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Anfangs sah es danach aus, als würde der ambitionierte Plan des
Königs von Erfolg gekrönt. Hatte die Epoche des Parlamentaris¬
mus den Staat an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs
gebracht, so verhieß die neue Regierung, den „Augiasstall“, wie
der englische Gesandte die jugoslawischen Finanzen bezeichnete,
zu säubern. Doch recht bald verkehrte sich alles ins Gegenteil: die
Unfähigkeit des Generals Zivkovid und seiner Mitarbeiter zu ei¬
ner erfolgreichen Staatsführung wurde offensichtlich. Gleichzeitig
erfasste Jugoslawien die Welle der Weltwirtschaftkrise. Viele Fab¬
riken und Gewerbebetriebe gingen bankrott, das Bankwesen hat¬
te nach dem Zusammenbruch der Wiener Creditanstalt, mit der
es eng verbunden war, mit schweren Problemen zu kämpfen, das
Nationalprodukt fiel von 80 Milliarden Dinar im Jahr 1927 auf
42 Milliarden im Jahr 1931. Nach einem Bericht der Agrarbank
betrug zu dieser Zeit das durchschnittliche Tageseinkommen von
Tausenden von Familien einen Dinar, was kaum für eine Schachtel
Zündhölzer reichte.

König Aleksandar war überzeugt, dass die Slawen von Natur
aus Anarchisten seien und dass man sie mit eiserner Hand vor
sich selbst schützen müsse. Entschlossen, im Staat Ordnung, Ruhe
und die „nationale Einheit“, wie er sie selbst verstand, zu erhalten,
kannte er keine Rücksichten jenen gegenüber, die ihm die Stirn
zu bieten wagten. Exponiert waren vor allem die Kroaten, aber
auch die Kommunisten, die sich unter dem Einfluss der Kom¬
intern gegen Ende der zwanziger Jahre der Täuschung hingaben,
die Zeit der Revolution sei angebrochen. Das Zentralkomitee der
KPJ rief die Masssen zum bewaffneten Aufstand gegen die „faschis¬
tische Militärdiktatur“ auf, ohne die zahlenmäßig Schwäche der
Partei, die schon Jahre in der Illegalität war, zu berücksichtigen.

Matthias Buch: Aus der Serie „Maquis“, Mischtechnik 2010

Auf diese Kriegserklärung, die sich nie in irgendeiner bedeuten¬
deren Aktion manifestierte, antwortete das Regime mit brutaler
Repression, deren Resultat die praktische Lahmlegung der KPJ
war. Mit einem vergleichbaren Erfolg aber konnte sich die Bel¬
grader Regierung im Kampf gegen die kroatischen Nationalisten
nicht brüsten. Nach Ausrufung der Diktatur floh der Vertreter des
extremistischen Flügels der kroatischen Opposition Ante Pavelid
ins Ausland und begann - vor allem mit Hilfe der römischen und
der ungarischen Regierung, die beide Gebietsansprüche auf Kos¬
ten Jugoslawiens stellten — die terroristische Ustaschabewegung
zu organisieren. 1931 wurde ihm von beiden Staaten erlaubt, auf
ihrem Boden Militärlager für seine Freiwilligen zu organisieren,
die er zum Großteil unter den arbeitslosen kroatischen Emigranten
in Europa und Amerika rekrutierte. Es ging um eine verhältnis¬
mäßig kleine Gruppe Verweifelter und Fanatiker, die überzeugt
waren, dass Kroatien nur auf „Antes Racheschrei“ warte, und die
bereit waren, „seine Feinde in einem Meer von Blut zu ertränken“.
Anfang der dreißiger Jahre verübten diese Extremisten eine Reihe
von Sabotageakten und politischen Morden, damit niemand in
Jugoslawien oder im Ausland auf die Idee käme, die kroatische
Frage sei ein für allemal gelöst.

Der Strudel der Gewalt, der Jugoslawien erfasste, machte bald
die Hoffnung jener zunichte, die sich der Täuschung hingaben, in
Aleksandar ihren Retter gefunden zu haben. Immer lauter wurden
auch die Vorwürfe, er hätte nichts für die Beilegung des kroatisch¬
serbischen Streits getan. Nach Meinung mancher Kritiker soll er
sogar die gegenseitige Feindseligkeit maßgeblich am Leben erhal¬
ten haben, um so seine Diktatur zu rechtfertigen. Der erste, der