und Saint-Cyprien, Mitte April dann mit den anderen Angehörigen
der Internationalen Brigaden in das Lager Gurs, das eben zu diesem
Zweck errichtet worden war. In den nur notdürftig zusammenge¬
zimmerten Baracken hausten hier an die 20.000 Soldaten, Spanier
und „6.808 Interbrigadisten aus 58 Ländern“'’, nach Nationalitä¬
ten getrennt, in sogenannten J/öts, Inselchen. Etwa 650 Deutsche
und zwischen 500 und 550 Österreicher waren gemeinsam mit
den Kubanern in Z/öt I untergebracht. Als politisch verdächtige
Gruppe hatten die Spanienkämpfer kaum Möglichkeiten, legal aus
dem Lager zu entkommen. Wenn sie nicht flüchten und in den
Untergrund gehen wollten, konnten sie sich in die Fremdenlegion
melden (was gegen ihr politisches Bewusstsein ging), auf die Ausreise
in ein anderes Land hoffen (40 oder 50 Personen durften in die
Sowjetunion weiteremigrieren) oder sich in die Heimat zurück¬
melden. Dies taten nach mehr als zwei Jahren Haft und angesichts
der immer elender werdenden Bedingungen im Lager an die 350
Österreicher auf Befehl der Kommunistischen Partei.
Anders war das Schicksal der Emigranten, die vor dem Austrofa¬
schismus oder dem Nationalsozialismus nach Frankreich geflüchtet
waren. Sie blieben, sofern sie über die nötigen finanziellen Mittel
verfügten, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges relativ unge¬
schoren. Die französischen Behörden akzeptierten sogar, dass viele
nach dem „Anschluss“ keine deutschen Pässe beantragen wollten.
Sie wurden als Ex-Autrichiens „trotz faktischer Staatenlosigkeit nicht
als Staatenlose“!° behandelt.
Paris war das politische, soziale und künstlerische Zentrum der
Emigration in Frankreich; es bildeten sich aber auch andere Kolo¬
nien von österreichischen Exilanten, so etwa Le Lavandou an der
Mittelmeerküste östlich von Marseille, da hier das Leben wesentlich
billiger und einfacher war. Die erste, relativ ruhige Zeit des Exils
fand ab dem 3. September 1939 ein jähes Ende, als sich nach dem
Eintritt Frankreichs in den Krieg alle „feindlichen Ausländer“ in
Sammellagern einzufinden hatten. Diese improvisierten Lager waren
oft Sportstadien wie etwa Colombes und Roland Garros bei Paris,
aufgelassene Ziegeleien wie Les Milles bei Aix-en-Provence oder
rasch errichtete Barackenlager. In diesen Lagern wurden nun die
antifaschistischen Flüchtlinge gemeinsam mit Deutschen festgehal¬
ten, die bereits seit längerer Zeit in Frankreich gelebt hatten und
begeisterte Anhänger Hitlers waren. In der Zeit der Dröle de guerre,
also des „seltsamen“ Krieges, der nicht losbrechen wollte, aber im¬
mer präsent war, wurden sie bald wieder entlassen. Doch nach dem
Angriff Deutschlands auf Frankreich im Mai und Juni 1940 mussten
sie in die unbesetzte Südzone Frankreichs fliehen, die vom Marschall
Petain von Vichy aus regiert wurde. Die deutschsprachigen Exilanten
waren ab diesem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr, an Deutschland aus¬
geliefert zu werden. Nach dem Waffenstillstandsabkommen vom 25.
Juni wurden die deutschen und österreichischen Exilierten erneut
in Lager gesperrt und festgehalten. Ihre einzige Hoffnung bestand
darin, das Visum eines Drittlandes zu bekommen, ein Visum, das
umständliche bürokratische Prozeduren voraussetzte und in der
unbesetzten Zone am ehesten noch in Marseille zu erhalten war.
Die Lage der deutschsprachigen Exilanten war lebensgefährlich
absurd. Die französischen Behörden hielten sie als feindliche Aus¬
länder fest, obwohl sie eben vor demselben Feind geflohen waren,
der Frankreich überfallen hatte. Doch statt in ihnen mögliche Ver¬
bündete zu sehen, nahmen sie in den Fxilanten nur Deutsche und
Österreicher wahr, die zudem zu einem Großteil Kommunisten oder
Sozialisten waren, ein Anathema für das reaktionäre Regime von
Vichy. In den Berichten jener Zeit werden immer wieder Klagen
über die Perversität dieser Lage und die ungerechte Behandlung
durch die französischen Behörden laut. So etwa lässt der spanische
Autor Max Aub in seinem Theaterstück über das Fxil in Frankreich
Morir por cerrar los ojos einen deutschen Professor auftreten, der
über den politischen Wahnsinn dieser Situation spricht:
Maler: Kann man das mit den deutschen Lagern vergleichen?
Professor: Alle fragt ihr dasselbe. Dort waren wir alle Deutsche und
gegenseitig Feinde. Das hier ist schlimmer, denn es ist idiotisch. Man
hat uns eingesperrt, da wir das verteidigen, was ofhiziell die Regierung
verteidigt, die uns festhält. Sie rächen an uns ihre Ungewissheit, ihren
Mangel an Glauben.”
Das Lager als äußerste Peripherie des Exils
Max Aubs Professor zeigt, dass das Exil in Frankreich nicht als bloß
nationales Phänomen erlebt wurde, sondern dass alle Internierten
ein mehr oder weniger ähnliches Schicksal erlitten. Die Lage der
Spanier und Österreicher wies durchaus Parallelen auf: Sie waren
aus ihrem eigenen Land ausgeschlossen und zugleich in einem La¬
ger eingesperrt, sie befanden sich also in der perversen Situation
des totalen Abseits, eines sozialen, politischen und menschlichen
Abseits. Sie waren angewiesen auf die Hilfe von Organisationen
und Komitees, da der französische Staat — oder das, was von ihm
geblieben war - sie nur ungenügend verpflegte. Jeder Lagerinsasse
kostete 15 Francs, jeder Kranke 60 Francs pro Tag'’, und in Kri¬
senzeiten hatte die einheimische Bevölkerung Vorrang.
In den Augenzeugenberichten dieser Zeit findet man denn auch
immer wieder Klagen über die ungenügende Versorgung der Ge¬
fangenen. Der österreichische Interbrigadist Erich Wolf berichtet
über seine Zeit in der südfranzösischen Festung Mont Louis im
Februar 1941: