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logen und Altertumsforscher abgelöst wurden, deren Gewicht
ab den frühen siebziger Jahren spürbar wurde.

Das Gedankengut der Wiener Schule, die Menghin — nach
Ansicht des bedeutenden Archäologen Alberto Rex Gonzälez —
in großem Ausmaß verkörperte, vertrug sich bestens mit der
Ideologie der argentinischen Diktaturen, und als 1976 die
Militärs putschten, wurden Anthropologen mit bisher selten ge¬
sehener Inbrunst verfolgt. Während dieser „Säuberungen“ an
den Universitäten und sonstigen Forschungsinstituten hatten die
Anhänger der Wiener Schule keine größeren Probleme. Eher
das Gegenteil war der Fall — sie besetzten die Schlüsselstellen
in Lehre und Forschung. Dagegen wurden die Studienrich¬
tungen der Anthropologie an den Universitäten von Mar de
Plata, Rosario und Salta aufgelöst. Studienpläne wurden geän¬
dert, Vorlesungen abgeschafft, eine penible Aussonderung von
Autoren in den Bibliografien und Katalogen vorgenommen.
Der Erziehungsminister persönlich erklärte, daß die Disziplinen
der Anthropologie, unter Einschluß der Archäologie, als sub¬
versive Gegenstände einzustufen seien. Die Stadtverwaltung
von Buenos Aires strich den Beruf des Anthropologen von
ihrem Stellenplan. Viele junge und brillante Archäologinnen
und Anthropologen flohen ins Exil, und zahlreiche Studenten
der Anthropologie wurden gemäß dem üblichen Vorgehen der
repressiven Organe verschleppt und ermordet.

In der kurzen Zeitspanne 1965, in der das Fach, wie schon
erwähnt, unter Aufsicht der Fakultät gestellt worden war, hat¬
te Daniel Hopen namens der Studentenvertretung den Antrag
gestellt, der Akademische Rat solle „den sofortigen Ausschluß
von Professor Oswald Menghin wegen dessen umfangreichen
nazistischen Vorlebens‘ beschließen. Bevor dieser Punkt be¬
handelt wurde, erhielt jedes Ratsmitglied eine Kopie des er¬
haltenen Dossiers. Nach anfänglicher Bestürzung vermieden es
die Vertreter der Professorenschaft, eine klare Entscheidung zu
treffen; es hieß, man müsse „nach vorne schauen“ und die
Vergangenheit ruhen lassen — eben all das, was für gewöhnlich
Politiker so gut zu sagen wissen. Der Tagesordnungspunkt
wurde auf einen späteren Termin verschoben, aber nie wieder
zur Sprache gebracht.

Professor Hans Schobinger, ein in Lausanne geborener
Deutschschweizer, der 1930, im Alter von zwei Jahren, nach

Argentinien gekommen war, in Buenos Aires studiert hatte und
Schüler Oswald Menghins gewesen war, schrieb im Jahre 1959
über seinen Lehrer: „Warum er nach Argentinien gekommen
ist, interessiert mich nicht weiters.“ Er fügte hinzu: „Und das
interessiert heutzutage, wo die Schwierigkeiten seines Her¬
kunftslandes überwunden und dem Vergessen überantwortet
sind, auch sonst niemanden.‘ Das allgemeine Entsetzen über
die politischen Ereignisse in Österreich, Anfang 2000, schei¬
nen ihm nicht gerade recht zu geben.

Schobinger ist zur Zeit emeritierter Professor der Uni¬
versidad Nacional von Cuyo, wo er ab 1956 bis vor kurzem als
Ordinarius für Ur- und Frühgeschichte sowie als Vorstand des
Instituts für Archäologie und Ethnologie an der Philoso¬
phischen Fakultät tätig war. Von 1969 bis 1978 gehörte er auch
der Beratenden Kommission der Anthropologischen, Archäo¬
logischen und Historischen Wissenschaften des Conicet (Rat
für Wissenschaftliche und Technische Forschungen) an.

Heute können wir sagen, daß in Österreich schon im Jahr
1957 ausgebrütet wurde, was mehr als vier Jahrzehnte später
die Weltöffentlichkeit aufschreckte. Damals hatte die öster¬
reichische Regierung Oswald Menghin rehabilitert, als Univer¬
sitätsprofessor in den Ruhestand versetzt und ein Jahr später
zum Ehrenmitglied der Anthropologischen Gesellschaft von
Wien ernannt. Die Universität Buenos Aires ihrerseits würdigte
ihn 1971, indem sie ihm den Titel eines Ehrenprofessors ver¬
lieh. Oswald Menghin starb hochbetagt, mit 85 Jahren, 1973 in
Chivilcoy (Provinz Buenos Aires). Den Lehrstuhl an der
Universität hatte er bis 1968 innegehabt. In einem Nachruf für
die im frankistischen Spanien erscheinende Zeitschrift Am¬
purias schrieb Schobinger, daß Menghin „1938, in einer für
sein Land sehr schweren Zeit, das Amt des Unterrichtsmi¬
nisters angenommen hat. Aus dieser Entscheidung, die er zwei¬
fellos aus gutem Willen getroffen hatte, erwuchsen ihm
zwischen 1945 und 1947 große persönliche Probleme, die
schließlich zu seiner Emigration führten.“

Daniel Hopen wurde während der letzten Militärdiktatur
verhaftet und ist bis heute verschwunden. Er war zum Zeit¬
punkt seiner Verschleppung, am 17.8. 1976, noch keine vier¬
zig Jahre alt.

Aus dem argentinischen Spanisch von Erich Hackl

Der Anthropologe und Erziehungswissenschaftler Marcelino
Fontän hat seinen Aufsatz ursprünglich für die sozialwissen¬
schaftliche Zeitschrift Indice geschrieben, die in Buenos Aires
vom Dachverband jüdischer Organisationen Argentiniens her¬
ausgegeben wird. Wir verstehen den Beitrag als unerläßliche
Ergänzung zu den jüngsten Bemühungen von österreichischer
Seite, die Karrieren hiesiger Wissenschaftler in der Nazizeit zu
beleuchten. In diesem Zusammenhang ist der Fall Oswald
Menghin schon mehrmals dargestellt worden, allerdings ohne
Kenntnis des Schadens, den seine wissenschaftliche — oder
pseudowissenschaftliche — Tätigkeit in Argentinien angerich¬
tet hat. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Otto H.
Urban, den gegenwärtigen Vorstand des Instituts für Ur- und

Frühgeschichte an der Universität Wien, der sich 1997 für eine
Debatte über das Thema „Belastete Wissenschaft - Forschung
und Lehre in den Jahren 1938 bis 1945“ mit den
Verflechtungen seiner Kollegen in der Nazizeit beschäftigt
hatte, sowie auf Edith Blaschitz, die an einem Projekt der
Comisiön para el esclareciemiento de las actividades del na¬
zismo en la Argentina (Kommission zur Aufklärung der nazi¬
stischen Aktivitäten in Argentinien) mitarbeitet. Ihre Angaben
zu Menghin bieten ein weitgehend geschlossenes Bild über
seinen Werdegang in Österreich; so erfahren wir, daß Oswald
Menghin 1906, also mit achtzehn Jahren, in Wien das Studium
der Geschichte aufnahm, bald darauf der C.V.-Verbindung
Rudolfina beitrat, 1910 promovierte, 1911 die Staatsprüfung