ORPHEUS IN DER ZWISCHENWELT
Klima vertrage, da ich ja doch sehr empfindlich bin. Am mei¬
sten würde mir, natürlicher-weise, die Südschweiz, Südfrank¬
reich oder Italien zusagen als dauernder Lebensplatz. Auf al¬
le Fälle würde ich also, wenn Sie das mit dem bekannten Mr.
Evarts abmachen können, also natürlicherweise so auf die sel¬
be Art kommen wie der Hindemith: — auf drei Monate, oder ich
weiss nicht wie lange das dann ist, und sehen ob ich weiter blei¬
ben kann.
Selbstverständlich spielt dabei auch die Frage wieviel ich
dafür bekommen kann, eine grosse Rolle. Warscheinlich wer¬
de ich ja die Kinder nicht mitnehmen können sondern würde
sie hier irgend wie in ein Boardinghouse oder eine Boarding¬
schule geben müssen, was ziemlich teuer ist hier.
Es wäre interessant zu erfahren wieviel Hindemith bekom¬
men hat, der ja ein sehr guter Geschäftsmann ist und sicher das
Jenige bekommen hat was erreichbar war. Das möchte ich ganz
gerne auch haben, sagen wir als Minimum.
Wann ich kommen kann ist eigentlich sehr leicht zu beant¬
worten. Wenn ich die Kinder mitnehmen kann, das heisst also
wenn ich mein Haus, zum Beispiel, vermieten kann und einen
genügenden Betrag dafür bekommen kann, oder wenn die Be¬
zahlung entsprechend ist, würde ich ab mitte Juni können. Wenn
nicht, kann ich eventuell früher. Aber ich würde doch die war¬
me Jahreszeit vorziehen.
Ich würde auch gerne erfahren, wie das Programm eines sol¬
chen Engagements auszusehen hat. Wenn ich wirklich in viele
Städte zu reisen hätte, fliegen warscheinlich. So wäre das für
mich ein bisschen schwer. Ich könnte es warscheinlich einrichten,
dass ich eine genügende Anzahl von Vorträgen bereit habe so
dass ich sie zum Teil freisprechen kann oder zum Teil auch le¬
sen. Mir schwebt immer vor, dass ich wenn ich das Klima in
Deutschland zu kalt finde oder zu feucht, oder sonst igendwie
unerträglich, dass ich eventuell, sagen wir, in Südfrankreich oder
in Italien oder in der Südschweiz lebe, und für die Vorträge kur¬
ze Ausflüge immer nach Norden mache.
Ich bin sehr neugierig, was Rosbaud mir vorschlagen wird,
denn scheinbar ist mir der Hindemith irgendwie zuvorgekom¬
men — er ist ja sehr tüchtig. |... ]
Also nun möchte ich zum Schluss noch ausdrücklich sagen,
dass ich Ihrem Plan mich durch die amerikanische Regierung
zu einer Anzahl von Vorträgen und Lectures in Deutschland für
eine längere Zeit oder kürzere Zeit einzuladen, vollkommen zu¬
stimme und Sie bitte das Nötige zu veranlassen. |...]
Zu Ihrer Frage über meine Bedingungen für eine Übersied¬
lung nach Deutschland, muss ich sagen, dass das wohl erst in
Frage käme, wenn ein Platz gefunden wäre an dem ich leben
kann — gesundheitlich, nämlich, wenn die Bedingungen, mo¬
ralisch u.s.w. auch angenehm genug sind. Aber auf alle Fälle
würde es mir sehr schwer fallen solche Bedingungen zu nen¬
nen, denn ich habe keine Ahnung was man in Deutschland zum
Leben, also zu einem etwas komfortablen Leben braucht. Es ist
garnicht ausgeschlossen dass ich Dr. Steineckes Einladung zu
internationalen Kursen zu kommen annehme, wenn ich über¬
haupt hinüber kann.*
Rufer antwortet ihm detailliert und sucht seine Befürchtungen
zu zerstreuen:
Hindemith kam auf eigene Kosten auf Einladungen aus der
Schweiz etc. nach Europa u. wurde durch die Mil. Reg. von der
Schweiz aus für eine 2-3 wöchige Tournee durch Deutschland
verpflichtet, gegen einen Tagespauschalbetrag in Dollar und
Reise. Sie sollen aber von drüben eingeladen werden, mit Ihrer
Frau — so ist es jedenfalls von Evarts hier beantragt worden.
Obs gelingt ist eine zweite Frage, die E. nicht beantworten kann,
er ist ja letztenendes auch nur ein kleines Rädchen. Ich versu¬
che nun meinerseits durch Dr. Curjel, ev. durch Paul Sacher,
Einladungen aus der Schweiz zu entrieren. Längerer Europa
Aufenthalt: von Rosbaud hab ich seit meinen Telefonat nichts
mehr gehört — hat er Ihnen, wie er mir versprochen, geschrie¬
ben? Er wird halt auch mehr wollen, als er kann.. wie wir hier
in.D. alle. Hindemith bleibt in USA, wie er ausdrücklich erklärte!
Strobel ist ganz von ihm abgekommen und hat sein Herz für —
Sie entdeckt... Der merkt auch alles, 30 Jahre später. H.'s Pro¬
gramm bestand in Vorträgen in Hochschulen, Univers. und Diri¬
gieren. Sie würden nur Vorträge halten? |...] Noch etwas betr.
Europa: Südfrankreich dürfte finanz. — vom Dollar her gerechnet,
wenn Sie Ihre Villa in Los A. vermieten — das günstigste sein,
im Vergleich zu Schweiz und Italien, das irrsinnig teuer ist!!”
Schönbergs Korrespondenz mit Rufer vom Februar/März
kreuzt sich mit einem Schreiben Rosbauds vom 7. Februar, in
dem dieser mit Schönberg — nachdem er sich für sein langes
Schweigen entschuldigt - sehr detailliert die Bedingungen für
eine eventuelle Übersiedlung zu klären versucht. Er erfragt die
Größe der Familie und den Raumbedarf für eine Wohnung, die
finanziellen Notwendigkeiten, in den USA bestehende beruf¬
liche Bindungen, schließlich spezielle Bedingungen, an die
Schönberg eine Übersiedlung knüpfen wolle. Strobel erwähnt
er mit keinem Wort.” Schönberg antwortet sehr ausführlich und
offensichtlich an einer Einigung durchaus interessiert:
Ich fürchte ich kann nicht alle Ihre Fragen in vollkommen
zufriedenstellender Weise beantworten. Ich werde mir Mühe ge¬
ben das was ich sagen kann so klar als möglich darzustellen.
Wir sind eine fünfköpfige Familie. Ausser mir und meiner
Frau ist eine ungefähr 17-jährige Tochter, Nuria; ein 12-jähri¬
ger Sohn, Ronald; und ein 8-jähriger Sohn, Larry. Im Falle ei¬
ner Übersiedlung würden jedenfalls alle mit uns kommen. Aber
ich habe öfters in Betracht gezogen, die Kinder eventuell in ei¬
ne schweizerische Boardingschool zu geben — aber das kann
ich von hieraus sehr schwer beurteilen. Ubrigens kann ich die
Frage der Ubersiedlung jetzt noch garnicht in Betracht ziehen,
weil ich ja vor allem wissen muss ob ich in diesem Klima über¬
haupt leben kann und ob auch die Zustände bereits so sind, dass
man vergessen darf was uns angetan wurde.
Auch müsste ich wissen, welche Leistungen man von mir er¬
wartet: nach Art und in Anspruchnahme meiner Zeit. Ich er¬
warte nicht, dass ich mit Schätzen nach Amerika zurückkehre,
aber ich würde doch erwarten dass meine Leitung entsprechend
belohnt wird, so dass ich die Zeit die ich dorten zubringe, ein
komfortables Leben führen kann, so wie ich es hier gewöhnt bin
und auf welches ich gerade in meinem Alter schwer verzich¬
ten könnte.
Zu 1. Ich besitze einige finanzielle Grundlagen. Das ist zu
Ihrer persönlichen Information... Wir besitzen ein wertvolles
Grundstück mit Haus und Garten, und ich habe auch ein ge¬
wisses Einkommen von der ASCAP. und sollte auch von mei¬
nen Verlegern etwas bekommen — das letztere kann ich leider
garnicht rechnen. Aber ich fühle dass dieses Geld eigentlich mei¬
nen Hinterbliebenen gehören sollte. Ich möchte kaum einen we¬
sentlichen Teil davon anrühren.
Zu 3. Ausser Privatschülern bin ich hier an nichts gebun¬
den da ich von der Universität seit meinem 70sten Jahr pen¬