jedoch den meisten
in Österreich geläufig zu sein. Die Neue
Kronen Zeitung sorgte für einen hohen
Bekanntheitsgrad.
Der Umgang mit Namen sagt auch einiges
über den Umgang mit Identitäten aus. Obiora
ist in seiner Heimatsprache Igbo der Vorname
von Obiora Charles Ikelie Ofoedu, Ikelie ein
weiterer zur Unterscheidung. Der Einfachheit
halber verwendet er das Kürzel C-Ik für
Charles Ikelie in seinen Veröffentlichungen.
Igbo wird in Afrika von ca. 18 Millionen
Menschen gesprochen und ist in Nigeria die
Sprache einer der großen Bevölkerungsgrup¬
pen. Um die Unterschiede zwischen den afri¬
kanischen Landessprachen in Nigeria auszu¬
gleichen, erklärte der Staat Englisch zur Na¬
tionalsprache. Damit wird auch die Tradition
der ehemaligen Kolonialmacht gewahrt. Wie
alle andern Nigerianer führt Obiora auch ei¬
nen englischen Vornamen, eben Charles. Der
Familienname Ofoedu bereitet wie der Name
Omofuma hingegen memnotechnische
Schwierigkeiten, daher läßt er sich auch in
der Abkürzung unterscheiden, und Marcus O.
ist von Charles O. verschieden. — Nicht nur
von ihm, sondern von allen Lebenden auch.
Der Geburtsort von Obiora Ofoedu, Igwe
Ocha (= Port Harcourt), liegt heute in Nigeria.
1960 gehörte er noch zu Biafra. Auch wenn er
im Staat Nigeria eine Ausbildung genossen
hat, dort journalistisch tätig war, konnte
Nigeria nie zu Obioras voller Heimat werden.
Ein Unbehagen bleibt dem Eingemeindeten
erhalten, nicht aus einem anachronistischen
exbiafranischen Nationalismus heraus, son¬
dern weil dem biafranischen Bevölkerungs¬
anteil noch immer nicht die gleiche
Anerkennung zuteil wurde wie dem alteinge¬
sessenen. Schließlich ist auch den gegenwär¬
tigen Behörden erinnerlich, daß Biafra bis auf
den letzten Mann verteidigt wurde. Obiora
war auch unter den Männern, mit acht Jahren.
Neun Jahre konnte Obiora Ofoedu in Öster¬
reich relativ unbehelligt studieren und seiner
schriftstellerischen Begabung nachgehen. Der
Gedichtband „The Mind’s Eye“ war gerade
erschienen, als er wenige Tage nach Marcus
Omofumas Tötung zusammen mit mehreren
Nigerianern verhaftet wurde. Er wurde ver¬
dächtigt, der Boß des größten Drogen¬
syndikats Europas zu sein und seinen
untergeordneten Dealern freigegeben zu ha¬
ben, damit diese gegen den Tod von
Omofuma demonstrieren könnten. Die
Aktion ist hinlänglich als „Operation Spring“
bekannt und diente noch im vergangenen Jahr
2001 als gelungenes Exempel für die Lausch¬
und Rasterfahndung, um die zeitliche Be¬
fristung der entsprechenden Gesetze aufzu¬
heben und den Überwachungsstaat langfristig
zu installieren.
Tatsächlich handelte es sich bei dieser Mas¬
senverhaftung um eine Medienjustiz, die der
Rechtsbeugung durch den Staat behilflich
war. Die Medien berichteten über den großen
Drogenskandal, ein berühmter Landeshaupt¬
mann sprach von Belegen für Drogendelikte
Omofumas und schon war die kritische
Mehrheit in diesem Land beruhigt, das
Unrechtsbewußtsein über Omofumas Tod er¬
wies sich als verwaltbar. Zumal Wahlen vor
der Tür standen.
Nichts dergleichen konnte Ofoedu nachge¬
wiesen werden. Durch die frisch eingesetzte
AZ-Regelung (anonyme Zeugen) war es
leicht, Ofoedu zu belasten. Übersetzungsfeh¬
ler aus dem Igbo kamen im Prozeß nicht ein¬
mal zur Sprache. Der Fülle an Vorwürfen bei
der Verhaftung steht ein kleines Segment in
der Urteilsbegründung entgegen: Geldwä¬
sche. Ofoedu soll für seine Landsleute
Geldbeträge überwiesen haben, die aus
Drogengeldern stammen. Die vom Gericht at¬
testierte falsch verstandene Kameraderie, aus
der diese Überweisungen erfolgten, ergab
sich aus Ofoedus praktischem Wissen über
die günstigsten Bankverbindungen nach
Afrika. Allerdings wurde niemand aus dem
Personenkreis, für den Ofoedu Überweisun¬
gen tätigte, wegen Narkotica-Handels verur¬
teilt. Außerdem hatte der zu zehn Monaten
bedingter Haft Verurteilte die Überweisungen
schon Monate vor seiner Verhaftung einge¬
stellt. Das Urteil läßt sich auch so deuten, daß
der Rechtsstaat einerseits keinen Irrtum ein¬
gestehen wollte und andrerseits die ursprüng¬
lichen Vorwürfe neutralisierte.
Eine Berufung gegen das Urteil wäre durch¬
aus geeignet gewesen, auch die Staatsanwalt¬
schaft zu einer Berufung zu veranlassen. Da
ein Urteil für Strafen von einem Jahr eine un¬
bedingte Abschiebung zu Folge gehabt hätte
und die Staatsanwaltschaft unter Umständen
erfolgreich berufen hätte, sah Ofoedu von ei¬
ner Berufung ab.
In der Hoffnung, die Behörden nicht zu pro¬
vozieren, reduzierte Ofoedu seine öffentli¬
chen Auftritte auf ein notwendiges Minimum.
Dennoch machten die Behörden von der
Möglichkeit Gebrauch, Ofoedu die Aufent¬
haltserlaubnis zu entziehen. Die Maßnahme
wurde mit öffentlichem Interesse begründet.
Das zehnjährige Aufenthaltsverbot erstreckt
sich auf alle Schengen-Staaten und würde be¬
deuten, daß auch nach seinem Ablauf die
Genehmigung einer Einreise in ein europäi¬
sches Land kaum wahrscheinlich wäre.
Ofoedus Verlage befinden sich jedoch in den
USA und in Europa. Seine schriftstellerische
Existenz wäre damit zerstört. Der Bescheid
der Fremdenpolizei ignorierte nicht nur die¬
sen Aspekt, sondern verhöhnte Ofoedus
Arbeiten sogar.
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Pressekonferenz vom 14. 11. 2001
Foto: CyberWeiber
Nicht so der österreichische PE.N.-Club. Im
November 2001 wurde Ofuedo ordentliches
Mitglied. Er ist der erste Afrikaner, dem die¬
se Anerkennung zuteil wurde.
Müßte Ofoedu jedoch nach Nigeria zurück¬
kehren, würde ihm das Schicksal eines er¬
wachsen gewordenen Kindersoldaten drohen,
der gelernt hat, für die Menschenrechte zu ar¬
beiten — denn Biafra ist Gegenwart.
Seine in Österreich erhältlichen aktuellen
Buchpublikationen und sonstigen in Öster¬
reich zum Tragen gekommenen literarischen
Tätigkeiten sind:
— der Roman Morgengrauen, in dem er seine
Erfahrungen mit der österreichischen Justiz
vorurteilslos und von einem unbeirrbaren pa¬
zifistischen Standpunkt aus festhält;
— der Gedichtband The Mind’s Eye (Geist¬
auge), in dem er sowohl seine Eindrücke, die
er als Afrikaner in Österreich erworben hat,
thematisiert, als auch — noch wichtiger — auf
Rhythmen, Motive und Themen der afrikani¬
schen Kultur zurückgreift und diese damit ei¬
nem deutschsprachigen Publikum näherbringt;
— seine Theaterarbeit, in der er mit verschie¬
densten Schauspielerinnen und Schauspielern
seine humanistische Haltung auch theatra¬
lisch umsetzt.
Aus diesem Grund wird die Verleihung der
österreichischen Staatsbürgerschaft an Obiora
C-Ik Ofoedu von der IG Autorinnen Autoren
unterstützt. Unterstützungserklärungen kön¬
nen auch angefordert werden unter:
werner. rotter @ blackbox.net
Obiora C-Ik Ofoedu diskutierte mit Vertretern
verschiedener Menschenrechtsorganisationen
am 3. Februar, 20 Uhr, iiber Schwarze Haut¬
farbe = Unter Verdacht im Interkulttheater,
1060 Wien, Fillgraderg. 16. Anlaß war das
Gedenken an den bei seiner Abschiebung aus
Österreich getöteten Marcus Omofuma.