Revuetheaters Apollo als Wirkungsstätte des
Künstlers in meinem ehedem so schmählich
niedergestimmten Antrag. Und die Maria¬
hilfer Bezirksvertretung beschloß einmütig,
den Platz vor dem Apollo-Kino „Fritz
Grünbaum-Platz“ zu nennen.
Dieser „Platz“ bestand damals allerdings nur
aus einer Verkehrsinsel inmitten einer Kreu¬
zung, auf der sich eine armselige Betonschale
mit unansehnlichen Gewächsen sowie ein
Lichtmast befanden. An diesen Lichtmasten
wurden nun im Winkel von neunzig Grad
zwei Straßenschilder mit dem neuen Namen
angebracht, wodurch alle vier Himmels¬
richtungen abgedeckt waren und somit der
ganzen weiten Welt die große Ehrung, die
dem Künstler widerfahren war, unübersehbar
kundgetan wurde.
Die Mickrigkeit dieser Installation fiel auch
der Bezirks-SPÖ unangenehm auf — außer¬
dem war auch weit und breit kein einziges
Gebäude zu sehen, dem man ein Taferl mit
Platznamen und Hausnummer hätte verpas¬
sen können. Also begab man sich auf die
Suche — und wurde, wie schon das alte
Sprichwort ermutigt, schließlich auch fündig.
In dem an der Grünbaum-Kreuzung gelege¬
nen Esterhazy-Park steht ein unvergängliches
Mahnmal aus der Zeit des „Tausendjährigen
Reiches“, ein Monstrum aus meterdickem
Stahlbeton: Und dieser Flakturm trägt nun auf
Beschluß des Bezirksparlaments die Nummer
„Fritz Grünbaum Platz 1“.
Nachtrag 1:
Ein bekannter Monolog Fritz Grünbaums
trägt den Titel „Entwürfe für ein Grünbaum¬
Monument“. In Versform stellt er sorgenvol¬
le Uberlegungen dariiber an, welcher Art
wohl das Denkmal sein werde, das ihm der¬
einst die Nachwelt setzen wiirde. Er denkt zu¬
erst an ein Reiterstandbild, dann an verschie¬
dene Arten von Statuen (nackt und bekleidet),
kommt aber letztendlich zu dem Schluß, daß
es nach dem Versinken seines Namens in die
ewige Vergessenheit ohnedies nur mehr Tiere
sein werden, die an seinem wie auch immer
gearteten Monument Gefallen finden würden:
... Die Hund’ auf der Erd’ und die Vögel in
der Luft!
Und hoch über mir zieh’n die Schwalben die
Kreise,
Und am Sockel lehnen die Hunde leise,
Und all das Getier wird beim Sterneblitzen
Mein Denkmal bei Nacht zum Benetzen
benützen
So tut das Getier seine Liebe mir kund:
von oben die Vögel, am Sockel die Hund!
Natürlich hat Fritz Grünbaum lediglich an
kreuchendes und fleuchendes Getier gedacht.
Er konnte ja auch nicht ahnen, daß sein
Monument so gewaltig sein würde, daß es
sich nicht nur hoch über die Dächer Wiens er¬
heben, sondern in seinem Inneren auch ein
Haus des Meeres bergen würde: Die Heimat
einer reichen Auswahl von Fischen — und
Schlangen.
Nachtrag 2:
Der Bezirksvorsteher Kurt Pint verstarb vor
einigen Jahren bei einem Besuch des Ge¬
sundheitsamtes überraschend an einem Herz¬
infarkt. Nach ihm ist nun auch ein Platz im
sechsten Bezirk benannt. Sein Nachfolger hat
später den Versuch unternommen, den Grün¬
wald-Park doch noch verbauen zu lassen. Die
Bürgerinitiative formierte sich erneut zum
Widerstand und ich kandidierte bei den letz¬
ten Wahlen auf der Liste der Grünen Alter¬
native. Der Vorsteher wurde abgewählt, und
ich bin nach zwanzig Jahren wieder Bezirks¬
rat in Mariahilf. Auf dem Weg von meiner
Wohnung ins Amtshaus gehe ich sehr oft über
den Grünbaum-Platz. Und manchmal ist mir,
als würde ich von dort, wo der Wind die ohr¬
waschelartigen Ausbuchtungen am oberen
Ende des Flakturmes umweht, ein eigenarti¬
ges Geräusch vernehmen: Es klingt fast so,
als würde da oben jemand leise lachen.
Richard Weihs lebt als Autor, Musiker,
Kabarettist (und Bezirkspolitiker) in Wien¬
Mariahilf. Zuletzt sind von ihm erschienen die
CD „Böses LiedGut“ (Hoanzl), das Schimpf¬
wörterbuch „Wiener Wut“ (Uhudla Edition),
der Roman „Der Blues-Gustl“ (Edition
Aramo), „Wiener Witz — der Schmähführer“
und „Mariahilf. Das Buch zum Bezirk“ (bei¬
de Uhudla Edition). In letzterem ist der vor¬
liegende Beitrag in diplomatisch gekürzter
Fassung erschienen.
Die Freundschaft
zwischen Jean Amery
und dem Maler
Erich Schmid
„...die Staffelei und das halbfertige Bild mit
der Häuserfassade, das Lavabo, darin milli¬
meterdick Ölfarben kleben, das schmutzige
Geschirr, das sich anhäuft, die rissigen, ab¬
blätternden Wände, schmutzfarben wie das
Bild, dem sie Obdach geben wie das graue,
unrasierte Antlitz, das aus dem Spiegel blickt,
der von einer Zigarette angekohlte Brief des
Anwalts auf dem durch queren Sprung orna¬
mentalisierten Tisch.“
In den oben zitierten Zeilen aus dem Buch
Jean Amérys ,,Lefeu oder der Abbruch“ be¬
schreibt der Autor das Leben des Malers
Lefeu. Amérys Roman kann als Biographie
seines Freundes, des Kiinstlers Erich Schmid,
gelesen werden, es ist gleichzeitig auch ein
Versuch ‚mit Wörtern die Welt zu bewälti¬
gen“, die nationalsozialistische Verfolgung zu
verarbeiten sowie Heimatlosigkeit und Exil
zu überwinden.
1912 in Wien geboren, verbindet Amery ne¬
ben einer tiefen Freundschaft mit dem um
vier Jahre älteren Wiener Maler Erich Schmid
auch eine Parallelität der Biographien und
Kramer Gesellschaft bezogen werden.