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SA-Sturmführer war, als Mittäter nicht mit Sicherheit auszuschließen.“ Mommsen sagt also die Unwahrheit.'® Auch den SA-Verbrecher Karl Ernst versucht Mommsen zu entlasten: „Die Behauptung, Karl Ernst hätte an der SA-Aktion teilgenommen, die aus Münzenbergs ‚Weißbuch über die Erschießungen des 30. Juni 1934’, also aus dem Jahr 1935 stammt, ist abwegig, weil dieser im Gefolge Hitlers an der Brandstätte eintraf und ein unanfechtbares Alibi'” besaß.“ Tatsache ist, dass Ernst keinerlei Alibi besaß und sein sehr frühes Eintreffen am brennenden Reichstagsgebäude, zusammen mit Goebbels und Hitler, hochgradig verdächtig war. Weiterhin ging auch Ernst Torgler, nachdem er im Gestapo-Gefängnis von Karl Ernst besucht worden war, davon aus, dass Ernst einer der Täter war. Bezüglich der Rolle von Karl Ernst schreibt [...] Mommsen weiter: „Es ist geradezu grotesk, daß die Autoren sich nicht scheuen, dem sogenannten Geständnis von Karl Ernst, das nach dessen Tode am 30. Juni 1934 im ‚Weißbuch über die ErschieBungen des 30. Juni 1934’ auftauchte, Authentizität beizulegen, obwohl es sich um eine nicht übermäßig geschickte Fälschung von Münzenberg gehandelt hat.“ Wir haben in unserem Buch ($. 561 ff.) nachgewiesen, dass die von dem notorischen Märchenerzähler Harry Schulze-Wilde in die Welt gesetzte Behauptung, das sogenannte „Ernst-Testament“ sei eine Fälschung von Albert Norden und Bruno Frei (nicht von Miinzenberg, sic!), unhaltbar ist. Als urspriingliche Quelle fiir seine Behauptung nannte Schulze-Wilde miindliche Äußerungen eines Kellners „Franz“ in einem „Cafe Boulevard“ in Paris! Es handelte sich also offenbar um ein Gerücht. Von einem seriösen Fälschungsvorwurf kann damit also keine Rede sein. Ob Ernsts Geständnis echt ist, das lassen wir in unserem Buch offen und fordern dazu weitere Forschungen, ganz im Sinne von Richard Wolff." Der Historiker Mommsen disqualifiziert sich weiter mit der folgenden Bemerkung: „Tatsächlich hatte Goebbels in der kritischen Entwicklungsphase der NSDAP im Sommer und Spätherbst 1932 andere Probleme, als konspirative Pläne für die Zeit nach einer Regierungsübernahme zu schmieden.“ Zum einen erscheint es wundersam, dass [...] Mommsen zu wissen glaubt, wie und was [...] Goebbels 1932 gedacht haben mag. Zum anderen betreffen die von uns geschilderten konspirativen Pläne der NSDAP die Zeit vor dem 5. März 1933, dem Datum der Reichstagswahl, die endgültig über die Zukunft der NSDAP entscheiden musste. Bei der von Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gebildeten Regierung, handelte es sich „nur“ um ein Übergangskabinett ohne parlamentarische Mehrheit. Vom Alleinbesitz der Macht waren die Nazis noch einen entscheidenenden Schritt entfernt. Ohne den Reichstagsbrand und die anschließende Propagandakampagne hätte die NSDAP jedenfalls bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 niemals 10 % der Wählerstimmen hinzugewinnen, zusammen mit den Deutschnationalen die hauchdünne Mehrheit von 51,9 % erzielen, und erst dann die Regierung übernehmen können. Dies weiß auch [...] Mommsen sehr genau. Mommsen nimmt weiterhin auch Göring, Hitler und Konsorten in Schutz: „Sie glauben, ihm [Göring] auf die Spur gekommen zu sein, indem sie [die Autoren] überaus umständlich nachzuweisen versuchen, der Polizeiminister [Göring] sei noch vor Ausbruch des Brandes in das Reichstagsgebäude geeilt. Das habe auch für die übrige NS-Führung gegolten. Diese Behauptung trifft schlechterdings nicht zu.“ Es ist richtig, dass diese (allerdings von [...] Mommsen aufgestellte!) Behauptung so nicht zutrifft. Er hat eben unser Buch nicht ganz gelesen. Wir haben lediglich anhand von Fakten sehr detailliert (und damit auch notwendigerweise umständlich) nachgewiesen, dass Göring, Hitler und Goebbels schon vor Ausbruch des Brandes über das kommende Ereignis informiert gewesen sein müssen. So etwas nennt man Indizienbeweis! Wir haben nie behauptet, dass diese NS-Führer schon vor Ausbruch des Brandes in das Reichstagsgebäude geeilt seien. Nach der Meldung über die erfolgte Brandstiftung brauchten sie schon etwas Zeit, um an den Tatort ihrer SA zu kommen. Allerdings erhielten sie die Brandmeldung einige Minuten vor der Berliner Feuerwehr und dazu noch aus ungeklärter Quelle! Weder die Reichstagsbrandkommission noch das Reichsgericht wagten zu diesem nach den NS-Zeitungsmeldungen vom 28. Februar und 1. März 1933 offenkundigen Sachverhalt eine einzige Untersuchung oder Nachfrage. Statt dessen verlegte das Reichsgericht in der Urteilsschrift nachweislich Görings Eintreffen am Brandort auf einen späteren Zeitpunkt — was man gemeinhin als Fälschung bezeichnet! Weil wir an „die spontane Reaktion Adolf Hitlers auf die Nachricht“ vom Reichstagsbrand aus guten Gründen genauso wenig glauben wie an das Dogma vom improvisierten Charakter der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933, beschuldigt uns [...] Mommsen, wir hätten in unserem Buch ,,die politischen Folgen des Reichstagsbrandes [...] nicht ernstlich diskutiert“. [...] Mommsen bringt seine Überzeugung schließlich auf den Nenner: Es „sprechen allgemeine Erkenntnisse über die Machteroberungsstrategie der NSDAP und die taktische Konstellation nach dem 30. Januar gegen deren Beteiligung am Reichstagsbrand“. Allerdings waren uns solche nicht näher spezifizierten „allgemeinen Erkenntnisse“ nicht genug. Und die konkreten Fakten sprechen eine andere Sprache! Bezüglich Marinus van der Lubbes haben wir den schlüssigen Beweis geführt, dass er die Brandstiftung nicht allein begangen haben kann. Mommsen: „Dabei berufen sie [die Autoren] sich auf van der Lubbes angeblich widersprüchliche Aussagen in den endlosen Verhören, die aber tatsächlich in bezug auf die Brandlegung im Plenarsaal eindeutig sind.“ [...] Mommsen kennt auch hier die vielen, heute vorliegenden Aussageprotokolle van der Lubbes nicht, die unbestreitbar völlig widersprüchlich sind, was selbst die damaligen Untersuchungsbeamten zugeben mussten. Weiterhin unterschlägt er (vielleicht in Unkenntnis) viele andere Fakten, die eine Alleintäterschaft van der Lubbes ausschließen und die wir in unserem Buch ausführlich dargestellt haben. Dementsprechend kommt [...] Mommsen zwangsläufig weiter ins Schleudern. Er schreibt: „Die auf Gisevius zurückgehende Version der bloßen Statistenrolle van der Lubbes, die vom Braunbuch aufgebracht wurde”, enthebt die Autoren keineswegs der Frage, wie der Holländer nach den drei vorausgehenden Brandlegungen zwei Tage zuvor, die allzu leicht auffliegen konnten, für die Aktion im Reichstagsgebäude gedungen worden sein soll. Dass es keinerlei Indizien für eine Zusammenarbeit mit irgendwelchen Nationalsozialisten gibt, führen sie kurzerhand auf die Unterdrückung oder Nichtverfolgung dieser Taten durch die Ermittlungsbehörden zurück.‘ Richtig ist, dass wir erstmals anhand der Ermittlungsakten detailliert nachgewiesen haben, dass van der Lubbe mit Ernst Panknin, einem Provokateur von Polizei und SA in Verbindung stand. Mommsen weiter: „Die Anstrengung der Autoren, Kontakte van der Lubbes mit der NSDAP in den Tagen vor dem Brand wahrscheinlich zu machen, treibt groteske Blüten. So halten sie u.a. die Behauptung für plausibel, van der Lubbe habe am Brandtage ein ‚Braunhemd‘, d.h. SA-Uniform getragen.“ Unsere angebliche „Behauptung“ basiert allerdings auf einer Aussage van der Lubbes selbst, der am 11. März 1933 bei einer Vernehmung bezüglich seiner Bekleidung äußerte: „Ich war folgendermaßen bekleidet: [...] Oberhemd aus Leinen, braun, ungefähr in der Farbe wie die Hemden der Angehörigen der NSDAP”. Bei der SA gehörte zum Aufzug noch ein passender Binder (Krawatte). Auch van der Lubbe trug am Brandabend einen Binder, der laut den Vernehmungsprotokollen von Polizeileutnant Lateit im Reichstagsgebäude gefunden wurde, aber seltsamerweise aus den Beweismitteln verschwand! [...] Weiter denunziert Mommsen völlig unzutreffend unsere anhand der originalen Ermittlungsakten erfolgte und bisher in der Forschung detaillierteste (weitgehend auf die Minute genaue) Darstellung des Brandverlaufs (Kapitel 2 unseres Buchs), der bei den Vernehmungen erfolgten Manipulationen sowie der in Anklage und Urteil enthaltenen Fehler und Fälschungen der NS-Untersuchungsbehörden wie folgt: „Anstatt die Brandlegung und deren Folgen Schritt für Schritt zu schildern, verlieren sich die Autoren von Anfang an in der verengten Perspektive der Untersuchungsbehörden, der Anklage und des Reichsgerichts, die verständlicherweise von Vorurteilen geprägt war, 85