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wird“ enthielt das Buch keinerlei Erwähnung der neuen und aktiven Wiener jüdischen Gemeinde nach 1945." (Dies kritisierte auch der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Paul Arnsberg, indem er schrieb: „Die Geschichte nach 1945 und jeder Hinweis, daß heute wieder Juden in Wien leben, fehlen.““?) Über die Gründe, wegen derer eine engere Zusammenarbeit mit Gold scheiterte, schrieb Krell: „Wenn das gesamte Redaktionskomitee in Israel ist und wir hier, sehe ich fast keine Möglichkeit einer richtunggebenden Verständigung. Ich glaube kaum, daß es möglich ist, all die sich ergebenden Fragen auf schriftlichem Wege abzustimmen. Wir sind arm an Persönlichkeiten, die hierzu geeignet sind.“ Außerdem riet er Gold, auf ein anderes Buchformat überzugeben, was dieser nicht berücksichtigte. Alle Gedenkbücher erschienen weiterhin im Großoktavformat.”” Dennoch war die IKG Gold bei der Beschaffung von Dokumenten und Bildern aus österreichischen Archiven behilflich. Das Gedenkbuch, das wie alle anderen reich illustriert war, wurde daher aus den genannten Gründen im Gegensatz zu den meisten anderen von Gold herausgegebenen Gedenkbüchern von diesem allein geschrieben. Im Vorwort schrieb Gold: „Dank ihrer Lage an der Grenze zwischen Ost und West bildete die Stadt Wien gewissermaßen eine Brücke zwischen den beiden Teilen des europäischen Judentums, indem sie die beste jüdische Tradition des einen mit den kulturellen Errungenschaften des anderen Teils harmonisch vereinigte.‘ Leider überschätzte er jedoch die bis damals (und bis heute) erschienene Literatur über die Geschichte der Wiener jüdischen Gemeinde, wenn er schrieb: „Die Geschichte der Juden Wiens wurde von berufener Seite wiederholt dargestellt und in all ihren Aspekten kritisch beleuchtet.“ Gold widmete das Buch „dem Andenken des unvergeßlichen Wiener Oberrabbiners Professor Dr. Zwi Perez Chajes“ und den 60.000 in der NS-Zeit ermordeten Wiener Juden. Das Buch enthielt eine nach Bezirken geordnete Aufzählung aller jüdischen Institutionen und Vereine vor 1938, wies aber leider auch Fehler auf, wie zum Beispiel die Verwechslung von Hermann Broch mit Max Brod. Auch der IKG entging dies nicht. Ihr damaliger Präsident, der aus dem mährischen Nikolsburg stammende Bankangestellte Ernst Feldsberg, war nicht nur ein Jugendfreund von Gold, sondern auch ein hervorragender Kenner der Geschichte der Wiener jüdischen Gemeinde, deren Vorstand er als Vertreter der antizionistischen „Union österreichischer Juden“ seit 1932 angehörte. Gold erinnerte sich in einem Brief daran, daß er mit Feldsberg einst in Nikolsburg „bei Schaffer Gansbraten gegessen“ hatte und daß „Du mir die Schätze der Nikolsburger jüdischen Gemeinde [deren Sekretär der Vater von Feldsberg war] gezeigt hast.‘“”? 1965 hatte Feldsberg noch an Gold geschrieben: „Ich freue mich schon sehr, dieses Buch zu besitzen, da es unter Deiner Führung sicherlich ein ausgezeichnetes Nachschlagewerk gerade für die neuere Geschichte des Judentums in Wien sein wird.‘ 1966, nachdem er das Buch erhalten hatte, schrieb er ihm jedoch: „Ich habe das Buch bisher nur durchgeblättert, aber schon bei der bloßen oberflächlichen Einsicht mußte ich zu meinem Bedauern feststellen, daß das Buch keinen Anspruch als ein Werk der Geschichte machen kann. Abgesehen davon, daß grundlegende wichtige geschichtliche Ereignisse betreffend die Wiener Judenschaft überhaupt fehlen, sind Persönlichkeiten genannt, die sich sicher zum groBen Teil Verdienste um die Wiener Judenschaft erworben haben; es fehlen aber noch viel mehr Persönlichkeiten, die jederzeit bereit waren, sich in den Dienst der Wiener Judenschaft zu ' stellen. Wenn man dieses Buch _ liest, dann gewinnt man den Eindruck, daß hier versucht wurde, gewisse Juden, zu denen auch ich gehöre, als unterschiedliche Juden gegenüber jenen zu bezeichnen, welche vor dem Jahre 1938 zionistischen Organisationen angehört haben ... ich halte es für meine Pflicht, festzustellen, daß der Titel dieses Buches ‚Geschichte der Juden in Wien’ nicht aufrecht erhalten werden kann. Dieses Buch ist keinesfalls als ein Nachschlagewerk anzusehen. Es ist selbstverständlich, daß ich nicht weiter gegen das Buch polemisieren werde ... Ich bin davon überzeugt, daß dieses ablehnende Urteil nicht nur von mir, sondern von allen jenen wird gefällt werden, welche die Geschichte der Juden Wiens der letzten Jahrzehnte erlebt haben.“ Die plötzliche Distanz der IKG zu Gold hatte aber auch einen zweiten Grund. Golds Vorbereitungsarbeit für das Gedenkbuch über Wien wurde durch einen ähnlichen und, wie sich zeigte, um die Gunst von zum Teil denselben Autoren bemühten Plan des in London lebenden Beamten des World Jewish Congress Josef Fraenkel gestört. Fraenkel lebte bis 1938 in Wien, wo er Robert Stricker nahestand und in der Judenstaatspartei aktiv war. Er veröffentlichte zahlreiche Broschüren über die jüdische Geschichte und den Zionismus sowie unzählige Artikel in deutschsprachigen und englischen jüdischen Zeitschriften, weit mehr als Gold, der sich auf seine herausgeberische und verlegerische Tätigkeit konzentrierte. Über den Konflikt mit Fraenkel schrieb Gold bereits 1962 an den ebenfalls aus Wien exilierten, in New York lebenden Schriftsteller und Rabbiner Chaim Bloch: „Das Wiener Werk ist in Arbeit und dürfte Ende 1963 herauskommen. Wahrscheinlich werden es 2 Bände werden. Wir hatten für dieses Werk ein Komitee in [den] USA und dieses Komitee hat sich mit einem Beamten des W.K. [Jüdischen Weltkongresses] Josef Fränkel [sic] in Verbindung gesetzt, der dann unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und unter Verwendung des von uns allen ausgearbeiteten Laborates von der Claims Conference L 1800,— herausgelockt hat und ich muß jetzt die finanzielle Basis für das Wiener Werk schaffen. — Aber es wird ein ganz herrliches Werk.“ Als Gold Krell darum bat, dem Ehrenkomitee für das Werk beizutreten, brachte er dies ebenfalls in Verbindung mit Fraenkel. Sein Werk war ,,/ange bevor Herr Josef Frankel [sic] es für notwendig gefunden hat, uns in den Rücken zu fallen, geplant ... was ich Ihnen durch Fotokopien beweisen kann.“ 53