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der Gegend, daß noch im Jahre 1898 eine dort neu angelegte
Straße die Bezeichnung „Stuwerstraße“ erhielt.

Stuwers Name erwies sich weiterhin als so beständig, daß
sich für den erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts neu
entstandenen Stadtteil zwischen Lassallestraße und Ausstel¬
lungsstraße, der in der Zwischenzeit stolzere Namen, wie
„Praterstadt‘“ und danach „Donaustadt“ getragen hatte, zuletzt
am Ende des 20. Jahrhunderts der Name „Stuwerviertel“ ein¬
bürgerte. Ein Name, der von den Bewohnern anfangs nur zö¬
gernd angenommen wurde, da er sie zu sehr an das Rotlicht¬
milieu erinnerte, das nach 1945, bedingt durch die Nähe des
Praters, von der namengebenden Straße ausgegangen war. Die
Bezeichnung „Donaustadt“ verlor das Viertel 1955 nach Abzug
der alliierten Besatzungsmächte an den da¬
mals neu formierten 22. Bezirk jenseits der
Donau. Nur die für das Gebiet zuständige
Pfarre der Kirche zum heiligen Franz von
Assisi hält als „Pfarre Donaustadt‘ noch im¬
mer am Traditionsnamen fest.

Der an das Stuwersche Etablissement er¬
innernde Straßenname „Feuerwerksallee“
aber wurde schon 1872 in „Ausstellungs¬
straße“ umgewandelt, ein bedeutungsvoller
Wechsel, der eine gewichtige Aufwertung
des Gebietes zwischen dem Praterstern und
den Donauauen anzeigte. Die Straße sollte
nun nicht mehr zu einer Unterhaltungsstätte
führen, sondern zu einer Ausstellung, und
zwar zu keiner geringeren als zu der Welt¬
ausstellung von 1873, der einzigen bisher in
Wien abgehaltenen. Ihre Spuren sollten bis
in die Mitte des 20. Jahrhunderts sichtbar
bleiben: erst 1937 brannte das stehen ge¬
bliebene, von Kaspar Johann Harkort (Har¬
kortstraße!) erbaute Zentralgebäude, die
Rotunde, ab und 1945, am Ende des Zwei¬
ten Weltkrieges, die letzten als Rotkreuz¬
depots genutzten Ausstellungshallen in der
Nähe des Freudenauer Rennplatzes.

Gleichzeitig mit der Errichtung des Aus¬
stellungsgeländes fand noch ein weiteres
gewaltiges Unternehmen statt: die Regulie¬
rung des auf der Höhe der Reichshaupt- und
Residenzstadt Wien verwilderten Donaulau¬
fes. Jahrhunderte lang hatten Überschwem¬
mungen das Gebiet bis zum Donaukanal hin
verwüstet. Noch 1830 (Grillparzers Novelle
„Der arme Spielmann“ erinnert daran) und 1862 zerstörten die
ungebändigten Fluten große Teile der Leopoldstadt.

Im Hinblick auf diese letzte Überschwemmung wurde 1866
die Regulierung des Donaulaufes beschlossen und 1870 - die
Abhaltung der Weltausstellung war schon in Sicht — mit dem
Bau begonnen. Durch diese beiden Vorhaben änderte sich der
Charakter der Gegend völlig. „Wien an der Donau“ sollte kein
leeres Wort bleiben.

An Stelle des unübersichtlichen Gewirrs von Wasserläufen
sollte ein 13 km langes leicht geschwungenes 285 m breites
Strombett treten, von einem 475 m breiten Überschwem¬
mungsgebiet und auf beiden Seiten von zwei etwa 6 m hohen
Schutzdämmen begleitet. Die Ausführung entspricht genau
diesem Plan, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht zu er¬
kennen sein mag. Denn wenn am linken Ufer der Hubertus¬

damm jenseits der Neuen Donau, eines in den 70er Jahren des
20. Jahrhunderts hergestellten Entlastungsgerinnes, frei sicht¬
bar ist, so verbirgt sich der Damm am rechten Ufer unter dem
Verlauf der Engerthstraße. Die Steigungen der von beiden
Seiten auf sie zu führenden Straßenzüge bestätigen dies jedem
Benützer zur Genüge.

Jetzt schlug auch die Geburtsstunde des Mexikoplatzes. Die
Größe des Unternehmens erlaubte eine großzügige Planung. Die
Möglichkeit, auf dem Grund des neu zu grabenden Donaubettes
im Trockenen zu bauen, gestattete eine Neuordnung der Ver¬
kehrswege. Neben drei Bahnbrücken für die Nord-, die Nord¬
west- und die Ostbahn sollten zwei neue Straßenbrücken
errichtet werden. Am alten Weg nach Böhmen und Mähren

Die Donaustadt um 1901

konnten die zahlreichen Brücken und Dämme zwischen der
Taborlinie und Floridsdorf durch einen großen Brückenbau, die
Floridsdorferbrücke, ersetzt werden. Dazu sollte aber noch eine
völlig neue Verbindung in Fortsetzung der Schwimmschulallee
kommen, die heutige Reichsbrücke, die einer neuen Reichs¬
straße den Weg ins Marchfeld öffnen sollte. Da der Name des
Herrschers bereits für die nördliche Brücke vergeben war, wur¬
de sie, um ihre Wichtigkeit zu betonen, nach dem Thronfolger
„Kronprinz-Rudolf-Brücke‘“ benannt. In der Nähe der Brücke
sollten auch der Donauhafen und die neue Dampfschiffstation
angelegt werden. Damit gewann der auf die Brücke hinzielen¬
de Straßenzug, die heutige Lassallestraße, gegenüber der Aus¬
stellungsstraße stark an Gewicht. Er konnte nun nicht mehr eine
simple Schwimmschulallee bleiben, sondern wurde nach der
Brücke in Kronprinz-Rudolf-Straße umgenannt.

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