und die Baranja. Restserbien — etwa in den Grenzen vor den Bal¬
kankriegen von 1912 / 1913 — unterstand ebenso wie das Banat
der deutschen Militärverwaltung in Belgrad.
Der Prozess der Vernichtung der jugoslawischen Juden verlief
territorial unterschiedlich. Je nachdem, ob die Juden unter bulga¬
rischer, ungarischer, italienischer oder deutscher Besatzungsherr¬
schaft oder auf dem Gebiet des kroatischen Ustascha-Staates lebten,
wurden sie zu verschiedenen Zeitpunkten vom Vernichtungsappa¬
rat erfasst. So wurde etwa der überwiegende Teil der in Kroatien
lebenden Juden in den zahlreichen Lagern von der kroatischen
Ustascha (etwa in Jasenovac oder Stara Gradista, um nur zwei der
bekanntesten Lager zu nennen) ermordet, und nur ein relativ klei¬
ner Teil wurde im Zuge der „Endlösung der Judenfrage“ ab 1942
nach Auschwitz deportiert. Während die etwa 16.000 Juden in
den von Ungarn annektierten Gebieten (Südbaranja, Batschka) bis
zum Einmarsch der deutschen Truppen in Ungarn im März 1944
von der Massenvernichtung verschont blieben, hatten in Serbien
bereits nach etwas mehr als einem Jahr militärischer Okkupation
Wehrmacht und Sicherheitspolizei nahezu die Gesamtheit der etwa
17.000 auf serbischem Gebiet lebenden Juden ermordet.
Um den Prozess der Judenvernichtung auf dem Gebiet des che¬
maligen Jugoslawien zu verstehen, ist es daher notwendig, sich
mit den unterschiedlichen Akteuren und jeweiligen politischen
Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.
In Serbien setzten die ersten Schritte der Judenvernichtung unmit¬
telbar mit dem Beginn der Besatzung ein. Sie erfolgten nach dem
bereits in den anderen besetzten Ländern angewandten Schema:
Registrierung — Kennzeichnung — Beraubung - gesellschaftliche
Ausgrenzung.
Bereits am 16. April 1941, also einen Tag vor der Kapitulation
der jugoslawischen Armee, befahl der Chef der Einsatzgruppe in
Belgrad, Wilhelm Fuchs, dass sich alle Juden Belgrads zur Regis¬
trierung einzufinden hätten: „Juden die dieser Meldepflicht nicht
nachkommen, werden erschossen.“!? Sechs Wochen nach Besat¬
zungsbeginn verfügte der Wehrmachtsbefehlshaber in Serbien,
General Ludwig von Schröder, die Definition, Registrierung und
Kennzeichnung der Juden und Zigeuner’ mit gelben Armschlei¬
fen, ihre Entlassung aus allen öffentlichen Ämtern und privaten
Betrieben, die „Arisierung“ ihres Grundvermögens und die Ein¬
führung der Zwangsarbeit.
Mit dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 änderte
sich die Situation für die großdeutschen Besatzer in Serbien radi¬
kal. Als die Partisanen unter der Führung Titos ab Frühsommer
1941 den bewaffneten Kampf aufnahmen, sahen sich die schwa¬
chen Besatzungstruppen mit einer gut organisierten Guerillabe¬
wegung konfrontiert, auf die sie weder taktisch noch durch ihre
Ausbildung vorbereitet waren. Von Beginn an verlegten sie sich
bei der Partisanenbekämpfung auf Repressionsmaßnahmen gegen
die Zivilbevölkerung. Vorsorglich war schon zum Zeitpunkt des
Überfalls auf die Sowjetunion ein „Reservoir“ angelegt worden.
Es setzte sich aus jenen Gruppen zusammen, die auch im Osten
als „Vernichtungsmasse“ definiert waren: Juden und Kommunis¬
ten. Bereits im Sommer 1941 gehörte der Geiselmord zum Besat¬
zungsalltag.
Trotz der Bilanz von über 1.000 erschossenen oder öffentlich
erhängten Juden und Kommunisten im Juli und August 1941
breitete sich die Partisanentätigkeit immer rascher aus. Noch im
August 1941 beauftragte Hitler die Wehrmachtstruppe mit der
Partisanenbekämpfung in Serbien. Diesen Auftrag erhielt der aus
Österreich stammende General Franz Böhme, dem ab Septem¬
ber 1941 alle militärischen und zivilen Dienststellen in Serbien
unterstellt wurden. Als General Böhme Mitte September 1941
in Serbien eintraf, hatte die räumliche Konzentration der Juden
schon begonnen. Bereits im August waren die männlichen Juden
aus dem Banat nach Belgrad deportiert worden und ab Anfang
September wurden auch die männlichen Juden und Zigeuner der
Hauptstadt interniert.
Seit Mitte August waren der Gesandte in Serbien, Felix Benzler,
und der ihm zur Seite gestellte „Judenexperte“ des Auswärtigen
Amtes, Edmund Veesenmayer, in der Judenpolitik aktiv geworden.
In mehreren Telegrammen an das Auswärtige Amt in Berlin hatten
sie nachdrücklich gefordert, dass zumindest die etwa 8000 männ¬
lichen Juden aus Serbien deportiert werden sollten, da die „rasche
und drakonische Erledigung der serbischen Judenfrage dringends¬
tes und zweckmäßigstes Gebot“*sei. Ihre Ansuchen begründeten
sie mit sicherheitspolitischen Argumenten: Juden seien bei zahl¬
reichen Sabotage- und Aufruhraktionen als Mittäter entlarvt wor¬
den; Judenlager behinderten und gefährdeten die Truppe; Juden
würden nachweislich wesentlich zur Unruhe im Land beitragen;
Abschiebung zunächst männlicher Juden sei die wesentlichste Vo¬
raussetzung fiir die Wiederherstellung der Ordnung - so lauteten
einige der Begründungen des deutschen Gesandten. Nachdem auf
Anfrage des Auswärtigen Amtes Adolf Eichmann die Aufnahme
von Juden aus Serbien im Generalgouvernement oder in der Sow¬
jetunion für unmöglich erklärt hatte, schlug Staatssekretär Martin
Luther seinem Gesandten in Belgrad „ein hartes und unnachgiebi¬
ges Vorgehen“ gegen die Juden vor, um ihnen „den Appetit daran
zu nehmen, im Lande Unruhe zu verbreiten. Die in Lagern zusam¬
mengefassten Juden müssen eben als Geiseln für das Wohlverhalten
ihrer Rassegenossen dienen.“”®
Die „sicherheitspolitische“ Argumentationsvariante rassistischer
Vernichtungsideologie ließ sich trefllich mit dem militärischen
„Befriedungskonzept“ General Böhmes verbinden. Er erkannte
die Möglichkeiten, die sich durch die bereits durchgeführte In¬
haftierung der männlichen Juden und von Teilen der Zigeuner für
seine Repressionspolitik ergaben: Juden und Zigeuner standen als
„Geiselopfer auf Abruf“ für Erschießungen zur Verfügung.
Nach einem Feuergefecht mit Partisanen, bei dem Anfang Okto¬
ber 1941 21 Wehrmachtsangehörige ums Leben gekommen waren,
fixierte Böhme das organisatorische Grundmuster für den Ablauf
der Massenexekution und bestimmte die Auswahl der Opfergrup¬
pen: „Als Repressalie und Sühne sind sofort für jeden ermordeten
deutschen Soldaten 100 serbische Häftlinge zu erschießen. Chef
der Militärverwaltung wird gebeten, 2100 Häftlinge in den Kon¬
zentrationslagern Sabac und Belgrad (vorwiegend Juden und Kom¬
munisten) zu bestimmen und Ort, Zeit sowie Beerdigungsplätze
festzulegen. Die Erschießungskommandos sind von 342. Division
(fiir KZ Sabac) und Korpsnachrichtenabteilung 449 (fiir KZ Bel¬
grad) zu stellen.“
Mit diesem Befehl leitete General Böhme eine neue Phase der
Judenvernichtung ein. Die bereits gängige Praxis der Ermordung
von Juden und Kommunisten durch die Einsatzgruppe wurde
nun systematisiert, militärisch deklariert und von der Truppe