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ORPHEUS IN DER ZWISCHENWELT ORPHEUS zu der U.E. zurückkehren würden. |... Es folgt eine Bemerkung über die schwierige finanzielle Lage des Verlags] Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine andere Frage anschneiden, die mit dieser vorhergehenden nicht unbedingt in Zusammenhang stehen muss, aber kann. Haben Sie schon darüber nachgedacht, ob Sie sich dazu entschliessen könnten, Ihren Wohnsitz nach Wien zu verlegen? Wir haben die Hoffnung, Wien wieder zu einem Mittelpunkt des modernen Musiklebens zu machen. Die Aussichten sind jetzt nach den Jahren erzwungener Enthaltsamkeit mehr gegeben als jemals. Ich möchte von Ihnen nur die grundsätzliche Antwort haben, ob Sie im Falle einer Berufung durch eine öffentliche Stelle grundsätzlich bereit wären, in Verhandlungen zu treten.” Für wie wichtig und unmittelbar mit der Frage der Rückkehr verknüpft man die Ehrenpräsidentschaft Schönbergs hielt, zeigt die Mitteilung im Märzheft der Österreichischen Musikzeitung unter der Rubrik „Berichte“: Arnold Schönberg hat der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik telegraphisch mitgeteilt, daß er bereit sei, das ihm angetragene Ehrenpräsidium der IGNM, Sektion Österreich, zu übernehmen. Aus dem Telegramm geht ferner hervor, daß Schönberg geneigt ist, wieder enge künstlerische Beziehungen nach Wien anzuknüpfen. Es ist daher anzunehmen, daß er einer Rückberufung nach Wien gerne Folge leisten würde." Die Bemühungen, Schönberg wieder in Wien anzusiedeln, werden von verschiedenen Seiten betrieben: Bereits Ende Januar 1946 schreibt Ferdinand Czernin, Chairman der Austrian Action New York, an Schönberg und bezieht sich auf den Vorschlag eines „Dr. Graf“ (vermutlich Max Graf, der an die Wiener Musik Akademie zurückgekehrt war), allerdings bemerkt er, er fürchte, Schönberg ziehe eine Rückkehr nicht in Erwägung.” Tatsächlich schreibt Schönberg an Schlee auf dessen Anfrage, ob er ein Angebot aus Österreich annehmen würde, sehr offen: Ein „verlockendes “ Angebot müsste mir einen Ersatz für die Lebenssicherheit und die Bequemlichkeiten, die ich hier aufgeben müsste, bieten, indem es mir zum Beispiel ermöglichen würde, solche Dinge zu leisten, die zu tun ich mir mein ganzes Leben lag gewünscht — vergeblich aber — habe.” Etwa gleichzeitig geht aus Wien ein Brief an ihn ab, in dem der Präsident der Österreichischen Kulturvereinigung, Egon Seefehlner, der Hoffung Ausdruck verleiht, Schönberg möge an die Wiener Akademie zurückkehren und schließt mit der Bemerkung: Es wäre uns eine Ehre und Freude, zu Ihrer Rückkehr in die Heimat, die Ihrer wirklich bedarf, beigetragen zu haben.’ Wenig später hat Schlee sich offensichtlich ebenso wie Viktor Matejka” in dieser Sache an den Wiener Bürgermeister Theodor Körner gewandt, wie er Schönberg berichtet: In unseren Räumlichkeiten veranstalten wir fast allwöchentlich Hauskonzerte vor geladenen Gästen, in denen wir hauptsächlich moderne Musik zu Gehör bringen, denn wir haben ja durch die Absperrung der letzten Jahre sehr viel nachzuholen. In den musikalisch interessierten Kreisen Wiens ist es grosse Mode geworden, zu diesen Konzerten eingeladen zu werden und wir versammeln damit wirklich Alle, die an Wiens kulturellem und musikalischem Wiederaufbau ernstlich interessiert sind. Anlässlich eines unserer letzten Konzerte wurde ein gemeinsamer Brief an den Bürgermeister von Wien, General a.D. Theodor Körner gerichtet, in welchem dem Wunsch Ausdruck gegeben wurde, Sie, verehrter Meister möglichst bald in Ihre Heimatstadt zurückzuberufen.” Wenn Matejka berichtet, er habe „ihm eine Einladung von Bürgermeister Theodor Körner [geschickt], auch die Zusicherung einer Wohnung für den schwerkranken Mann als sein gutes Recht‘, so wird sich dies auf eben jenen Brief vom März 1946 beziehen, in dem Körner eine offizielle Einladung zur Rückkehr ausspricht: Zum Wiederaufbau unseres geliebten Österreichs brauchen wir die grossen Söhne unserer Heimat. Wir sind stolz auf Sie, der Sie den Ruf unserer Musikstadt Wien bis weit über die Grenzen unseres Landes getragen und uns im Ausland geholfen haben, Österreich nicht vergessen zu lassen.” Schönberg reagiert durchaus positiv: Ihre Grossherzigkeit, mich aus der Verbannung zurückzuberufen, die schmeichelhafte Weise, in der Sie das tun, und die ehrenvolle Aufgabe, die Sie mir zumessen: an Wiederaufbau mitzuwirken - all das hat mich aufs tiefste bewegt. Lassen Sie mich Ihnen dafür aufs Innigste danken und der Hoffnung Ausdruck geben: die Umstände mögen meine Wiederkehr ermöglichen.” Auch Schlee bleibt nicht untätig, wohl wissend, daß von der Attraktivität der ‚Umstände’ alles abhängen würde und man Schönberg eine sowohl materiell komfortable als auch künstlerisch interessante Position bieten müsse — und genau hier lag auch die Schwierigkeit. Mitte April berichtet er: Das ,, verlockende Angebot“ wird von mir und Ihren Freunden inzwischen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln vorbereitet. Wir haben Fühlung mit allen in Frage kommenden Stellen aufgenommen und stehen in konkreten Verhandlungen. Wir haben berechtigte Hoffnungen zu glauben, dass in nicht allzulanger Zeit ein konkretes Angebot an Sie gemacht werden wird.” Offensichtlich ging es nicht so schnell, wie Schlee sich erhofft hatte. Gleichwohl scheinen aber sofort Gerüchte zu kursieren. Anfang November jedenfalls beginnt Josepf Rufer einen seiner Briefe unmittelbar mit der Frage: In Salzburg hörte ich, daß man Ihnen von Wien die Leitung der Akademie angetragen hat und Sie abgelehnt hätten. Ist das richtig?” Umgehend dementiert Schönberg dieses Gerücht gegenüber Schlee: Ein Freund aus Deutschland schreibt mir man habe ihm gesagt, mir sei die Stelle als Leiter der Musik-Akademie angeboten gewesen, ich habe aber abgelehnt. Ich bin unfähig jetzt zu sagen, ob ich das getan hätte, oder ob ich mich zur Annahme entschlossen hätte. Aber ich halte es auf alle Fälle für notwendig, zu erklären dass mir ein solcher Antrag nicht gemacht wurde, oder zumindest: dass ich einen diesbezüglichen Brief nicht erhalten habe.” Schlee antwortet Ende Januar 1947: Es wurde hier sehr viel darüber gesprochen, dass Stadt und Staat Ihnen gemeinsam ein Angebot machen wollten, das Ihnen die Möglichkeit gäbe, bei einer Uebersiedlung nach Wien ganz Ihrem Schaffen zu leben. Ich wurde in diesem Zusammenhang auch einmal gefragt, ob ich glaube, dass Sie die Leitung der Musikakademie übernehmen würden, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass Sie hierbei jedoch nicht mit Arbeit überlastet werden sollten, sondern es sich mehr um eine Ehrenpräsidentschaft handle, für die aber irgendein monatlicher Betrag ausgesetzt werden sollte, d.h. die Stelle sollte so sein, dass Sie jede Tätigkeit, die Ihnen Freude macht, aus79