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whose bilingual report The Road to America,
issued ten years ago under the auspices of the
Austrian Cultural Institute, is an impressive
literary and pictorial record of her wide-rang¬
ing mediating activities and an enduring
memorial to a great creative and recreative
spirit. As we say in the Jewish tradition,
“May her memory be for a blessing.”

Harry Zohn

Gedächtnis der Frauen

Ein Film von Nadja Seelich und
Bernd Neuburger

Seelich und Neuburger dokumentieren in
diesem Film die Biografien einiger Frauen,
die im Dritten Reich im Widerstand waren,
Einzelhaft und Konzentrationslager überleb¬
ten. Der Schwerpunkt der Erzählungen der
Frauen sollte laut Aussagen von Nadja See¬
lich nicht auf den Greueln der Konzentra¬
tionslager liegen, sondern auf der Bewälti¬
gung des Lebens danach.

Jeweils eine Frau aus Deutschland, der
Tschechoslowakei, Slowenien und Öster¬
reich treffen sich in einem Kaffee in Mantua.
In ihren Erinnerungen taucht ihre Vergan¬
genheit als Widerstandskämpferinnen gegen
das nationalsozialistische Regime und ihre
Verhaftung durch die Nazi-Schergen auf. Sie
erinnern sich an die Verhöre, an ihre zum
Teil über ein Jahr dauernde Einzelhaft und an
die Deportation ins Frauenkonzentrationsla¬
ger Ravensbrück. Drei von ihnen sind in die¬
ser Zeit Freundinnen geworden und es bis
heute geblieben. Sie erzählen, wie es ihnen
gelungen ist, das Lager zu überleben und
nach dem Krieg ein neues Leben zu begin¬
nen. Als sie nach der Befreiung heimkehren
konnten, hatten sie nicht den gleichen Weg.
Alle vier wollten natürlich in ihre Heimat,
aber keine der Regierungen der Heimatlän¬
der ließ sie abholen. So traten sie in monate¬
langen einsamen Fußmärschen ihren Heim¬
weg an.

Die Frauen erzählen erzählen ohne Bitterkeit.
Selbst die Niederlagen, die sie in der Nach¬
kriegszeit in den jeweiligen Ländern erleben
mußten, vermochten ihre Kraft nicht zu bre¬
chen. So wurden sie zum Beispiel immer
wieder verdächtigt, mit den Nazis kollabo¬
riert zu haben. Denn „wie hätten sie denn
sonst überleben können“, hieß es nur allzu
oft.

Alle vier suchten nach dem Krieg in der kom¬
munistischen Partei eine neue politische Hei¬
mat. Drei von ihnen mußten auch hier ihre
Enttäuschungen erleben, und als sie aus der
Partei austreten wollten, schlug das Parteige¬
richt mit mächtiger Faust zu. Nur die alte Da¬
me aus Deutschland ist noch immer über¬
zeugte Kommunistin.

Die Frauen, von denen drei über achtzig sind
— nur die jüngste, auf slowenisch Rumpel¬
stilzchen (Rappa) genannt, ist ‚erst‘ 77 — ge¬
ben auch heute ihren Kampf gegen Faschis¬
mus und Ungerechtigkeit nicht auf. Ihnen gilt

die Zeit in Gefängnis und Lager nicht als eine
verlorene.
Cecile Cordon

„Gedächtnis der Frauen“ wurde mit Hilfe
des EU-Programms INTERREG Small Pro¬
Jekt Funds und mit Unterstützung des Frau¬
enbüros der Stadt Wien, sowie des National¬
fonds fiir die Opfer des Nationalsozialismus
realisiert. Leider gab es nur eine einzige Vor¬
stellung im Votiv-Kino. Der Film. ist inzwi¬
schen jedoch auf Video erhältlich, und es ist
zu wünschen, daß noch viele sich von der po¬
litischen Wachsamkeit dieser Frauen anste¬
cken lassen.

Wiederentdeckung eines
Journalisten

Sowohl Feuilletonist als auch Chronist seiner
Zeit, der kulturelle und politischen Tenden¬
zen zu deuten und zu beschreiben verstand,
war Richard A. Bermann alias Arnold Höll¬
riegel zwischen 1914 und 1938 einer der füh¬
renden Journalisten deutscher Sprache, je¬
doch hat ihn sein früher Tod im amerikani¬
schen Exil dem Bewußtsein des Lesers ent¬
schwinden lassen.

Mit der Veröffentlichung von Bermanns Au¬
tobiographie — wiewohl Fragment geblieben
— hat der Picus Verlag nachhaltig wieder auf
diesen Autor aufmerksam gemacht, was nun¬
mehr durch eine Auswahl Bermannscher
Feuilletons und Reportagen fortgesetzt wur¬
de. Die Sammlung umfaßt den Zeitraum vom
30. Dezember 1911 bis zum 23. Jänner 1938.

Bermann war Journalist mit Herz und Seele,
der sein Handwerk beherrschte. Die Kunst,
kurze und pointierte Skizzen zu schreiben,
habe er durch die Prosa Peter Altenbergs ge¬
lernt, betonte er immer wieder, was sein
Lehrmeister wohl gar nicht wußte. Als Mitar¬
beiter der „Zeit“, der „Stunde“, des „Berliner
Tageblatts“ und des „Wiener Tags“ beliefer¬
te Bermann wesentliche Zeitungen mit Bei¬
trägen.

Sein Blick hinter die Kulissen ließ ihn Ent¬
wicklungen klar und deutlich erkennen,
wenn er etwa 1919 über den Bolschewismus
schreibt: „Mit dem jakobinischen Terror hat
der bolschewikische das systematische Wü¬
ten gemeinsam, die blutige Vergewaltigung,
die Lähmung der Gesellschaft, aber auch ei¬
ne ungeheure Energie, der oft das Unmögli¬
che gelingt. Wie die Jakobiner haben die Bol¬
schewiken sich gegen die ganze Welt zu be¬
haupten und wie die Jakobiner möchten sie
im Namen des Friedens und der Freiheit die
ganze Welt unterwerfen.“

Im Gegensatz zu anderen Autoren und Jour¬
nalisten, die mit Begeisterung den Ersten
Weltkrieg begrüßten und ihren „Hurra-Pa¬
triotismus“ später leugneten, ist Bermann be¬
reits nach wenigen Kriegswochen zum Pazi¬
fisten geläutert, der er sein Leben lang blei¬
ben sollte. Obwohl er sich von der offiziellen
Propaganda anfangs täuschen ließ, daß der
Krieg gegen Rußland ein „patriotischer Ver¬

teidigungskrieg“ sei, hat er sich später davon
nicht nur distanziert, sondern auch geäußert:
„Ich bekenne, sehr oft und sehr tief geirrt zu
haben.“ Eine Haltung, die so mancher Jour¬
nalist vermissen läßt. „Nur Gott, die großen
Propheten und die kleinen Spießer irren sich
nie. Das gibt den Spießern die göttliche
Überlegenheit.“

Seine Weltgewandtheit und Vielsprachigkeit
hatten Bermann zu einem Kosmopoliten ge¬
macht. Lange bevor er gezwungen war, nach
Amerika zu emigrieren, hatte er Hollywood
bereits besucht und kritisch aus der Filmme¬
tropole berichtet. Und noch etwas zeichnet
Bermann-Höllriegel aus: Er war radikal ehr¬
lich, auch wenn sich er selbst dadurch nicht
immer ins beste Licht stellte. Da begegnet er
bei einem Empfang seinem Freund Charlie
Chaplin, doch dieser unterhält sich mit Chur¬
chill, und sein Verleger hatte ihn eindringlich
gewarnt, einen Konktakt mit Churchill zu su¬
chen, da dieser ein Vorwort für ein Ber¬
mann-Buch schreiben soll, doch Bermann
dürfe Churchill nicht drängen, bevor dieser
das Manuskript gelesen hat. Also spricht er
weder mit Churchill noch mit Chaplin. Den¬
noch hatte Churchill das Vorwort geschrie¬
ben, allerdings sind die beiden Männer ein¬
ander später nie mehr persönlich begegnet.
Aufgrund seiner Popularität und seiner be¬
kannt pazifistischen Einstellung war Ber¬
mann als Journalist Mitglied der österreichi¬
schen Delegation an den Friedensverhand¬
lungen von St. Germain, wovon er auch in
seiner Autobiographie berichtet; und man
liest, was man zwar vermutet hatte, aber in
keinem Geschichtsbuch findet.

Überaus aufschlußreich für die politische Si¬
tuation in Österreich während der Schu¬
schnigg-Zeit am Vorabend der Annexion
Österreichs durch Nazi-Deutschland ist Ber¬
manns Artikel über den Besuch der briti¬
schen Herzogin von Atholl, die in Linz und
Wien Vorträge abhielt. Bermann fungierte
als ihr Begleiter und Übersetzer auf dieser
Reise. Erstaunt mußte die britische Herzogin,
die mit Churchill befreundet war, erfahren,
daß es Dinge gab, die man in Österreich in
diesen Tagen besser nicht äußerte: etwa zu
behaupten, der Spanische Bürgerkrieg wäre
von deutschen Nazis entfacht worden und
nicht von den Kommunisten, wie es allge¬
mein hieß. Das offizielle Österreich, in der
Gestalt der maßgeblichen Politiker, vermied
es, mit der Herzogin in Kontakt zu treten.
Liebevoll, jedoch ohne deswegen die kriti¬
sche Distanz zu verlieren, sind Bermann¬
Höllriegels Würdigungen und Nachrufe auf
Freunde und Menschen, die ihm nahe stan¬
den, wie etwa sein Schulkollege Leo Perutz,
sein Verleger Samuel Fischer oder sein Lehr¬
meister Peter Altenberg. Er zeichnet plasti¬
sche Bilder großer Männer, wobei die Palette
von Victor Adler, Thomas Masaryk über Sla¬
tin Pascha, der eigentlich Rudolf Karl hieß,
bis Alexander Moissi, Josef Sternberg, Her¬
mann Bahr, Gustav Klimt und Charlie Cha¬
plin reicht. Bermann gelang es, die individu¬
elle Physiognomie eines Politikers oder

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