von den Auen des Praters her an die Reichsbrücke zu gelangen.
Dabei fielen die Vergnügungsstätten des „Wurstelpraters“ den
Kampfhandlungen vollständig zum Opfer. Obwohl Versuche
der Russen, die Brücke von der Donau her durch Landungs¬
trupps zu erobern, dreimal fehlschlugen — laut Auskunft des
verstorbenen Pfarrers Dr. Bernhard Stütz waren sie einmal be¬
reits bis in die Jubiläumskirche vorgedrungen - fiel sie ihnen
dennoch am Ende unversehrt in die Hand. Nach Kriegsende
schrieben sich Verschiedene das Verdienst zu, ihre Sprengung
verhindert zu haben. Von 1946 bis 1956 aber hieß sie „Brücke
der Roten Armee“,
Während der Wurstelprater langsam und mühselig wieder
aufgebaut und dadurch die Rolle der Ausstellungsstraße als
Grenzlinie gegen den Vergnügungspark bewahrt wurde, sind
die Lagerhäuser am Donauufer, die während der Kämpfe ab¬
gebrannt waren, nicht wieder hergestellt worden, was der
Hafenfunktion des Viertels ein Ende setzte und damit seinen
Charakter völlig veränderte.
Doch bald sollte es noch anders kommen. 1956, als der
Platz an der Brücke schon zum zweiten Mal seinen Namen
„Erzherzog-Karl-Platz“ verlor und in „Mexikoplatz“ umbe¬
nannt wurde, konnte niemand ahnen, daß ihm unter dieser
Bezeichnung bald ein besonderer Ruf anhaften würde, der weit
über die nördlichen und östlichen Grenzen Österreichs hinaus
bis in die Ebenen Ungarns und der Walachei, in die Schluchten
des Balkans, in die Täler der Karpaten und die Donau abwärts
bis zum Schwarzen Meer wirken würde. Der besondere Touch
seines Namens ergab sich nicht als Folge eines Vorganges, der
in Österreich stattgefunden hatte, sondern war die Nachwir¬
kung eines weltpolitischen Ereignisses: des im gleichen Jahre
erfolgten Aufstands in Ungarn. Nach dessen rascher Nieder¬
schlagung durch die Sowjetunion ergoß sich ein Strom von
Flüchtlingen über die nahe österreichische Grenze.
Viele von ihnen zogen weiter, aber viele blieben im Lande.
Rund um die Schiffsstation hinter der Jubiläumskirche eröff¬
neten die Ärmeren unter ihnen — die Feineren zogen in die
Innere Stadt oder nach Mariahilf, wo sie heute noch leben —
kleine Läden in der Hoffnung, Käufer aus dem Ostblock, die
Wien als Schiffsreisende erreichten, abzufangen, sie mit Wa¬
ren, die hierzulande als geringwertig galten, für die Ankom¬
menden aber in ihren Heimatländern unerreichbar waren, zu
versorgen und dadurch ihr eigenes Überleben in der Fremde zu
sichern.
Sie waren die Ersten. Ihnen folgten, die Veränderungen im
Osten Europas widerspiegelnd, in Wellen andere: zuerst Men¬
schen aus dem damals noch nicht zerrissenen Jugoslawien, vor
allem aus Bosnien, dann nach 1980, als in ihrer Heimat der
Aufstieg der Solidarnos? begann, Polen und nach dem Zusam¬
menbruch der Sowjetunion 1990 georgische Juden. Längst
reichten die zur Verfügung stehenden Lokale rund um den
Mexikoplatz nicht mehr aus. So wurden im Erdgeschoß lie¬
gende Wohnungen in Verkaufsstätten umgewandelt, der Nah¬
versorgung dienende Geschäfte angekauft — Bäcker, Fleischer,
Greisler oder Friseure konnten den Angeboten nicht widerste¬
hen - und dadurch die gewachsene Infrastruktur der unmittel¬
baren Nachbarschaft gestört. Bald dehnte sich vom Platz her
das, was man unter dem Begriff „Mexikoplatz“ zusammen¬
faßte, bis in die angrenzenden Straßenzüge, die obere Enns¬