Die Wasserschöpferin
schreitet vom Traum zu klarer Wirklichkeit,
Ballung, die sie halten will durch grobe Naht
im reinen Licht,
wie neugeboren in ihrer Pracht.
Doch Körper und Wirklichkeit in verworrener Geometrie.
Soll ich durch dieses Dunkel
dringen, das Wasser des Brunnens zu schöpfen,
an die Wurzeln des Guten und Bösen
zu gelangen, von überall her zu blicken
in den verschlüsselten Traum und seine Splitter?
Jaffa Zins, deren Text „Kindheit im Rauch der Flammen“ dem
„Zwischenwelt“-Heft über Kinder in der Verfolgung, im Exil
und in der Literatur (ZW Nr. 3/2001) den Titel gegeben hat, ist
Verfasserin einer Reihe von Gedichtbänden in neuhebräischer
Sprache. Geboren 1928 in Kuty (damals Polen, heute Ukraine,
einst Galizien), konnte sie mit ihrer Schwester und ihrem Vater
in die Sowjetunion fliehen; ihre Mutter und zwei Brüder wur¬
Solch wilder Blick in seinen Augen:
Der schied uns voneinander.
Bis sie ans Licht gerieten.
Entdeckt, verdeckt verstummte das Gesicht
und nur die Augen, oh, die Augen!
Schwarzes Sprühen über die Ränder
und im dunklen Grund
die Feuerkreise.
Aus dem Neuhebräischen von Konstantin Kaiser und Jaffa
Zins
den bei einem deutsch-ukrainischen Pogrom 1942 in ihrem
Haus ermordet. Der mit Jaffa Zins befreundete Frederick
Brainin hat mit Übersetzungen ihrer Gedichte ins Deutsche
begonnen; zusammen mit der Autorin versucht Konstantin
Kaiser jetzt, Brainins Arbeit fortzusetzen. J. Zins lebt in Bat
Yam, Israel.
Emile M. Cioran, Mircea Eliade und Eugéne Ionesco sind
,sdulenheilige“ eines nach 1989 zutiefst verunsicherten
Rumäniens. Der gegenwärtige Premierminister Adrian Nästa¬
se bezeichnete sie gar gegenüber dem Pariser Blatt Le Monde
als „kulturellen Mehrwert“, weil sie Bindeglied zwischen drin¬
nen und draußen seien, zwischen Beitrittskandidat und
Europäischer Union. Einer Generation zugehörig werden sie
auch in einem Atemzug genannt. In der Vergangenheit bestand
diese „Dreifaltigkeit“ jedoch mitnichten. „Cioran ist hier, im
Exil“, schrieb Ionesco aus Paris am 19. September 1945 an den
Ästhetiker Tudor Vianu nach Bukarest. „Er gibt zu, in der
Jugend gefehlt zu haben; es fällt mir schwer, ihm zu verzeihen.
Dieser Tage kommt auch Mircea Eliade an, oder er ist schon
angekommen: für ihn ist alles verloren, seit ‚der Kommunis¬
mus gesiegt hat.’ Ihn, Eliade, trifft eine immense Schuld. Aber
er und Cioran [...] sind Opfer des hassenswerten Toten Nae
Ionescu. [...] Seinetwegen sind alle Reaktionäre geworden.“
In einem Buch, das augenblicklich fast zur Lynchjustiz an
der Autorin führt, zeichnet die ausgewiesene Historikerin
Alexandra Laignel-Lavastine den Weg nach, der Ionesco sei¬
ne Landsleute derart verurteilen und dieses Urteil in der Folge¬
zeit partiell revidieren lässt.’ Dabei gibt Laignel-Lavastine, die
nach dem Ende des Kalten Krieges eine enorme Archivarbeit
geleistet hat, zweierlei zu bedenken: 1.) Es lägen zumindest
von Eliade und Cioran zu Lebzeiten keinerlei Äußerungen vor,
die auf eine Revision ihrer politischen Auffassungen schließen
ließen — daher dieses Buch. 2.) Die heute rumänischerseits gern
vorgenommene Trennung der Biographien in ein anekdoten¬
haftes Vorher (‚„Jugendsünden“, rumänische Periode) und ein
seriöses Nachher (französische Periode, für Eliade die franko¬
amerikanische Periode) stünden für einen Verdrängungs¬
prozeß, der die Eliten des ehemaligen Ostblocks sich aus der
gemeinsamen europäischen Verantwortung vor der Shoah steh¬
len lässt. Die Autorin meint das nicht inquisitorisch. Ihre ,,For¬
schung beruht vor allem auf der Überzeugung, daß das im
Entstehen begriffene Europa eine wahrhaftig vergleichende
Geschichte der Intellektuellen diesseits und jenseits des ehe¬
maligen Eisernen Vorhangs in die Wege leiten muß. Das bedarf
einer ernsthaften Anstrengung dahingehend, die osteuropäi¬
schen Studien nicht weiter ‚in Enklave’ zu halten. Der Weg, der
von den drei emblematischen Wanderern dieses Jahrhunderts,
von Cioran, Eliade und Ionesco eingeschlagen wurde, bot sich
diesbezüglich in fast idealtypischer Weise an.“ (31)
Bleiben wir eingangs bei diesem Weg, dessen Stationen
Aufschluß über politische Verblendungszusammenhänge so
gut geben können wie über deren Demaskierung als rhino¬
cErite, Ionescos Metapher für kollektive Verfallenheit. Mircea
Eliade, Jahrgang 1907, steht Ende der zwanziger Jahre in