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menden Philosophen Hermann Levin Gold¬
schmidt.
Mit Newmans Aufsatz über die Schweiz, Hans
Otto Horchs Analyse des Werks von Daniel
Ganzfried, Dieter Lampings Beitrag über
Robert Schindel und Andreas B. Kilchers Be¬
zugnahme auf Doron Rabinovici wird still¬
schweigend die im Vorwort beschriebene
deutsch-jüdische Literatur zur deutschspra¬
chig-jüdischen Literatur der Gegenwart.
Der Sammelband ist wegen der genauen, wenn
auch keineswegs vollständigen Analysen aus
deutscher und ausländischer Sicht und nicht
zuletzt der besonders ausführlichen Bibliogra¬
phie besonders empfehlenswert.

Evelyn Adunka

Daniel Hoffmann (Hg.): Handbuch zur
deutsch-jiidischen Literatur des 20. Jahrhun¬
derts. Paderborn: Schöningh 2002. 488 S.
Euro 74,¬

Dieter Lamping (Hg.): Identität und Gedächt¬
nis in der jüdischen Literatur nach 1945. Ber¬
lin: Erich Schmidt 2003. 229 S. Euro 29,80
Sander L.Gilman, Hartmut Steinecke (Hg.):
Deutsch-jüdische Literatur nach der Shoah.
Die Generation nach der Shoah. Berlin: Erich
Schmidt 2002. 272 S. Euro 46,80 (Beiheft zur
Zeitschrift für deutsche Philologie, Band 11).

Die Erfolge des
Hermann Heinz Ortner

Wer war der erfolgreichste österreichische Dra¬
matiker der dreißiger Jahre? Erfolg am Thea¬
ter wird gewöhnlich an Aufführungszahlen und
Tantiemen gemessen. Einige Autoren fallen ei¬
nem da ein: Max Mell, Hans Saßmann,
Friedrich Schreyvogl. Unter den erfolgreichen
Typen der negativen Kontinuität war der er¬
folgreichste aber Hermann Heinz Ortner. Julia
Danielczyk hat der Karriere dieses Erfolg¬
reichen eine aufschlußreiche Studie gewidmet.
Ortners Erfolg reichte von der Ersten Republik,
über den Austrofaschismus bis zum National¬
sozialismus. Er erscheint hierin als Prototyp,
man kann, meint die Autorin, Ortners Leben
„gleichsam als Schablone für die Biographie
vieler verwenden“ (148f.). Gerade deshalb aber
hat sich der genaue Blick auf die Erfolgs¬
strategien Ortners gelohnt. Der „Selbstinsze¬
nierung“ und den „Vermarktungsstrategien“
Ortners nachgehend, haben wir so etwas wie
eine Studie zur Ökonomie des Opportunismus
in der Hand.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ortner Mit¬
glied der Sozialdemokratischen Partei (seine
Mitgliedschaft ist bis 1924 nachweisbar) und
schrieb pazifistische Dramen. Er war stets be¬
müht, sich über persönliche Bekanntschaften
die Förderung der bereits Erfolgreichen zu ver¬
schaffen. Robert Hohlbaum zählte ebenso zu
den Gönnern des jungen Ortner, wie Felix
Salten, Arthur Schnitzler oder Rudolf Beer.

Ortner zeigte jeweils die Seite, die der ande¬
re sehen wollte: Hohlbaum lobte das aus ka¬
tholisch-ländlicher Motivik zusammenge¬
setzte Drama „Tobias Wunderlich“, das, noch
als Fragment, mit seiner Unterstützung 1928
den Preis der Stadt Wien erhalten sollte.
Schnitzler empfahl Ortner an Beer, der dann
das pazifistische Drama „Wer will unter die
Soldaten“ 1931 am Wiener Raimundtheater ur¬
aufführte. Mit „Tobias Wunderlich‘ erreichte
Ortner 1929 als Dramatiker den Olymp
Burgtheater, in dem er fortan noch sehr oft
reüssieren sollte.

Die Autorin hat den umfangreichen Nachlaß
Ortners am Adalbert-Stifter-Institut in Linz er¬
schlossen und penibel recherchiert, wie Her¬
mann Heinz Ortner durch Mitgliedschaft und
Aktivität in den kulturpolitischen Organisatio¬
nen seine Karriere befördern konnte. Der Be¬
triebsamkeit Ortners folgend, werden die vor¬
handenen Darstellungen zur Geschichte der
Schriftstellerorganisationen in Österreich
durch erschreckende Geschichten ergänzt. Der
Kulturfunktionär Ortner nützte seinen Einfluß
und leistete seinen Beitrag zur Unkultur der
hinterhältigen Intervention. Bei den vielen Mit¬
gliedschaften Ortners, verzeichnet in der in¬
struktiven Lebenschronologie am Ende des
Buches, verliert man leicht die Übersicht, die
Ortner selbst wohl nicht benötigte. Wesentlich
ist, daß Ortner als erfolgreicher Schriftsteller
des austrofaschistischen Ständestaates — er war
mit Schuschnigg gut bekannt und seine Dra¬
men ornamentalisierten den politischen Katho¬
lizismus — 1933 zu der Gruppe „national“ ge¬
sinnter Schriftsteller gehörte, die aus dem PEN¬
Club austraten, im selben Jahr illegales
Mitglied der NSDAP wurde und 1936 den na¬
tionalsozialistischen „Bund deutscher Schrift¬
steller Österreichs“ mitbegründete. Nach der
Annexion Österreichs durch Hitlerdeutsch¬
land, die Ortner mit einem Beitrag zum „Be¬
kenntnisbuch deutscher Dichter“ hymnisch be¬
grüßte, wurde er zu einem Literatur-Pro¬
tagonisten des NS-Regimes. Danielczyk be¬
zeichnet die Zeit von 1939 bis 1942 als „die
erfolgreichste Zeitspanne seiner Karriere“, er
wurde zu einem „der bestverdienenden Auto¬
ren der Zeit“ (98).

Daß sie mit dem Nationalsozialismus eigent¬
lich nichts zu tun gehabt, ja diesen sogar ab¬
gelehnt hätten, gehörte zu den gängigen Ver¬
teidigungsstrategien nationalsozialistischer
Autoren nach 1945. Auch Ortner versuchte,
sich als Opfer und Widerstandskämpfer aus¬
zugeben. Einige Intrigen gegen ihn, der selbst
intrigierte, was das Zeug hielt, sollten ihm jetzt
als Beleg seiner Unschuld dienen. Diese Hin¬
tergründe hat Julia Danielczyk ebenfalls ge¬
nau dargestellt. Nationalsozialistische Schrift¬
steller wie Kurt Ziesel und Mirko Jelusich hat¬
ten während des NS-Regimes den erfolgrei¬
chen Konkurrenten zu Fall bringen wollen. Ins
Treffen hatten sie dabei seine ehemalige Nähe
zum „Ständestaat“ und seine früheren Ehen ge¬
führt. Ortner war bis 1927 mit der jüdischen
Sängerin Berta Schirmer-Schermann und ab
1930 mit der von den Nazis später als

„Mischling ersten Grades“ eingestuften Burg¬
Schauspielerin Elisabeth Kallina verheiratet ge¬
wesen, von der er sich 1937 scheiden hatte las¬
sen. 1943 wurde Ortner aus der NSDAP aus¬
geschlossen, er erreichte aber schon 1944 sei¬
ne Wiederaufnahme und im Februar 1945 sei¬
ne „volle Rehabilitierung“ (110). Später be¬
hauptete er, gerade während dieser Zeit im
Widerstand gewesen zu sein. Im Mai 1945 ließ
er sich sogar einen Ausweis als „Chef der
Widerstandsgruppe“ von Bad Kreuzen in
Oberösterreich, wo die Familie lebte, ausstel¬
len.
In der Folge versucht sich der 1947 „entnazi¬
fizierte‘“ Ortner, dem es nicht mehr gelingt, sei¬
ne Karriere als Erfolgsdramatiker fortzusetzen,
als eifriger Kulturfunktionär. Dazugehören
bleibt wohl die Maxime bis zu seinem Tod
1956: Ortner tritt dem Bund sozialistischer
Akademiker (BSA) bei, übernimmt dort das
Amt des Obmanns der Landesorganisation
Salzburg und wird Mitglied verschiedener so¬
zialistischer Schriftstellervereinigungen.
Schließlich begründet er die „völkerverbin¬
dende“ Musikolympiade („Friede durch
Kunst“ hieß das Motto), deren Komitee zwar
prominent besetzt war, die allerdings, von zwei
Kongressen abgesehen, nicht stattfinden soll¬
te.
Der erfolgreiche NS-Schriftsteller wird in die¬
sem Buch nicht als das außerordentliche Wesen
dargestellt, das man entlarvt - vom Außenseiter
zum Übermenschen und dann zum albernen
Museumsstück. Wie einfach wäre das, aber
Julia Danielczyk ist den langwierigen Weg ge¬
gangen. Ortners Verstrickungen spiegeln die
Verstrickungen eines Literatur- und Theater¬
betriebs ins Verbrechen, und der Typus, wie er
hier geduldig geschildert wird, existiert wei¬
ter. Auch das ist das Beklemmende an dieser
Ökonomie des Opportunismus. Opportunis¬
mus ist ein Thema für die Komödie, aber das
Lachen will sich hier nicht einstellen. Es ist be¬
drückend zu lesen, wie einer überall sich an¬
bietet und dabei das Verbrechen durch
Schreiben befördert. Fragt man nach einer
Konstante in Ortners Schreiben, so ist es der
Antisemitismus. Er spielt im „Tobias Wun¬
derlich“, dem bieder-katholischen Legenden¬
Drama von 1929, ebenso eine wichtige Rolle
wie im Geschichtsfresko „Isabella von Spa¬
nien“, das an über 250 Bühnen zur Aufführung
kam und zum „‚Renner‘ der Theatersaison“
1939/40 wurde (57). Ortner ist nicht nur ein
Nazi-Dichter, sein Wirken gehört zum Wesen
des Nationalsozialismus.

Peter Roessler

Julia Danielczyk: Selbstinszenierung. Ver¬
marktungsstrategien des österreichischen
Erfolgsdramatikers Hermann Heinz Ortner.
Mit einem Vorwort von Hilde Haider-Pregler.
(Blickpunkte. Wiener Studien zur Kulturwis¬
senschaft. Hg. von H. Haider-Pregler und
Wolfgang Greisenegger. Bd. 8). Wien: Wilhelm
Braumüller 2003. 176 S. Euro 26,90/SFr
48,60.

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