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Zum Jahresabschluß 2002 der „Zwischenwelt“ Die Auflage beträgt derzeit 1.850 — 2.000 Exemplare, von denen mehr als 1.600 an AbonnentInnen, Mitglieder der Theodor Kramer Gesellschaft sowie als Werbe-, Beleg- und Austauschexemplare versandt werden. Die vier 2002 gedruckten Hefte (Nr. 4 des Jahrgangs 2001 und drei Nummern des Jahrgangs 2002) hatten zusammen 312 Seiten. Wir danken unseren AbonnentInnen und den Mitgliedern der Theodor Kramer Gesellschaft, von deren lebendigem Interesse die Existenz oder Nichtexistenz der Zeitschrift ja letztlich abhängt, wir danken ebenso allen öffentlichen Stellen, die die Zeitschrift in verständnisvoller Weise fördern. Das letzte Heft eines Jahrgangs wird nun zum wiederholten Male erst im Folgejahr nachgereicht, was seine Gründe in finanziellen Engpässen und der notorischen Überlastung von Redaktion und Sekretariat hat. Der finanzielle Engpaß ist leicht erklärt: Der Aufwand hat schneller zugenommen als die Erträge. 2002 wurde bei den Abonnements und Einzelverkäufen zwar das bescheidene ‚Rekordergebnis’ von Euro 21.300,- erzielt, doch die Förderungen stagnieren. So ist die Jahresförderung durch die Kunstsektion des österreichischen Bundeskanzleramtes seit 1993 unverändert auf umgerechnet Euro 7.300,- eingefroren geblieben. (Wir erhielten von dieser Stelle allerdings weitere Euro 3.290,09 an Förderungen für drei Schwerpunkthefte.) Der Jahrgang 1993 umfaßte nur 120 Seiten; das Jahreabonnement kostete damals umgerechnet Euro 6,- (außerhalb Österreichs 7,30) und hat sich seitdem mehr als verdreifacht. Weitere Förderungen erhielten wir von der Stadt Wien und den Bundesländern Niederund Oberösterreich. Insgesamt gingen Euro 18.490,09 an Förderungen durch öffentliche Stellen ein. Zu danken ist außerdem der österreichischen Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte Literar-Mechana, die uns aus ihren sozialen und kulturellen Einrichtungen eine einmalige Unterstützung gewährt hat. Den Gesamteinnahmen von Euro 45.428,67 stehen 2002 Ausgaben von 45.638,69 gegenüber, davon 14.947,07 für Honorare der MitarbeiterInnen und der Redaktion, 10.333,48 für Versand- und Bürokosten und 18.636,03 für die technische Herstellung. Das annähernd ausgeglichene Jahresergebnis täuscht ein wenig: Zum einen wurden nicht alle im Jahr 2002 verursachten Kosten bis zum Jahresende schlagend, zum anderen blieben viele Leistungen von MitarbeiterInnen ganz oder zum großen Teil unbezahlt. Zu den Verlierern gehören hier sicher die Mitglieder der Redaktion, die in früheren Jahren noch eine kleine Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit erhielten, und mehr noch die beiden Herausgeber, deren Arbeitsaufwand erheblich größer ist. Auch die Honorare für die Beiträge sind seit etlichen Jahren auf demselben niedrigen Niveau geblieben. Erfreulich ist, daß wir dennoch im Jahre 2002 mit Bruni Blum und Sandra Wiesinger-Stock zwei neue Redaktionsmitglieder gewinnen konnten, und besonders erfreulich ist die Zusammenarbeit mit dem Verein „Orpheus Trust“, das uns mit „Orpheus in der Zwischenwelt“ eine von Gerhard Scheit redigierte Musikbeilage zur Verfügung stellt. K.K. Hanna Blitzer David Frankfurter — Kämpfer gegen die Nazis Am 19. Juli 2002 jähren sich 20 Jahre seit dem Tod David Frankfurters, der schon zu Lebzeiten eine Legende war. Auf dem Buch, das seine Lebensgeschichte erzählt, sagt der Titel: „Der erste Kämpfer gegen die Nazis“. Ihm folgten Herschel Grinspan, der den deutschen Botschafts-Attaché in Paris erschoß und damit den Vorwand zur ‚Kristallnacht’ lieferte, die Widerstandskämpfer im Ghetto Warschau, die jüdischen Partisanen in allen von den Nazis besetzten Gebieten, die jüdischen Soldaten in in den Armeen der Verbündeten gegen Hitler, die Kämpfer in der jüdischen Brigade. Was macht einen Menschen zu einem Widerstandskämpfer? Der Widerstandskämpfer weiß im vorhinein, daß er gegen eine polizeilich und militärisch organisierte Macht kämpft, die ihm weit überlegen ist. Ohne das Gefühl der verletzten menschlichen Würde von ganzen Volksgruppen, des kollektiv zugefügten Unrechts und Leids, ohne den Willen, dies nicht passiv hinnehmen zu wollen, sondern zu reagieren, ohne diese moralische Grundhaltung kann er nicht kämpfen. Das Buch, das vor mir liegt, ist die hebräische Übersetzung des deutschen Originals, verfaßt von Schalom Ben-Chorin — früher Fritz Rosenthal aus München, nach dem jetzt ein Straße in München benannt wird — nach Erzählungen und Berichten David Frankfurters. Die hebräische Ausgabe, die nicht mehr erhältlich ist, ist erweitert durch ein ausführliches Vorwort von Prof. Josef Nadawa, ein Nachwort von Emil Ludwig und Kondolenzbriefe von treuen Schweizer Freunden, die Frankfurter während seiner Haft halfen, diese Zeit zu überstehen. David Frankfurter, 1909 geboren, Medizinstudent, erschoß am 4. Februar 1936 den nationalsozialistischen Gauleiter Gustloff in Davos. Um die Beweggründe dieser Tat zu verstehen, muß man die Herkunft Davids kennen. Sein Vater, noch in der österreich-ungarischen Kaiserzeit geboren und aufgewachsen, war Rabbiner, zuerst in Darobar in Österreich, später in Vincovci in Jugoslawien, einer Stadt mit 15.000 Einwohnern und 200 jüdischen Familien. Seine Mutter, die Schwester meines Vaters, stammt aus einer gut situierten und angesehenen Kaufmannsfamilie in Kempen in Posen. Die Muttersprache war deutsch, die Sprache in der Schule und der Umwelt kroatisch. Eine Furunkulose verursachte ihm als Kind Knochenvereiterungen, die mehrere Operationen in Wien nötig machten und ihm Monate lange Krankenlager auferlegten. Die sich schmerzvoll hinziehende Erkrankung und die damit verbundene Isolation von der Umwelt erweckten in ihm besondere Nachdenklichkeit und Empfindungsfähigkeit und damit das ausgeprägte Gefühl für Recht und Unrecht. David studierte Medizin zuerst in Leipzig, dann in Frankfurt am Main, auf dessen altem Friedhof er eine 300 Jahre lange Familienchronik von Rabbinern väterlicherseits entdeckte. Mit Aufkommen des Nationalsozialismus wechselte er auf die Universität von Bern, die Universität, an der sein Vater das Doktorat in Philosophie erhalten hatte. Die politischen Geschehnisse in NaziDeutschland riefen bei ihm, der vom Elternhaus her ein starkes jüdisches Identitätsbewußtsein hatte, das sich auf profunde Kenntnis der Bibel und der Schriften stützte, eine heftige Abwehr gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft hervor. Dazu kam noch das Entsetzten über die Verfolgungen und Leiden des jüdischen Volkes. Er wollte mit seiner Tat das Gewissen der Welt aufrütteln, ein Zeichen setzen. Sein Plan war, sich nach der Tat zu erschießen, doch blieb ihm keine Kugel. Er stellte sich der Schweizer Polizei. In dem spektakulären und durchaus politischen Prozeß — 1936 war der nationalsozialistische deutsche Staat eine Bedrohung für die Schweiz — wurde er vom Gericht in Chur zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Vater, der Rabbiner, war über die Tat zutiefst bestürzt. Ihm galt das Gebot „Du sollst nicht morden“ als höchste moralische Forderung. Später jedoch kam eine Versöhnung von Vater und Sohn zustande. 1944 wurde Dr. Frankfurter in Auschwitz ermordet. Als David Frankfurter 1945 nach der Niederlage Deutschlands zwar begnadigt, aber nicht rehabilitiert wurde und nach Palästina auswanderte, reicht er ein Gesuch bei Marschall Tito ein, um die Ausreise seiner Schwester Ruth nach Palästina aus Jugoslawien zu erbitten. Seine Schwester war während des Kriegs im vierten Stock eines Gefängnisses in Budapest gefangen gehalten worden, auch bei schweren Bombardierungen, als angebliche Komplizin ihres Bruders. Dem Gesuch wurde stattgegeben, 59