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Institutsmitarbeiters Hermann Graml* (IfZ 1962), der Untersuchung Schneiders (IfZ bis 1962) und schließlich auch zu seinem eigenen Beitrag’ vom Juli 1962, in dem er selbst erhebliche Zweifel an der Wissenschaftlichkeit von Tobias‘ Darstellung angemeldet hatte. Er unterstützte nun unvermittelt und vorbehaltlos die Thesen des Fritz Tobias. In der Folge lehnte es die Redaktion der VjfZ wiederholt ab, Beiträge zu veröffentlichen, die sich kritisch mit der Alleintäterthese auseinandersetzten und ergriff damit praktisch die Partei von Tobias und Mommsen. In einem bisher unveröffentlichten Interview erklärte Hermann Graml, langjähriger Chefredakteur der Vierteljahrshefte, im Jahr 2000 dann schließlich: Die „Alleintäterthese“ gälte „im Münchener Institut für Zeitgeschichte [...] überwiegend nicht als endgültige Wahrheit, aber als die bei unserem derzeitigen Kenntnisstand plausiblere These. [...] Es gibt im Hinblick auf den Reichstagsbrand keine These ‚des Instituts, es gibt nur Auffassungen — oft recht unterschiedliche — seiner Mitarbeiter.“ Damit wurde nun die Auffassung von Mommsen und Tobias, der Fall sei durch ihre Bekundungen geklärt, recht lapidar ad acta gelegt. Am 25. November 2000 erklärte Mommsen in der tageszeitung (taz) unter dem bezeichnenden Titel „Nichts von Manipulation“, die „Zurückziehung des Forschungsauftrags“ an Schneider „erfolgte nach der am 9. und 10. November 1962 vom Direktor des IfZ getroffenen und von ihm am 30. November schriftlich bestätigten Entscheidung, den Vertrag nicht weiter fortzusetzen.“ [...] ... in Mommsens „Aktennotiz‘“ zu dem Gespräch mit Rechtsanwalt Delp ist nirgendwo von einer bereits erfolgten Kündigung des Vertrags mit Schneider die Rede. Ganz im Gegenteil heißt es dort: „Die Bedingungen für eine einseitige Aufhebung des Vertrages [mit Schneider] durch das Institut sind ungünstig“ (S. 1). Und weiter: „Nach der derzeitigen Rechtslage ist das Institut formell nicht in der Lage, von dem mit Schneider geschlossenen Vertrag zurückzutreten“ (S. 2). [...] Mommsens Gespräch mit Rechtsanwalt Delp zielte also darauf, überhaupt erst eine Strategie zu entwickeln, um Hans Schneider loszuwerden. Ob der damalige Referent beim IfZ, Dr. Mommsen, dazu von der Institutsleitung beauftragt worden war oder in eigener Regie handelte, das ist nach der heutigen Quellenlage'' nicht abschließend zu beurteilen. [...] Nun publizierte [...] Mommsen in der ZfG unter der Rubrik „Diskussion“ eine Besprechung unseres Buchs. [...] Der Beitrag Mommsens zeichnet sich sowohl durch seine Unkonzentriertheit wie auch durch die Unredlichkeit seiner gesamten Argumentation aus. Wegen seiner pauschalen und nicht belegten Behauptungen und Anschuldigungen, aber auch Fälschungen ist dieser Text wissenschaftlich ohne jeden Wert. [...] Prof. Hans Mommsen ist seit 1998 pen84 sioniert. Er ist heute 70 Jahre alt. Insofern mag man ihm höflich einige Schludrigkeiten nachsehen. Liest man seine Auslassungen in der ZfG, so muss man allerdings daran zweifeln, dass er unser Buch überhaupt vollständig zur Kenntnis genommen hat. Sein Beitrag schließt mit Bezug auf das „Brandereignis und dessen Ursachen in ihrer bis zur Trivialität reichenden Einfachheit“ sinnig: „Wie häufig in der Geschichtswissenschaft ist die einfachste Problemlösung auch die wahrscheinlichste. Das gilt nicht zuletzt für die Alleintäterschaft Marinus van der Lubbes“. Wie schön, wenn Geschichte so einfach wäre. In unserem Buch heißt es auf S. 19: „Das Buch widerspricht [...] in vielen Punkten allen bisher veröffentlichten Forschungsberichten zum Reichstagsbrand, wobei die Autoren zugleich den Anspruch erheben, erstmals alle heute verfügbaren relevanten Quellen gründlich ausgewertet zu haben. Auf eine detaillierte Kennzeichnung oder ausführliche Widerlegung der Fehler oder Irrtümer anderer Autoren in der Vergangenheit wird dabei weitgehend verzichtet, um die Darstellung nicht zu unübersichtlich zu gestalten.“ Mommsen machte daraus: „Unter Berufung auf eine angeblich umfassende Erschließung der Quellen glauben sie [die Autoren], auf eine Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung weitgehend verzichten zu können, schon um die Ubersichtlichkeit der Darstellung nicht zu beeinträchtigen.‘“ Allerdings trifft die von uns angemerkte Einschränkung nur auf einige weniger bekannte Publizisten zu.Die Forschungskontroverse haben wir sogar sehr ausführlich dargestellt. Insbesondere schildern wir [...] detailliert [...]Mommsens alles andere als wissenschaftliche Kabalen auf den Seiten 796 ff. (‚„Ein klein bißchen nachgebogen...‘ Der Fall Mommsen“). [...] Wir schreiben (S. 798): „Was nun aber der Grund dafür war, daß Mommsen zwischen Juli und November 1962 vom Tobias-Kritiker zum Tobias-Gläubigen konvertierte, ist bis heute unbekannt. Sachliche Gründe können es jedenfalls nicht gewesen sein [...]“. Wir fordern [...] Mommsen hiermit auf, endlich wahrheitsgemäß darüber Rechenschaft abzulegen, was ihn damals dazu bewogen hat, seine ursprünglich ablehnende Position gegenüber den unhaltbaren Hypothesen des Fritz Tobias zur Reichstagsbrandstiftung grundlegend zu ändern [...]! In seiner [...] Rechtfertigung in der Welt bezüglich der Schneider-Mommsen-Affare schrieb Mommsen: „Daraus eine zielbewusste Manipulation abzuleiten und mich in der Öffentlichkeit der Unredlichkeit zu bezichtigen, ist ebenso absurd, wie mir zu unterstellen, es sei nur um die Entlastung, dass heißt die ‚Unschuld‘ der Nazis gegangen — was nur der behaupten kann, der meine Publikationen nicht zur Kenntnis genommen hat.‘ Mommsen schrieb 2001 an anderer Stelle: „Ich erntete bittere Vorwürfe, mit der Alleintäterschaftstheorie den Nationalsozialismus — ich 6 6613 zitiere dies — zu ‚verharmlosen‘. Die gegenüber [...] Mommsen erhobenen Vorwürfe bestehen jedoch zu Recht, wie wir nachfolgend kurz an neuen Beispielen zeigen. In unserem Buch nannten wir als mutmaßliche Täter der Reichstagsbrandstiftung konkret den SA-Sturm 17 bzw. den SA-Sondersturm 101 (beide Berlin-Wedding), insbesondere aber Karl Ernst und Hans Georg Gewehr. Als mutmaßliche Auftraggeber bezeichneten wir Joseph Goebbels und Hermann Göring, als Helfershelfer Rudolf Diels, als Mitwisser Graf Wolf Heinrich von Helldorff. Mommsen machte daraus: „Zwar werden Goebbels, Göring, Graf Helldorff, Rudolf Diels und HansGeorg Gewehr als Auftraggeber und Helfershelfer angeführt, aber die eigentlichen Täter bleiben anonym (und müssen weiterhin anonym bleiben, da sie nur in der Einbildung existieren).“ Mommsen verfälscht seine DarstellungunsererForschungsergebnisse salopp weiter: „Bahar und Kugel können jedenfalls auch aus den inzwischen zugänglich geworden Akten der Voruntersuchung, die ja intern blieben [für [...] Mommsen jedenfalls bis heute — die Autoren], keinen Hinweis auf Mit-Brandstifter entdecken und verlegen sich darauf, daß selbst deren Vorgehen manipuliert sein müsse.“ Wir haben allerdings Manipulationen während des Untersuchungsverfahrens und der Hauptverhandlung bis hin zum Meineid detailliert und mit Quellenangaben nachgewiesen. Mommsen versucht weiter, Rudolf Augstein folgend, den von uns genannten mutmaßlichen Mittäter der Reichstagsbrandstiftung Hans-Georg Gewehr zu entlasten: „Über leichtfertige Vermutungen, daß Gewehr irgendwie bei der Brandlegung mitgewirkt haben könnte — er befand sich nachweislich nicht mehr in der Stabswache von Karl Ernst —, gelangen die Autoren nicht hinaus, und sie scheren sich nicht um die gerichtliche Feststellung seiner Nichtbeteiligung, die Gewehr gegen die Anschuldigung durch Gisevius erzwungen hatte, und ein mit gleichem Resultat eingestelltes staatsanwaltliches Verfahren gegen Gewehr.“ Tatsächlich konnte aber bisher niemand belegen, dass Gewehr zur Zeit der Brandstiftung nicht mehr Leiter der Stabswache von Karl Ernst war; das von uns vorgelegte neue Quellenmaterial spricht eher für das Gegenteil. Auch die von Mommsen behauptete „gerichtliche Feststellung seiner [Gewehrs] Nichtbeteiligung“ an der Reichstagsbrandstiftung existiert nicht! Im Urteil des Oberlandgerichts Düsseldorf heißt es 1963: „Es bleibt also die Möglichkeit offen, daß der Kläger [Gewehr] unter den Mittätern [der Reichstagsbrandstiftung] gewesen ist. [...] Beim Kläger [Gewehr] handelt es sich wahrscheinlich sogar um den letzten noch lebenden Angehörigen des angeblichen Täterkreises.“'* 1966 bestätigte der Bundesgerichtshof letztinstanzlich das Urteil des Oberlandgerichts Düsseldorf. Es hieß hier: „Sollten SA-Angehörige [an der Reichstagsbrandstiftung] beteiligt gewesen sein, so ist der Kläger [Gewehr], der damals in Berlin