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Deutschland noch bis in den Spätsommer um neue Flüchtlinge kümmerte, während seine Repräsentanten mit schweren Finanzproblemen zu kämpfen hatten. Nach dem 30. Jänner 1935 suchten 109 Personen aus Österreich Zuflucht in Zagreb, von denen 108 in acht Gruppen auf dem Weg über Ungarn nach Deutschland verbracht wurden. Sie mussten beim Zagreber Konsulat pro forma um die deutsche Staatsbürgerschaft ansuchen, anschließend bekamen sie gültige deutsche Reisepässe mit drei Monaten Gültigkeit. Für diesen Posten wurden 54.712,50 Dinar oder 2.879,10 RM aufgewendet. Nach einem Erlass des Vertreters des „Hilfswerks“ Pfragner übernahm der schon erwähnte Meinhard Sorgo, der dem Konsulat schon seit Anfang Februar als Flüchtlingsvertreter bekannt war, die Obsorge für eventuelle neue Flüchtlinge. Im Juli war er als Lagerführer noch immer in Zagreb, wo er unter akutem Geldmangel für 23 neue Flüchtlinge zu sorgen hatte. Aus einem Bericht des Sicherheitsdirektors für Steiermark, der Mitte Juli 1935 an das Bundeskanzleramt erging, lässt sich herauslesen, wie die deutschen Behörden das Problem der „zurückgebliebenen“ österreichischen Naziflüchtlinge letztendlich lösten, zumindest was ihre Versorgung betrifft. Am 13. Juli nämlich traf ein nationalsozialistischer Kurier in Maribor ein, der Fischbach auftrug, keine Flüchtlinge aus Österreich mehr aufzunehmen und nach Deutschland zu schicken. Wenn künftig noch ein Nationalsozialist nach Jugoslawien komme und sich als politisch Verfolgter melde, könne er zwar nach Deutschland kommen, er müsse die Mittel für die Reise aber selbst auftreiben. Der Kurier erlaubte Fischbach angeblich nur mehr für die Flüchtlinge zu sorgen, die sich bereits in Maribor und Zagreb aufhielten.”” Damit war die planmäßige Hilfsaktion für die österreichischen Flüchtlinge wahrscheinlich endgültig eingestellt. Die Auswertung der Dokumente reicht bis zum August 1935, wir können aber mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass österreichische Naziflüchtlinge auch noch später nach Jugoslawien kamen, wenn auch sicher immer seltener unter dem Vorwand, Teilnehmer des Juliputsches 1934 zu sein, und immer öfter mit der Behauptung, die wir schon vom Beginn der Fluchtbewegung kennen — dass sie vom österreichischen Staat verfolgt würden, nur weil sie Nationalsozialisten seien. Der Großteil der mit der Hauptwelle 1934 gekommenen Naziflüchtlinge verließ Jugoslawien am 28. November 1934 unter großer Teilnahme v. a. der kroatischen Öffentlichkeit und mit der Versicherung, dass sie die Hilfe, die ihnen in diesen für sie sehr schweren Momenten zuteil geworden war, nie vergessen würden. Im Hafen $uSak bestiegen sie zwei Dampfer des Hamburger Lloyd, die Schiffe „Der Deutsche“ und „Sierra Cordoba“, und fuhren ins Reich. Etwa 1.000 Angehörige der Österreichischen Legion II schlossen sich sofort der nationalsozialistischen Österreichischen Legion an, die schon seit 1932/33 in Bayern aktiv war. Einige ihrer höchsten Vertreter kamen im Zuge der Okkupation Jugoslawiens 1941 nach Kroatien zurück, wo sie im Okkupationssystem des Unabhängigen Staates Kroatien höchste Positionen einnahmen, so z. B. der spätere Beauftragte des Reichsführers SS in Kroatien, Konstantin Kammerhofer. Aus dem Slowenischen von Erwin Köstler DuSan Necak, geb. 1948 in Ljubljana, Historiker, Dr.phil.; seit 1989 o. Univ.-Prof. für Zeitgeschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana. Träger mehrerer wissenschaftlicher Preise und Auszeichnungen. Forschungsschwerpunkte: Allgemeine sowie slowenische und jugoslawische Zeitgeschichte; Nationalismusforschung und Nationalitätenfragen. Autor mehrerer Monografien sowie von über 800 Artikeln in slowenischer, serbokroatischer, mazedonischer, deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache. Neuere Bücher: Hallsteinova doktrina in Jugoslavija. Tito med Zvezno republiko Nemcijo in Nemsko demokratino republiko (Ljubljana 2002); (Mitherausgeber) Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju (Slowenisch-österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert; Ljubljana 2004); (mit Bozo Repe) Slowenien (Klagenfurt/Celovec 2006); (mit Bozo Repe) Kriza. Svet in Slovenci od prve svetovne vojne do sredine tridesetih let (Ljubljana 2008). Anmerkungen 1 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Dusan Ne¢ak: Die dsterreichische Legion II. Nationalsozialistische Flüchtlinge in Jugoslawien nach dem mißlungenen Putsch vom 25. Juli 1934. Aus dem Slowenischen von Franci Zwitter. Wien u.a.: Böhlau 1996. — Der vorliegende Beitrag, der im Wesentlichen die Darstellung in Kap. 1 (S. 31-50) zusammenfasst, wurde für die vorliegende Themennummer überarbeitet und von Erwin Köstler übersetzt; die Übersetzung von Franci Zwitter wurde im Hinblick auf Realien und terminologische Fragen gegengelesen. 2 Mariborer Zeitung, 26.7.1934, S. 2. 3 Diplomatski arhiv Zveznega sekretariata za zunanje zadeve (im weiteren DA ZSZZ), Beograd, MFT — 120, Roll. Nr. 2502, Inv., Nr. 142, E - 62981. 4 AdR, BKA (Archiv der Republik, Bundeskanzler Akten, Wien), 22/gen., 229.669 — G.D./St.B 34, 1.IX.1934, Sicherheitsdirektor des Bundes für das Bundesland Kärnten. 5 Keesings, Archiv der Gegenwart — 1934/1.7.1931 — 31.12.1934, 1554 H, 30.7.1934. 6 DA ZSZZ, E 629856. 7 Protokolle des Ministerrates der Ersten Republik, Abteilung IX., 29. Juli 1934 bis 31. März 1938, Bd.1, Kabinett Dr. Kurt Schuschnigg, 30. Juli 1934 — 26. Oktober 1934, 69, Bearbeiterin Gertrude Enderle-Burcel, Wien 1988, Protokoll Nr. 959, Sitzung vom 30.7.1934, S. 5. 8 DA ZSZZ, E 629866. 9 DA ZSZZ, E 629871. Der deutsche Gesandte in Belgrad von Heeren besprach die Situation der deutschen Fliichtlinge aus Osterreich schon am 31. Juli 1934 mit dem jugoslawischen Außenminister Bogoljub Jevtig, der jede Unterstützung versprach.Von Heeren ging von geschätzten 12 Personen aus und führte, den Anweisungen aus Berlin entsprechend, als Argument für ihre raschest mögliche Freilassung und Repatriierung ins Treffen, dass es sich bei ihnen nicht um Putschisten handle, sondern um Personen, die aus Österreich fliehen mussten, nur weil sie Deutsche und Nationalsozialisten seien und weil die „wildgewordene“ Heimwehr ihr Leben bedrohte. (DA ZSZZ, Depesche der Beograder deutschen Gesandtschaft vom 1.8.1934, E 629864.) 10 AdR, NPA/398, Österreich 38 — Attentat gegen Dollfuss und dessen Auswirkungen (im weiteren NPA/398), Foll. 603. 11 AdR, NPA/398, Foll. 745, Bericht der Sicherheitsdirektion Salzburg an das Bundeskanzleramt, 27.8.1934. 12 AdR, NPA/398, Foll. 599. 13 DA ZSZZ... E 629867; AdR, NPA/398, Foll. 600. 14 Bokisch, Otto u. Zirbs, Gustav A.: Der österreichische Legionär. Aus Erinnerungen und Archiven, aus Tagebüchern und Blättern. Wien 1940, S. 88. Zit. nach Necak: Die österr. Legion I, S 37 15 DA ZSZZ, E 629867. 16 DA ZSZZ, E 629852. 17 DA ZSZZ, E 629870. 18 AdR, NPA/38, Originalberichte der österreichischen Gesandtschaften und Konsularämter, 1918-38 — Laibach, Foll. 1037, Österreichisches 1-2/2010 43