Aus Anlaß ihres dritten Todestages
Am 7. November 1997 fand in New York City
eine Gedenkveranstaltung (Memoria) für die
am 11. Juni 1997 verstorbene Mimi Gross¬
berg statt. Es waren ungefähr fünfzig Perso¬
nen anwesend. In MdZ Nr. 2 und 3/1997,
S. 34f. bzw. 7, haben wir bereits zwei aus die¬
sem Anlaß entstandene Texte von Helga Em¬
bacher/Albert Lichtblau und Angelica Schütz
veröffentlicht. Die nun hier versammelten
Beiträge fanden keine Aufnahme in den Ka¬
talog der Mimi Grossberg-Ausstellung der
„Österreichischen Exilbibliothek“; sie wur¬
den damals von Wilhelm Donath, dem Präsi¬
denten des „Literarischen Vereines“, in dem
Grossberg in den letzten Jahren ihres Lebens
wiederholt gelesen hat, von Christine Schul¬
ze, der Programmkoordinatorin des Vereins,
Gregorij von Leitis und ihrer langjährigen
und besten Freundin Friederike Zeitlhofer
vom Austrian Cultural Institute vorgetragen.
Im Anschluß wurde Mimi Grossberg, die die
Musik Franz Schuberts liebte, durch ein
musikalisches Schubert-Programm_ geehrt.
—- Wir danken Walter Grünzweig (Dortmund)
für die Zusammenstellung der Beiträge.
Mimi Grossberg — wie von
Schnitzler erdacht
Eine Wiener Modistin aus einer Zeit, in der
diese Stadt zu Recht in der ganzen Welt den
Ruf hatte, daß Dichter, Maler, Komponisten
— eben Künstler - ihren Reichtum, ihr Güte¬
zeichen ausmachten.
Ich habe keinen Hut von ihr gesehen, aber ich
bin ganz sicher, die Gebilde der Mimi Gross¬
berg waren voller Phantasie, Charme und
Eleganz. Diese Begriffe waren einmal Ma߬
stab in dieser Stadt. Wen wundert es da, daß
Mimi Grossberg nicht nur Gedichte für weib¬
liche Wesen aller Stände und Altersklassen
zauberte, daß Mimi Grossberg auch Gedichte
auf Papier geschrieben hat? Dafür muß man
an Mimi Grossberg denken: sie hat Schönheit
in das Leben der Menschen gebracht.
Wenn sich Talent mit Herzensgüte trifft,
dann kommen solche Wesen meistens in den
Geschichten der Dichter vor, im wirklichen
Leben sind diese Geschöpfe äußerst rar. Rar,
rar und noch einmal rar! Wenn das aber dann
doch passiert, wird die ganze Welt durch ei¬
nen Menschen lebenswerter. An so einen
Menschen muß man nicht nur denken: dank¬
bar denken! Ich fühle mich Mimi Grossberg
zweifach verbunden: durch ihre Verehrung
für Arthur Schnitzler, über den sie mehrmals
geschrieben hat, und dessen Tagebuch-Aus¬
gabe ich seit mehr als zwanzig Jahren betreue
— und durch die Adresse, an der ich seit lan¬
gem wohne und an der sich der Firmensitz
von Mimi Grossbergs Vater befand, sie ihre
Kindheit verbrachte. Ich erfuhr diese Tatsa¬
che zufällig aus einem Interview, und es ent¬
spann sich eine sehr liebenswürdige Korre¬
spondenz, liebenswürdig und originell, wie
diese ganze kleine große Dame eben war. Ich
könnte mir denken: Arthur Schnitzler hätte
Mimi Grossberg in einer Novelle ein Stück¬
chen Ewigkeit verliehen.
Peter Michael Braunwarth
Der Heimgang unserer guten Mimi Gross¬
berg betrübt mich zutiefst. Eines der vielen
Opfer des Jahres 1938, hatte sie in Amerika
eine neue und voll akzeptierte Heimat gefun¬
den, nie aber ihrer alten entsagt. Wohl kaum
jemand wird ohne Rührung ihre Schilderung
des wiedergefundenen Österreich — der Mär¬
chenfee Österreich, wie sie es nennt - in ih¬
rem Buch „The Road to America“ nachlesen.
Menschlichkeit war das Empfinden, das sie
über all die Bitternisse, die sie erleben mußte,
stellte, und diesem Gefühl allein diente auch
ihr bemerkenswertes schriftstellerisches und
dichterisches Talent. Mimi Grossberg war
die Autorin mehrerer der österreichischen
Exilliteratur gewidmeter Anthologien. Die
Vorbereitung einer von ihnen, die dem dich¬
terischen Werk von Exilautoren des Jahres
1938 in den Vereinigten Staaten gewidmet
war, brachte mich in meiner damaligen
Funktion als Leiter des Österreichischen
Kulturinstitutes New York in enge Zusam¬
menarbeit mit der Autorin. Ursprünglich nur
als eine Reihe von Veranstaltungen im Kul¬
turinstitut geplant, die dann auch stattfand,
wurde dank der sorgfältigen und unermüdli¬
chen Sammlertätigkeit Mimi Grossbergs dar¬
aus eine Veröffentlichung des Austrian Cul¬
tural Institute unter dem Titel „1938: Ge¬
schichte im Gedicht“, die schon ihre dritte
Auflage erlebt hat. Welch eine Genugtuung
zu sehen, wie sehr Mimi Grossberg dieses
Büchlein als ihr Herzenskind aufnahm!
Tiefe Empfindsamkeit und vornehme Aus¬
drucksweise, wie ich einmal in einem Vor¬
wort niederschreiben konnte, kennzeichne¬
ten ihre Lyrik, und ihre Lyrik war der Aus¬
druck ihrer selbst. Ja, Vornehmheit und
Standhaftigkeit in ihrer Geisteshaltung haben
Mimi Grossberg zur Siegerin über alle Un¬
bill, die ihr zur Zeit der Blüte ihres Lebens
zugefügt worden war, gemacht. In Trauer,
aber auch in lichtvoller und bleibender Erin¬
nerung nehmen alle, die sie gekannt haben,
von ihr Abschied.
Dr. Fritz Cocron
Obwohl ich mir des Alters von Mimi (Jahr¬
gang 1905) bewußt war - hatte ich sie doch in
zwei meiner Anthologien vorgestellt und ihre
lyrische Arbeit in einer Reihe von Referaten
und Aufsätzen gewürdigt — so kam der New
Yorker Anruf, daß die Autorin am 2. Juni
verstarb, doch wie ein Schock. Mimi Gross¬
berg wird uns als liebenswürdige Mitarbeite¬
rin und Korrespondentin und als unermüd¬
lich um die Veröffentlichung österreichi¬
scher Exilautoren bemühte Herausgeberin
fehlen.
Nachdem ihr letzter Band in englischer Spra¬
che unter dem Titel „The Road to America“,
1986, Austrian Institute, N.Y., erschien, frag¬
te ich sie, ob man schließen dürfe, daß sienun
Amerikanerin geworden sei. Darauf antwor¬
tete sie mir: „Ich habe nie mein Europäertum
abgestreift, bin nie Amerikanerin geworden!
Wenn ich bezüglich der herrlichen Land¬
schaften dieses Kontinents sagte: ‚Das ist
mein Amerika‘, meinte ich damit nicht ‚Das
ist mein Amerika‘, sondern meinte, ‚das ist
das Einzige an Amerika, woran mir liegt‘.
Und wenn ich amerikanische Gedichte ins
Deutsche übersetzte, war das nicht, weil ich
ins Amerikanische einrückte, sondern weil
ich hoffte, sie dadurch für mich brauchbar zu
machen ... bei meiner Ankunft hier (war ich)
bereits dreiunddreißig und ein voll entwi¬
ckelter Mensch, der nicht alles bereits Erwor¬
bene im Stich lassen wollte — der eine voll
entwickelte Kultur nicht vergessen und eine
neue, die ihm nur in einem Punkt wichtig er¬
schien (die Constitution), dagegen nicht ein¬
tauschen wollte oder konnte.“
Und in einer Reihe von Gedichten besingt sie
die großartige Landschaft des amerikani¬
schen Westens und Südwestens.
Mimi Grossberg war Mitglied des Österrei¬
chischen PEN und erhielt das Goldene Eh¬
renzeichen für Verdienste um die Republik
Österreich.
Alle, die Mimi gekannt haben, werden sie in
treuem Gedenken behalten.
Dr. Lisa Kahn, Houston
„„.. When something happens ...“
I first met Mimi forty years ago, in May
1957. We were cabinmates on the Maasdam.