Reichtum der geistigen Kultur; eine Beziehungsbereitschaft, die
den Mut hat überallhin zu gelangen, die keine Gefahr scheut,
die von einer unheimlichen Konfrontation zur anderen schrei¬
tet, und sich nie erschöpft. Was immer vorkommt, setzt sich wie
von selbst in eine geistige und wesentliche Auseinandersetzung
um. Es gibt keine karge Auswahl des Berichteten, nach vorge¬
faßten Mustern; nichts ist vorgezeichnet, alles wächst und wu¬
chert überall hin, wie unter tropischen Lebensverhältnissen, aber
die Sonne dieser Tropen ist das Leiden. Es ist eine schmerzlich=
wunderbare Sonne, die Tag und Nacht scheint. Einem Leser, der
an sein übliches Heu gewöhnt ist, kann der Zugang zu diesem
persönlichen und einzigartigen Werk nicht leicht fallen ... Viel¬
leicht war das die einzig mögliche Weise, das Erlebnis jener Jahre
von innen her zu erfassen. Ich weiß niemand sonst, dem das ge¬
lungen ist. Ich bin überzeugt davon, lieber verehrter Herr Sapper,
daß das Land, in dem dieses Werk entstanden ist, noch darauf
stolz sein wird, und es ist mein tiefster Wunsch, daß man es bald
begreift. Ich bin glücklich, daß es einen Dichter wie Sie in die¬
ser Welt gibt, und ich betrachte es als eine Ehre, Ihr Zeitgenosse
zu sein... Ich begliickwiinsche Sie zu diesem Werk, und danke
Ihnen sehr dafür, daß ich es als erster lesen durfte ..."
Aber auch Sappers spätere Prosa, ein großer Teil seiner
Gedichte und sein dramatisches Werk sollten trotz so mancher
literarischer Würdigung unveröffentlicht bleiben.
In seinen späten Jahren wandte er dem gängigen Literaturbetrieb
den Rücken:
Daß Sappers Liebe in den letzten Jahren immer mehr der spa¬
nischen und deutschen mystischen Schule, sowie den „Her¬
metikern“ von der Spätantike bis zu Gegenwart gilt, kommt nicht
von ungefähr, sondern ist eine logische Entwicklung der besten
Tendenzen der expressionistischen Schule, der er sich nach wie
vor verpflichtet weiß."
Viele Jahre nach seinem Tod wird Otto Breicha in den Proto¬
kollen schreiben: „Theodor Sapper war kein glücklicher Mensch.
Und außerstande sich selber entsprechend zu ,inszenieren’ ...“‘’
Letzteres erscheint nur allzu wahr, während ich Ersterem nicht
uneingeschränkt zustimmen möchte — auch wenn es Franz
Richter ebenso sieht: „Wer Theodor Sapper gekannt hat, kann
nur bestätigen, was Otto Breicha über ihn sagt: er war kein glück¬
licher Mensch, wie auch hätte er es sein können angesichts all
dieser Umstände?“*
Manche jedoch, die ihn kannten, beschrieben unter anderem
seinen feinsinnigen Humor, wenn auch die stille, sanfte, manch¬
mal fast schwermütige Seite seines Wesens sehr oft im Vorder¬
grund stand.
Theodor Sapper, der noch als junger Mensch mit den Expres¬
sionisten der ersten Generation bekannt war (Theodor Däub¬
ler 1876 — 1934), greift im zweiten Weltkrieg diese Stilrichtung
wieder auf, so Richter weiter. Was die Wiener Gruppe mit dem
Dadaismus der zwanziger Jahre durch Umwandlung und Ent¬
wicklung bis heute erreicht hat, ist dem Expressionismus al¬
lerdings versagt geblieben. Nur auf einem Tonträger sind Teile
von Sappers Hauptwerk zugänglich.”
Und im Nachruf 1982 in der Furche: „... denn sein radika¬
les Bekenntnis zu dieser Stilform schloß jede Wandlung aus,
brachte aber dafür anderes zu Tage und zu Jahren: Folge¬
richtigkeit, Treue, Reinheit.‘
Theodor Sapper starb im Alter von 77 Jahren in Wien.
Die Autorin Hilde Langthaler ist eine Nichte Theodor Sappers;
sie lebte mehrere Jahre in Afrika. Ihre Theaterstücke wurden
inner- und außerhalb Österreichs gespielt und sind auch in
Buchform erschienen; Drehbuch zu einem durch die Regisseurin
Susanne Zanke realisierten ORF-Fernsehfilm; Verfasserin von
Miniprosa und Kurzgeschichten.
1 Dr. Ferdinand Bilger schloß sich den internationalen Brigaden im spa¬
nischen Bürgerkrieg an.
2 Vgl. Ausstellungskatalog: Peter Weibel, Günter Eisenhut (Hg.):
Moderne in Dunkler Zeit. Widerstand, Verfolgung und Exil steirischer
Künstlerinnen und Künstler 1933-1945. Graz: Droschl 2001.
3 Otto Breicha: Theodor Sapper. In: Protokolle. Zeitschrift für Litera¬
tur und Kunst Nr. 2/1996, 66-68.
4 Auch in unveröffentlichten Werken, u.a. Torquemada-Drama (Isabella
von Spanien), Der Schwertkämpfer, Der Cid sowie in seiner Novelle
Lambert. Archiviert im Österreichischen Literaturarchiv (ÖLA) der Öster¬
reichischen Nationalbibliothek (ÖNB) unter ÖLA 13/91).
5 Viktor Suchy: Das Werk Theodor Sappers. Ein später Expressionist?
In: Die Furche, Nr. 34 vom 22. August 1970.
6 Vgl. dazu: Protokolle Nr. 3/1982 und Nr. 2/1996.
7 1939 möglicherweise kurzer Schweizaufenthalt.
8 Vgl. Theodor Sapper: Kettenreaktion Kontra. Inhaltsangabe (Kurzfas¬
sung). In: Protokolle. Zeitschrift für Literatur und Kunst Nr 2/1996, 69-71.
9 Ebd., 70.
10 Viktor Suchy: Das Werk Theodor Sappers. Ein spater Expressionist?
In: Die Furche, Nr. 34 vom 22. August 1970.
11 Vgl. die diesem Artikel beigegebene Bibliographie.
12 Franz Richter: In Erinnerung an Theodor Sapper. In: Literarisches Öster¬
reich. Organ des Österreichischen Schriftstellerverbandes Nr. 1/97, 7-8.
13 U.a. die Novelle: „Lambert, der Sohn der Kranken (Vorahnung)“. Vgl.
dazu: Brief Theodor Sappers an Otto Basil, 5.2. 1946. (Dokumente ar¬
chiviert im ÖLA der ÖNB unter ÖLA 13/91).
14 Ein Gedichtband „Hermes Trismegistos‘“ mit Bildern von Ernst Fuchs
war geplant.
15 Archiviert im OLA der ONB unter OLA 13/91.
16 Viktor Suchy: Das Werk Theodor Sappers. Ein spater Expressionist?
In: Die Furche, Nr. 34 vom 22. August 1970.
17 Otto Breicha: Theodor Sapper. In: Protokolle. Zeitschrift fiir Litera¬
tur und Kunst Nr. 2/1996, 66-68
18 Franz Richter: Theodor Sapper +. In: Die Furche, 20. Okt. 1982.
19 Franz Richter: In Erinnerung an Theodor Sapper, a.a.O.
20 Franz Richter: Theodor Sapper +, a.a.O.
Theodor Sapper — Bibliographie
Erotik des Hasses. Schauspiel. Baden-Baden 1930
Kornfeld. Novelle. Wien: Erwin Müller 1947 (Neuauflage: Köln: Eduard
Hermannsen 1980)
Schmerz vor Tag. Ein Zyklus. Gedichte. Wien, Innsbruck, Wiesbaden:
Margarete Friedrich Rohrer Verlag 1957
Alle Trauben und Lilien. Gedichte der Frühzeit. Wien: Europäischer Ver¬
lag 1967
Alle Glocken der Erde. Expressionistische Dichtung aus dem Donauraum.
Wien: Europaverlag 1974
Tausend Lichter - Tausend Tode. Gedichte. München 1980
Kettenreaktion Kontra. Assoziationsgewebe eines Verfolgten 1944. Bd.
I: Die Junkerschule und andere Ausschnitte. Bd. II: Das Folgende
schreibt Pfingster über einen Wunderarzt. 2 Hörkassetten. Wien:
Ohrbuch Verlag 1994, 1995.
Herausgeber mehrerer Einzelbände in der Reihe „Das österreichische
Wort‘ des Stiasny-Verlages, Graz und Wien:
Theodor Däubler: Echo ohne Ende. Eingeleitet und ausgewählt von Th.
Sapper. 1957
„Und wil ein lichter sumer komen“. Österreichs Minnesänger 1170-1445.
Ausgewählt, übertragen und eingeleitet von Dr. Th. Sapper. 1964
Jakob Haringer: Der Hirt im Mond. Eingeleitet und ausgewählt von Th.
Sapper. 1965
Literarische Auszeichnungen und Preise: 1951, 1952, 1955, 1963, 1965,
1972