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Da capo! Dabei handelte es sich um eine Revue in 19 Bildern von Willy Rosen. Das fünfte Bild der Revue Bravo! Da capo! hieß „Der Mann, über den man lacht“.”' Obwohl das Gedicht in der Handschrift keinen Titel hat, steht zu vermuten, daß es sich bei den beiden genannten Revueszenen um das Gedicht handelt, welches nun im Nachlaß von Else Rosen entdeckt wurde. Das zweite Gedicht hat in der Handschrift ebenfalls keinen Titel. Hier der vollständige Text dieses Gedichts, so wie es von Willy Rosen handschriftlich niedergeschrieben wurde: Überall gibt's immer einen, über den man lacht! Überall gibt's immer einen, der die Witze macht! Einer ist dazu bestimmt den Narren abzugeben! Das fängt in der Schule an und bleibt so das ganze Leben!! Einer muß als Clown durch das Leben wandern! Ach, die Menschen lachen gern auf Kosten eines andern! Überall gibt's immer einen, über den man lacht Überall gibt's einen, der für euch den Pojaz macht!!” Doch vielleicht hat dieser Eine, tief im Herzen einen Kummer! Und vielleicht findt dieser Eine nachts vor Tränen keinen Schlummer Doch er hat sich daran gewöhnt, den dummen August zu spielen Und er zeigt nichts mehr von seinen Gefühlen [Hier folgen zwei Zeilen, die in der Handschrift durchgestrichen sind.] Doch Verzeihung! Ich komme in's Philosophieren Anstatt etwas lustiges aufzuführen In seinem Buch „Deutschlands Erwachen. Kabarett unterm Hakenkreuz 1933-1945“ hat Volker Kühn ein Fragment dieses Gedichts veröffentlicht, unter dem Titel „Der Pojaz“: Überall gibt's immer einen, Über den man lacht, Überall gibt's immer einen, Der die Witze macht. Einer ist dazu bestimmt, Den Narren abzugeben, Das fängt in der Schule an, Und bleibt das ganze Leben. Einer muß als ewiger Clown Durch das Dasein wandern, Ach, die Menschen lachen gern — Auf Kosten eines andern: Überall gibt's immer einen, Über den man lacht, Überall gibt's einen, Der für euch — den Pojaz macht.” Auffällig ist, daß bei Kühn die zweite Strophe des Gedichts komplett fehlt. Es fehlen somit gerade die Zeilen, die darüber Auskunft geben, was die Person, die in dem Gedicht von sich spricht, innerlich dazu veranlaßt, nach außen hin den Clown zu spielen. Auffällig ist auch, daß bei Kühn das Gedicht im Unterschied zur Handschrift einen Titel trägt, „Der Pojaz“. Der Text des von Kühn veröffentlichten Fragments weicht zudem in den Zeilen 8, 9 und 10 von der Handschrift ab. Auch der Zeilenfall ist völlig anders. 30 — ha et yess Ui etene, he gestae 2 in Maar BEE) Er FA hr F- = se fi {7 VPE Gedicht beginnend mit der Zeile „Überall gibt's immer einen, über den man lacht!“ Handschrift von Willy Rosen. Undatiert. Vorder- und Rückseite des Blatts. Nach Kühn hat Willy Rosen das Gedicht „Der Pojaz“ 1944 „im Konzentrationslager Theresienstadt‘“”' geschrieben. Jedoch gibt Kühn nicht an, woher er das weiß und woher er den Text hat. Jedenfalls liegt uns jetzt das vollständige Gedicht vor. Sehr wahrscheinlich hat Willy Rosen sein Gedicht über den Pojaz in mindestens einer seiner Revuen verwendet. Das jiddische Wort „Pojaz“ ist gleichbedeutend mit „Bajazzo“, einem Spaßmacher oder Clown. Tatsächlich hat Willy Rosen im Jahre 1940 die Kabarettrevue Lache Bajazzo geschrieben. Das erste Bild dieser Revue hieß „PROLOG! Der Bajazzo“. Mit großer Wahrscheinlichkeit war dieser Prolog eben unser Gedicht. Die Premiere von Lache Bajazzo sollte am 10. Mai 1940 im niederländischen Seebad Scheveningen stattfinden. Sie und die geplanten weiteren Vorstellungen fanden aber nicht statt, denn am 10. Mai 1940 begann zu Land und aus der Luft der deutsche Überfall auf die neutralen Niederlande. Aber allem Anschein nach hat Willy Rosen weiter nach Möglichkeiten gesucht, sein Gedicht über den jüdischen Clown, den Pojaz, auf die Bühne zu bringen. Denn das 17. Bild seiner Kabarettrevue Vroolijk Afscheid hieß „Der Clown“. Und damit schließt sich in diesem Artikel der Kreis: Die Kabarettrevue Vroolijk Afscheid gehört zu den Revuen, die Willy Rosen im Jahre 1941 in Amsterdam herausgebracht hat.” Rosen wurde am 20. Juni 1943 in Amsterdam verhaftet.” Anschließend war er im Polizeilichen Durchgangslager Westerbork im Norden der Niederlande inhaftiert, wo er bei der „Bühne Lager Westerbork“ maßgeblich mitwirkte.”® Anfang September 1944 wurde er aus Westerbork in das Ghetto The