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Verfolgung und des Widerstandes gleichge¬
setzt. Die Debatte um die NS-Vergangenheit
Waldheims, sowie der ursprüngliche Streit um
das Hrdlicka-Denkmal bewegte sich noch auf
der Ebene eines solchen unreflektierten
Antifaschismusbegriffs. Zugleich aber wurde
im Zuge der Auseinandersetzung mit dem
konkreten Schicksal Überlebender, mit ihren
Biographien, ihrer Literatur und ihren Werken
die besondere Gefahr des Nationalsozialismus
und Antisemitismus nachvollziehbar. Es wa¬
ren Überlebende der Shoah, wie etwa Jean
Améry, Claude Lanzmann oder die Lyrikerin
Stella Rotenberg, die zu dieser dringend not¬
wendigen Irritation beitrugen. In Stella
Rotenbergs Beschreibung ihrer Geburtsstadt
Wien - jenes unheimlichen Orts, an dem man
„wirklichen Mördern begegnen konnte“ —
drückt sich eine Unversöhnlichkeit aus, die uns
nicht zur Ruhe kommen lässt, die Identifi¬
kation zugleich möglich und unmöglich macht
und uns damit zur Konfrontation mit der Täter¬
gesellschaft herausfordert.

Der in den achtziger und frühen neunziger
Jahren einsetzende Boom an Einzelstudien
zum Thema Nationalsozialismus, Verfolgung,
Exil und Widerstand war außerordentlich
wichtig, weil diese Arbeiten endlich das
Augenmerk auf die konkrete Lage der Juden
legten. Aber er barg und birgt zugleich auch
die Gefahr einer gewissen Akademisierung.
Nicht nur die notwendige Empörung darüber,
dass möglich war, was geschah, droht im uni¬
versitären Betrieb verloren zu gehen, durch die
Konzentration auf das Faktische wird auch der
Zusammenhang des Ganzen ignoriert, auf dem
das missverständliche Diktum Horkheimers
beharrt: „Wer vom Kapitalismus nicht reden
will, soll vom Faschismus schweigen.“ So
wichtig es ist, diesen gesellschaftlichen Ort zu
bezeichnen, dem der Nationalsozialismus
entsprungen ist, und den wir bis heute nicht
verlassen haben, so wichtig ist es hier und jetzt
innerhalb dieses falschen Ganzen dem kate¬
gorischen Imperativ zu folgen, „alles zu tun,
dass Auschwitz sich nicht wiederhole“.

Anmerkungen

1 B. Leineweber, C. Schneider, C. Stillke: Das
Erbe der Napola. Versuch einer Generationenge¬
schichte des Nationalsozialismus. Hamburg 1996.

2 Ebd., 335f.

3 Ebd., 325.

4 Ebd., 326.

5 Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt auch die
Analytikerin Gertrud Hartmann in ihrem Aufsatz
„Die Schatten der Vergangenheit“, in dem sie ihre
Erfahrungen mit mehreren Patienten der Nachfolge¬
generation zusammenfasst: „Wie wenig sie sich von
ihren Eltern getrennt erlebten, zeigte auch ihr man¬
gelndes Zeitempfinden: Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft (sie hatten eigentlich keine Zukunft,
weil sie nur in der Vergangenheit lebten) flossen un¬
entscheidbar ineinander, weil sie unfähig waren, sich
von der Vergangenheit (und der ihrer Eltern) zu 1ö¬
sen.“ ... sie bewegten sich in einem illusionären
Kosmos, einem „Als-ob-Kosmos: Das Böse, das sie

außerhalb ihres Selbst suchten und bekämpften, saß
weder im Selbst noch im Nichtselbst, sondern in der
Destruktivität von inneren und äußeren Objekt¬
beziehungen, und überschattete auch noch die phan¬
tasierten Beziehungen zu den ungeborenen Kin¬
dern.“ In: Kinder der Opfer, Kinder der Täter. Psy¬
choanalyse und Holocaust. Hg. von M. Bergmann,
M. Jucovy und J. Kestenberg. Frankfurt 1995, 261.
6 Vgl. Jochen Bruhn: Was deutsch ist. Freiburg
1994, 153.

7 Vgl. Reinhard Kühnl: Faschismustheorien.
Texte zur Faschismusdiskussion 2. Ein Leitfaden.
Hamburg 1979, 238.

8 So hieß es etwa in dem maoistischen Organ
„Klassenkampf“, daß durch die israelische Repres¬
sion „die gleichen Praktiken von den zionistischen
Machthabern gegen das palästinensische Volk“ an¬
gewendet würden, wie sie die Nazis gegen die Juden
anwandten. (Vgl. Klassenkampf Nr. 1/1973).

9 Jean Améry: Jenseits von Schuld und Sühne.
Bewältigungsversuche eines Überwältigten. Vorwort
zur Neuausgabe 1977. In: J. Améry: Werke Bd. 2.
Hg. von Gerhard Scheit. Stuttgart 2002, 16f.

10 Zitiert nach S. Bolbecher: Es sind die Gejagten
den Jägern voraus. Zur Dichtung von Stella
Rotenberg. In: Stella Rotenberg: An den Quell.
Gesammelte Gedichte. Hg. von S. Bolbecher und B.
Müller-Kampel. Wien 2003, 16.

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Theodor Kramers
Gesammelte Gedichte

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Band 3. Revidiert, erganzt und
herausgegeben von Erwin Chvojka
816 Seiten. Gebunden
€ 39,90 [DJ / sFr 69,- /€ 41,10 [Al
ISBN 3-552-04868-5

Zsolnay Z Verlag

CALL FOR PAPERS

Brüche und Brücken

Exilforschung — wie und fiir wen?

Symposium der Osterreichischen Gesellschaft
fiir Exilforschung (6ge) in Zusammenarbeit
mit dem Institut fiir Zeitgeschichte der Uni¬
versitat Wien und dem Verein fiir Geschichte
und Gesellschaft

Koordination: Dr. Gabriele Anderl/Dr. Sandra
Wiesinger-Stock. advisory board: Dr. Kon¬
stantin Kaiser/Univ.Doz. DDr. Mag. Oliver
Rathkolb/ao.Univ.Prof. Dr. Friedrich Stadler/
em.Univ. Prof. Dr. Erika Weinzierl

Ort: Aula am Campus der Universitat Wien,
1090 Wien, Spitalgasse 2-4/Hof 1

Termin: 27. — 29. Oktober 2004

ForscherInnen aller Disziplinen sind eingela¬
den, sich vom 27. bis zum 29. Oktober 2004
beim Symposium

„Brüche & Briicken. Exilforschung — wie und
für wen?“ an der Universität Wien mit der Be¬
deutung der Erfahrungen und kreativen Leis¬
tungen der unter dem Nationalsozialismus aus
Österreich vertriebenen, nun in allen Teilen der
Welt lebenden Menschen und ihrer Nach¬
kommen auseinanderzusetzen.

Die Erfahrung des Exils mussten in Österreich
im 20. Jahrhundert aufgrund ihrer Herkunft
oder Weltanschauung mehr als 135.000 Men¬
schen machen. Welche Brüche und Verluste
hatten sie zu erleiden? Was für neue Impulse
haben sie und die Kultur in Österreich ande¬
rerseits dadurch erhalten? Das Exil ist Teil der
österreichischen Geschichte und Gegenwarts¬
kultur. Die allgemeine Unkenntnis der Leis¬
tungen und Einflüsse exilierter österreichischer
Künstler, Wissenschaftler und Intellektueller
zieht sich bislang allerdings nicht nur durch
weite Bereiche unserer Gesellschaft, sondern
auch der einzelnen Wissenschaften; vom All¬
tag des Exils ganz zu schweigen Eine demo¬
kratische österreichische Kultur nach dem Ho¬
locaust erfordert daher eine neue Form der
Auseinandersetzung mit dem Thema im Rah¬
men einer systematischen Exilforschung und
ihre Öffnung für eine breitere Öffentlichkeit
Im Zentrum des Symposiums stehen

1) die Frage der Rückkehr bzw. Nicht-Rück¬
kehr nach Österreich. Ihre Gründe, ihre Folgen
(für die ExilantInnen, für Österreich und sei¬
ne Kultur(en) bzw. internationale Entwick¬
lungen in Gesellschaft, Wissenschaft und
Kunst);

2) methodische Fragen, Didaktik und Ver¬
mittlungspraxis der in Österreich noch nicht
universitär verankerten

transdisziplinären Exilforschung sowie ihr ge¬
samtgesellschaftlicher Nutzen;

3) Desiderata der Exilforschung aus den Kul¬
tur-, vor allem aber den Sozial-, Wirtschafts-,
Human- und Naturwissenschaften.

Es schließt damit exakt an das erfolgreiche
Symposium von 2001 an, aus dem die Öster¬

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