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1. Ich bin den andern Weg gegangen! Verzeiht — es tut mir gar nicht leid, obwohl es übel steht zur Zeit. Wird keiner um sein Leben bangen, der weiß, wozu er es verwendet, bedachte, was sein Glaube wiegt. Er hat am Ende doch gesiegt, und wenn er auf der Richtstatt endet! Sechzig Jahre ist es nun her, dass der Autor dieser Zeilen, der damals 24jährige Richard Zach, der von Anfang an „den andern Weg“ gegangen war, den Weg in den Widerstand und in den Untergrund, dem totalitären Terror zum Opfer gefallen ist. Am 17. August 1942 ist er in Berlin wegen ,,Wehrkraftzersetzung", „Hochverrat‘‘ und dem Versuch der „Lostrennung eines zum Reiche gehörigen Gebiets“ zum Tode verurteilt worden; ein halbes Jahr darauf, am 27. Jänner 1943, wurde dieses Urteil vollstreckt. Diesem frühen gewaltsamen Ende waren 15 Monate Gefängnis vorausgegangen, zuerst in Graz, dann in Berlin. In dieser Zeit der Einzelhaft, der eintönigen schweren Gefängnisarbeit, der Misshandlungen und der Verhöre, hat Richard Zach hunderte von Gedichten geschrieben - ein lyrisches Werk, für dessen Hervorbringung andere, unter „normalen“ Bedingungen, Jahre benötigen. Das solcherart entstandene Werk erscheint als der geistige Triumph eines einzelnen über jenes verbrecherische System, das ihm die Freiheit genommen und seine Existenz zerstört hat, und es zählt zu den wesentlichen literarischen Dokumenten des antifaschistischen Widerstands in Österreich. Wenn es auch in den Jahren und Jahrzehnten nach 1945 nie in die Breite gewirkt hat und heute nur wenigen Lesern geläufig ist, so ist seine sprachliche und ethische Kraft unvermindert und unbeeinträchtigt geblieben und wird es wohl auch weiterhin bleiben. Zach stammt aus ärmlichen Verhältnissen: Am 23. März 1919 als zweiter Sohn einer Grazer Fassbinderfamilie geboren, wuchs er in einer Zimmer-Küche-Wohnung auf, welche die Familie später gegen eine Kellerwohnung im fünften Bezirk, dem Arbeiterviertel Gries, eintauschte. Als er dreizehn Jahre alt war, starb seine Mutter. Während fortan sein älterer Bruder Alfred (dem später bei der Aufbewahrung und Verbreitung der Zach’schen Gedichte eine entscheidende Rolle zukommen sollte) von den Großeltern erzogen wurde, kümmerten sich um die Erziehung des jungen Richard Verwandte seiner Mutter. Ab dem Jahr 1933 besuchte er die Bundeslehrerbildungsanstalt am Grazer Hasnerplatz. Dort lernte er den jungen Kommunisten und späteren Spanien-Kämpfer Josef Martin Presterl kennen; durch ihn erfuhr er eine erste entscheidende Politisierung, ihm vertraute er auch seine ersten dichterischen Versuche an. Im Jahr 1935 schließlich entschloss sich Zach mit einigen seiner Freunde zur Bildung einer zunehmend marxistisch orientierten Gruppe, dem ,,Jungfreiheitsbund“. Wenig später entwickelte sich daraus ein „Studentenarbeitsbund“: Man traf sich regelmäßig und betrieb, ohne in offene Opposition zum ständestaatlichen System zu treten, antifaschistische Agitation, vor allem auf kultureller Ebene. Auf dieser Basis entstand ab 1938 ein weit verzweigtes Netz von Widerstandsaktivisten, dessen Mittelpunkt Zach gewe- | sen ist. Kurz nach Antritt seiner ersten Stellung als Lehrer an einer Grazer Volksschule musste er, dem das Hitlerregime verhasst war, zur Deutschen Wehrmacht einrücken und in der Folge den Polenfeldzug mitmachen. Es gelang ihm allerdings, sich diesem militärischen Zugriff bald wieder zu entziehen: Anfang 1940, auf einem Urlaub, täuschte er einen Skiunfall vor und galt somit für die Dauer eines Jahres als wehrunfähig. In der Folgezeit war es ihm möglich, wieder seinem Lehrerberuf nachzugehen, vor allem aber seine Tätigkeit im Widerstand zu intensivieren: Seine Gruppe erweiterte sich um neue Mitstreiter, Streuzettel und Flugschriften wurden in Graz und im näheren Umland verteilt, und man versuchte auch innerhalb der Hitlerjugend, diese als „legalen Unterschlupf“ nutzend, agitatorisch zu wirken. Am 31. Oktober 1941 jedoch wurde Richard Zach „wegen Verdachts, kommunistische Parolen angeschmiert zu haben“ festgenommen. Zunächst kam er ins Grazer Polizeigefängnis, Monate später, im April 1942, wurde er nach Berlin-Moabit überstellt. In der ersten Zeit der Haft gab Zach sich noch Hoffnungen hin und rechnete damit, bald wieder frei zu kommen und seinen Kampf fortsetzen zu können. Noch im September 1942, als das Todesurteil über ihn bereits gefällt war, schrieb er: „Gerade diese Haftzeit mit ihren Entbehrungen ließ ein immer deutlicheres Gerippe meiner zukünftigen Arbeit vor mir entstehen. Ich wollte mich schulen, jede Stunde nützen, nachkommen dem Verlangen, das sich nie mehr in mir ballte als jetzt.“ — Soweit dies nur möglich war, rang der Eingekerkerte sich Verse ab, entwarf er, wie in einem Fieberschub, inmitten des brutalen Zellenalltags Gedichte, eines nach dem anderen und ohne lange an ihnen feilen zu können. Auch wenn er von Zweifeln über sein eigenes dichterisches Können, über den Wert des Geschriebenen, des kurzerhand und wie in einem Wettlauf mit der Zeit Hingeworfenen, geplagt war und es ihm überaus ungewiss erscheinen musste, ob es jemals den Weg zu den Lesern nehmen würde, drängte es ihn dennoch unablässig, sich auszudrücken, die Verzweiflung über die Gegenwart wie die Hoffnung auf eine bessere, demokratische Zukunft, den Hass auf die Machthaber 67